„Fachschaft Energie“ kümmert sich jetzt um Windpark

Ebersberg · Ertrag statt Nepp

Heinrich Hufnagel und Andreas Schumann, Mitbegründer der „Fachschaft Energie“, haben  eine mobile Wind-Messstation entwickelt. Foto: Sybille Föll

Heinrich Hufnagel und Andreas Schumann, Mitbegründer der „Fachschaft Energie“, haben eine mobile Wind-Messstation entwickelt. Foto: Sybille Föll

Ebersberg · Im Landkreis Ebersberg hat sich die „Fachschaft Energie“ neu gegründet. Mit fachlichem Know-How wollen die fünf Experten aus Wissenschaft und Technik den Landkreis auf dem Weg zur „Energiewende 2030“ voranbringen. „In anderen Ausschüssen wird viel gequatscht, aber das ist fachlich nicht tiefgreifend genug“, erklärt einer von ihnen, Heinrich Hufnagel, Diplom-Ingenieur für Leistungselektronik, der jahrelang bei EADS in Ottobrunn tätig war und auch dem Arbeitskreis Energie der Agenda 21 im Landkreis Ebersberg angehört.

Vorrangiges Thema der Fachschaft ist der geplante Windpark bei Purfing. Hier sollen zwischen Anzing und Pöring sechs Windkraftanlagen aufgestellt werden. Die Green City Energy AG aus München hat sich bereit erklärt, eine einjährige Windmessung vorzunehmen und dafür mit 140.000 Euro in Vorleistung zu gehen. Die Fachschaft Energie sieht die hohen Kosten im Vorfeld als kritisch, zumal niemand genau sagen kann, ob sich die Anlage wirklich rentieren wird. „Die Sache muss sauber aufgearbeitet werden, hier geht’s nicht um die Aufstellung eines Maibaums“, sagt Hufnagel. Die Bürger, die sich später an dem Windpark beteiligen können, sollen nicht geneppt werden. „Wir wollen realistische Ertragsprognosen“, so Hufnagel. Die Fachschaft fordert, dass der Investor die Rohdaten der Messung zur Verfügung stellt, um eigene, unabhängige Auswertungen und Ertragsprognosen erstellen zu können. Das wurde bisher jedoch abgelehnt. Den Gutachten könne man auch nicht trauen, sagt Heinrich Hufnagel weiter, denn den eingespeisten Strom aus der Anlage bekomme man nur vergütet, wenn der Gutachter bestätigt, dass 60 Prozent des Referenzbetrages erzielt werde. „Alsowird der prognostizierte Ertrag oft hochgeschraubt, bis das Ergebnis passt“, erklärt Hufnagel, der auch Mitglied im Bundesverband für Windenergie ist. „Wir haben deshalb eine mobile Messstation entwickelt, die wesentlich günstiger ist als das geplante Test-Windrad“, erklärt Fachschafts-Sprecher Andreas Schumann, freiberuflicher Physiker aus Ebersberg. In Ebersberg betreibt er eine Wetterstation und hat hier Erfahrungen mit Windmessungen mittels eines Drachens, bei denen er Werte aus 400 Metern Höhe sammelte. „Bei Windflaute fällt der Drachen allerdings herunter, ein Heliumballon wird bei starkem Wind zu Boden gedrückt. Also haben wir eine Kombination entwickelt“.

„Animometer“ ist ausreichend genau

An der Konstruktion hängt ein Messgerät, ein so genanntes Animometer, das auch bei Standard-Messungen verwendet wird. Das Ganze hängt wie ein Luftballon an einer Schnur. „Bei Wind wird die Konstruktion abgetrieben, der Leinenwinkel beträgt dann etwa 45 Grad, was bei einer Messhöhe von 140 Metern einer Abweichung von rund 140 Metern nach einer Richtung entspricht. Somit beträgt der vermessene Bereich 280 Meter im Durchmesser. Das ist ausreichend genau“, so Schumann. Die Kosten für die mobile Messstation würden sich auf etwa 4.000 Euro belaufen. Zunächst soll ein Prototyp gebaut und bei Garching getestet werden. Dort befindet sich ein 50 Meter hoher Messmast, so dass Vergleichsdaten vorliegen würden. Bewährt sich das System, könnten auch in anderen Kommunen Standorte für Windkraftanlagen vermessen werden. „Da wir politisch und wirtschaftlich unabhängig bleiben wollen, sind wir jetzt auf der Suche nach privaten Sponsoren. Einige Interessenten haben sich bereits gemeldet“, so Schumann. Auf kaufmännischer Seite hat die Fachschaft Unterstützung durch den Diplom-Kaufmann Ludwig Saur aus Kirchseeon, der seit zehn Jahren an einigen Windanlagen bundesweit beteiligt ist. Außerdem gehören der Fachschaft der Diplom-Ingenieur für Energietechnik, Wolfgang Haverkamp aus Glonn, sowie ein Fachhochschul-Professor für Leistungselektronik an. Weitere Themen, denen sich die Fachschaft widmen möchte, ist die Energiespeicherung, der Bau von Passivhäusern und die Optimierung von Heizungssystemen in der Gemeinde. Bei neuen Bauvorhaben fordert die Fachschaft Energie nachhaltig zu handeln. Auf dem Gelände südlich der Kriegersiedlung seien jetzt 40 Häuser nach normalem Energiestandard geplant. Aber hier könne man stattdessen 60 Passivhäuser in zwei Reihen in Ost-West-Ausrichtung bauen, mit Pultdach und Solaranlagen, jedes Haus 5,5 Meter breit, so Hufnagel. 2018 werde der Passivhaus-Standard ohnehin zur EU-Norm. In bestehenden Häusern sollten nach Ansicht der Fachschaft alle Heizkessel systematisch überprüft und gegebenenfalls erneuert oder gereinigt sowie ein hydraulischer Abgleich vorgenommen werden und dann in den Heizungen Umwälzpumpen eingebaut werden. „Das würde viel Energie sparen“, so Hufnagel. Bezüglich Energiespeicherung für solar- oder winderzeugten Strom denkt die Fachschaft Energie an ein Pumpspeicherkraftwerk.

Es geht um die Energiewende

Das Gefälle zwischen Kupferbach und Glonn sei stark genug, hier könnte man eine Schwelle bauen. Wenn ein Überschuss an Energie herrscht, wird das Wasser über Rohrleitungen in den höhergelegenen Obersee gepumpt, bei Flaute kann per Wasserkraft Energie erzeugt werden. Dass dann Landschaftsschützer auf die Barrikaden gehen könnten, stört die Wissenschaftler wenig. „Es geht um die Energiewende. Und die wird man sehen!“, sagt Schumann.

Von Sybille Föll

Artikel vom 05.01.2012
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