Vergangenheit holt Vorstand ein

Wartenberg · Verein als Straftäter

Hat ein Problem vom Tisch: Karl de Wille, Vorsitzender des Arbeiterkranken-Unterstützungsvereins in Wartenberg.	Foto: sy

Hat ein Problem vom Tisch: Karl de Wille, Vorsitzender des Arbeiterkranken-Unterstützungsvereins in Wartenberg. Foto: sy

Wartenberg · Es gibt sie noch, die Dinosaurier unter den Vereinen. Ein solcher ist der Arbeiterkranken-Unterstützungsverein in Wartenberg. Er wurde gegründet zu einer Zeit, als es noch keine Krankenkassen gab, in den Anfängen der deutschen Sozialdemokratie, in der beginnenden Industrialisierung.

Er war die Krankenkasse des Ortes und funktionierte auch genau so. Mit der gesetzlichen Krankenkasse war die soziale Funktion natürlich in Frage gestellt. Der Verein versuchte, mit besonderen Angeboten seine Attraktivität zu erhalten. Irgendwann kam jemand auf die Idee, Schießabende zu veranstalten. Eine Langwaffe wurde beschafft, was früher aufgrund der laxeren Gesetze viel leichter war als heute. Vorsitzender Karl de Wille kann heute beim besten Willen nicht mehr sagen, wann das passierte. Er wusste nicht einmal mehr, was für eine Waffe das war. Nur der frühere zweite Vorsitzende und heutige Kassierer Anton Lechner konnte sich noch an die Schießabende erinnern. Das fällt ihm leicht, hat er doch etliche der gewonnen Bierkrüge noch im Regal stehen. Die Schießabende schliefen ein, die Waffe geriet gründlich in Vergessenheit. Unterdessen wurden die Waffengesetze verschärft, und es kam, wie es kommen musste: Irgendwer hatte das Gewehr wohl nicht vergessen, jedenfalls tauchte eines Tages die Polizei beim früheren Vorsitzenden auf und beschlagnahmte den Schießprügel. Wie sehr dieser aus den Gedächtnissen der Vereinsmitglieder verschwunden war konnte man daran sehen, dass einige sich an ein Luftgewehr erinnerten, andere dagegen an eine Kleinkaliberwaffe, was technisch wie waffenrechtlich ein gewaltiger Unterschied ist. Nachfragen ergaben dann, dass es wohl keins von beidem war, sondern eher ein Zimmerstutzen. Das war aber nur anhand der lückenhaften Beschreibung des Ladevorgangs durch ältere Mitglieder heraus zu bekommen. Wie dem auch sei, Vorsitzender de Wille ist mit dem jetzigen Zustand zufrieden. „Die Waffe haben wir sauber weiter.“

Teure Entsorgung des Problems

Dass es die teuerste nur denkbare Entsorgung war, hat der Verein inzwischen erkennen müssen: Gerichtsverhandlung, Anwalt, Geldstrafe. Immerhin ging es um unerlaubten Waffenbesitz, denn das vorgeschriebene „Bedürfnis“ konnte der Verein beim besten Willen nicht nachweisen. Der ehemalige Vorsitzende musste tief in die Tasche greifen, aber der Verein war gnädig. Er erstattete ihm die Auslagen, immerhin war es ja die Vereinswaffe. Wenn da nicht ein gewissenhafter Kassenprüfer gewesen wäre, der diese Ausgabe prompt als „nicht satzungsgemäß“ moniert hatte. Und so verzeichnete der Kassenwart bei der jüngsten Versammlung einen unverhofften Geldsegen: Der Vorsitzende zahlte die Kosten wieder in die Vereinskasse ein. Damit ist das Thema endlich abgehakt. Der Arbeiterkranken-Unterstützungsverein lebt weiter, von der Tradition, die er hoch halten möchte. sy

Artikel vom 19.01.2012
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