Sorgenkind Stadthalle: Trotz guter Belegung noch tiefer ins Minus gerutscht

Erding · „Eine schleichende Verschlechterung“

Die Stadthalle Erding, 1984 gebaut, ist stark sanierungsbedürftig und recht defizitär – dennoch notwendig.

Die Stadthalle Erding, 1984 gebaut, ist stark sanierungsbedürftig und recht defizitär – dennoch notwendig.

Erding · Die Stadthalle Erding bliebt weiterhin defizitär und ist im Vergleich zum Vorjahr sogar noch tiefer ins Minus gerutscht. Der Stadtrat stellte sich dennoch hinter die kulturelle Einrichtung, mahnte allerdings an, dass dem finanziellen Abwärtstrend dringend Einhalt geboten werden müsste.

Jutta Kistner, seit März dieses Jahres Geschäftsführerin der Stadthalle, stellte in ihrem Jahresbericht klar, dass sie mit der Belegung der Halle durchaus zufrieden war. Die Gesamtbesucherzahl betrug im vergangenen Jahr 54.687 in allen Räumen und allen Genres. Der „Große Saal“ war an 157 Tagen mit 50 kulturellen, 22 gesellschaftlichen und 32 gewerblichen Veranstaltungen belegt. „Damit hat sich die Auslastung sogar leicht verbessert. Leider sind die gewerblichen Veranstaltungen leicht rückläufig, ich vermute, dass dies der wirtschaftlichen Unsicherheit geschuldet werden muss“, so Kistner. Die Nebenräume wurden 174-mal für Veranstaltungen gebucht, seien aber laut Kistner aufgrund der geringeren Mieteinnahmen und der wenigen Plätze ohne gleichzeitigen Betrieb des Großen Saales nicht sehr lukrativ. Dies belegen auch die Zahlen: im Jahr 2006 betrug der gesamte Jahresfehlbetrag 13.000 Euro und stieg kontinuierlich 2007 auf 55.000, 2008 auf 83.000, 2009 auf 96.000 und schließlich im Jahr 2010 auf ein Minus von 125.000 Euro. Das kalkulierte Defizit von 60.000 Euro für das Jahr 2011 wird sicherlich kaum ausreichen, so Kistner. „Und angesichts der umfangreichen Sanierungsarbeiten im Jahr 2012, während der die Stadthalle ja gar nicht nutzbar ist, wird es im kommenden Jahr nicht besser aussehen.“

Die Defizite konnten in den vergangenen Jahren mit dem jährlichen Zuschuss der Stadt in Höhe von 350.000 Euro und der Rücklagenentnahme ausgeglichen werden, „aber diese Reserven sind auch irgendwann aufgefressen. Es handelt sich hierbei um eine schleichende Verschlechterung, was jedoch typisch ist für einen defizitären Betrieb. Die Kostensteigerungen können nicht in dem notwendigen Maß durch Umsatzsteigerungen ausgeglichen werden, die Schere klafft immer weiter auseinander“, so Kistner. Diese Entwicklung sei nie ganz aufzuhalten, sondern lediglich zu bremsen. Was auch Hans Egger, Fraktionschef von „Erding Jetzt“ so sieht. „Wir werden den Umbau der Stadthalle mit viel Geld begleiten, aber müssen uns durchaus die Frage stellen, wo und wann die Grenze für die Unterstützung erreicht ist.“ Jakob Mittermeier (CSU) forderte: „Wir müssen die Schere in den Griff bekommen, und dafür brauchen wir ein konzeptionelles Programm.“ Im Ausblick auf das kommende Jahr äußerte Kistner dahingehend Bedenken, dass die Stadthalle sich in einem Konkurrenzverhältnis zu anderen Veranstaltungsorten, wie etwa der Esakra-Halle in Landshut, der Halle in Unterföhring oder der Stadthalle Germering, befindet. Erschwerend komme hinzu, dass viele private Veranstalter aus wirtschaftlichen Gründen eine Mindestkapazität von 1.000 Personen mit gleichzeitigem Gebietsschutz voraussetzten und die Halle von der reinen Vermieter- in die Veranstalterrolle gedrängt werde. „Dann schließt das Management des Künstlers direkt mit der Halle einen Vertrag ab, wenn etwas nicht klappt, haben wir das Risiko zu tragen“, beklagte Kistner. Über das Jahr betrachtet sei 2010 ein umsatzstarkes Jahr gewesen, der Gesamtumsatz stieg um 55.000 auf rund 550.000 Euro. Die höhere Anzahl von Eigenveranstaltungen hätte zwar zu der Umsatzsteigerung geführt, die jedoch einem Anstieg der veranstaltungsbezogenen Kosten in Form von Honoraren und Tantiemen zum Opfer gefallen sei.

An der Kostenschraube gedreht hatte Kistner bereits vor einigen Wochen und sieben Stellen im Bereich für die Reinigung und Veranstaltungstechnik gestrichen. „Ich brauche dieses Personal nur, wenn Events in der Halle sind, eine dauerhafte Beschäftigung ist daher einfach nicht sinnvoll. Flexibel kann ich nur sein, wenn ich diese Bereiche an einen externen Dienstleister vergebe, den ich anfordere, wenn ich ihn brauche“, begründete Kistner ihre Entscheidung.

Gerade im Hinblick auf den Umbau im kommenden Jahr werde der Große Saal für längere Zeit nicht bespielt, „was soll ich da dann mit den Reinigungskräften und Technikern machen?“ Als Geschäftsführerin der Stadthalle habe sie eine unternehmerische Entscheidung getroffen, die sie sich selbst und auch der Aufsichtsrat, dessen Rückendeckung sie sich in intensiven Gesprächen geholt hat, durchaus nicht leicht gemacht habe. Für die Entlassungen musste sich Kistner schwere Vorwürfe von Seiten der SPD gefallen lassen, die den Zeitpunkt kurz vor Weihnachten sowie auch die Entlassungen von Schwerbehinderten stark kritisierten. Mittlerweile wurde, wie Bürgermeister Max Gotz bestätigte, für die Betroffenen eine Regelung gefunden, damit diese nicht in die Arbeitslosigkeit fallen. Und auch wenn die Weisheit „Kultur rechnet sich nicht“ gerade auch für Stadthallen zutreffe, so hat Kistner ein zweites hartes Jahr vor sich. Als ersten Schritt will sie die seit Jahren verwaiste Stelle des Marketing- und Vermarktungsspezialisten wieder besetzen. Und trotz bereits sehr guter Belegungszahlen für das kommende Jahr befürchtet sie, dass das Minus wohl kaum kleiner werden wird. bb

Artikel vom 02.01.2012
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