Straffällig gewordene Jugendliche helfen Schwerstbehindertem

Haidhausen · Ganz schön sozial

Sirin Emgan, Sabine Schneider und Anna Heitzer (v. li.) aus dem Team des »Brücke«-Vereins haben beim Weißeln ein wenig mitgeholfen.	Foto: js

Sirin Emgan, Sabine Schneider und Anna Heitzer (v. li.) aus dem Team des »Brücke«-Vereins haben beim Weißeln ein wenig mitgeholfen. Foto: js

Haidhausen · Hilfe besonderer Art hat kürzlich der 65-jährige Peter Zehntner aus der Wolfgangstraße bekommen: Das Wohnzimmer des Schwerbehinderten erhielt einen neuen Anstrich. Die Arbeiten durchgeführt haben zwei straffällig gewordene Jugendliche im Rahmen ihrer gerichtlich auferlegten Sozialstunden.

»Das ist sinnvoller als am Friedhof zusammenzukehren«, sagt Sabine Schneider vom Verein »Die Brücke« in der Einsteinstraße, der die Aktion gemeinsam mit dem Alten- und Servicezentrum Haidhausen (ASZ) organisiert hat.

Der gleichen Ansicht ist Michael Baldhammer (Name geändert), einer der beiden jungen Männer. Sozialstunden ableisten muss er, weil er betrunken mit dem Rad gefahren ist. Als Strafe betrachtet er die Malerarbeiten indes nicht. Den alten Herren zu sehen sei faszinierend, schwärmt er. Schon einmal war er vom Jugendgericht wegen Schwarzfahrens zu einem gemeinnützigen Dienst verurteilt worden. »Damals musste ich am Sportplatz Unkraut zupfen«, erinnert er sich: »Aber was ich hier mache, ist viel besser.« Auch Stefan Franz (Name geändert) ist beeindruckt. Er ist wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz hier. »Es ist eine unglaubliche Leistung, wie sich der Mann in seiner Wohnung bewegt«, staunt er. Trotz der Amputation beider Beine selbstständig leben zu können und keine Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei wirklich bewundernswert. Erstaunlich sei auch, dass er sämtliche Regale allein ausgeräumt habe.

»Hier sehen die Jugendlichen die Welt von einer anderen Seite«, erklärt Schneider. Projekte wie dieses seien daher pädagogisch sehr wertvoll. Begeistert war auch Zehntner: »Die beiden haben das super gemacht.« Schneider und Anna Grieshammer, die Leiterin des ASZ, planen nun, künftig öfter zusammenzuarbeiten. Denkbar sei etwa, den Senioren bei Umzügen zu helfen, so Grieshammer. Wichtig sei jedoch, dass stets eine Aufsichtsperson dabei sei: »Sonst sind die Jugendlichen und die Senioren überfordert.« Dies liege aber nicht daran, dass die jungen Menschen gegen Gesetze verstoßen hätten, meint Schneider. Wer Sozialstunden ableisten müsse, habe sich ja nur kleinere Vergehen zuschulden kommen lassen. Jedoch müsse dafür gesorgt werden, dass die Arbeiten zuverlässig erledigt würden.

Vor etwa fünf Jahren hat das ASZ schon einmal mit dem Verein »Die Brücke« zusammengearbeitet, der als Institution der städtischen Jugendhilfe für die Durchführung von Sozialstunden zuständig ist. Damals haben Jugendliche Graffitis an den Wänden des ASZ entfernt. Geplant sei, die Kooperation nun als generationenübergreifendes Projekt langfristig fortzusetzen, kündigte Grieshammer an.

Julia Stark

Artikel vom 03.01.2012
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