»Erdställe« in Doblberg werden erneut untersucht

Glonn · Die Kuh war schuld

Dieter Ahlborn hat einen kostbaren Fund gemacht: Ein Stück Holz, mit dem man vielleicht das Alter des Erdstalls in Doblberg (kl. Foto) bestimmen kann. 	AK für Erdstallforschung

Dieter Ahlborn hat einen kostbaren Fund gemacht: Ein Stück Holz, mit dem man vielleicht das Alter des Erdstalls in Doblberg (kl. Foto) bestimmen kann. AK für Erdstallforschung

Glonn · In Doblberg bei Glonn sind im Juli unterirdische Arbeiten im Gange gewesen. „Erdstallforscher“ wollen dort aktuell den Verlauf von Gängen im Erdreich mit neuer Technologie verfolgen: also den so genannten Erdställen auf die Spur kommen.

Als im Sommer 2005 in Doblberg auf der Wiese des Bauern Greithanner plötzlich eine Kuh regelrecht vom Erdboden verschluckt wird, ahnt die Familie noch nicht, was sich da auf ihrem Grundstück befindet. Erst als Rudolf Greithanner den Kopf in das Loch steckt und in einen unterirdischen Gang blickt, weiß er: Das ist ein Fall für das Landesamt für Denkmalpflege, Abteilung Bodendenkmäler. Dieses schaltet sofort den Arbeitskreis für Erdstallforschung mit Sitz in Aying ein. Tatsächlich stellen die Mitarbeiter fest: Unter der Wiese ist ein Erdstall.

Erdställe sind zwischen 20 und 100 Meter lang, haben nur einen Zugang und sind so eng, dass man zeitweise nur auf dem Bauch liegend vorwärts kommt. Im Volksmund werden sie „Schrazelloch“, „Erdweibischluf“ oder „Alraunenhöhle“ genannt. Sie sind vermutlich vor über 1.000 Jahren von Menschenhand aus dem Erdreich gearbeitete, labyrinthische Gangsysteme, die sich unter alten Siedlungsplätzen oder Kirchen befinden. Obwohl allein in Bayern etwa 700 solcher Anlagen bekannt sind, ist ihr genaues Alter und die ursprüngliche Funktion bislang nicht geklärt. Der Gang in Doblberg wurde damals untersucht und dann wuchs buchstäblich wieder Gras über die Sache.

Gänge nach sechs Jahren wieder offen

Nun aber, sechs Jahre später, wurde erstmals die Betonplatte, die man 2005 über den so genannten Schlupf, den Eingang in den Erdstall, gelegt hatte, wieder abgehoben. „Vor sechs Jahren hatten wir eine Brandstelle mit Holzresten gefunden, die wir dendrochronologisch (Dendrochronologie: Jahresringforschung, Verfahren zur Bestimmung des Alters vorgeschichtlicher Funde mithilfe der Jahresringe mitgefundener Holzreste) untersucht haben, um das Alter des Erdstalls zu bestimmen“, erklärt Dieter Ahlborn, Vorsitzender des Arbeitskreises für Erdstallforschung. Bei der Datierungsmethode wird bei einem Vergleich der Jahrringfolgen die zeitliche Zuordnung von Hölzern ermöglicht. „Das Holz hatte aber zu wenige Ringe, wir kamen zu keinem Ergebnis.“

Mehr Funde konnten 2005 nicht gemacht werden. „Der Gang misst 23 Meter, aber wir vermuten, dass er doppelt so lang ist, doch leider verschüttet“, so Ahlborn. Mit Hilfe neuester, geologischer Untersuchungsmethoden will der Arbeitskreis nun zusammen mit dem Landesamt für Denkmalpflege den Verlauf des restlichen Gangsystems eruieren, um dort eventuell weitere Rückstände der Nutzer zu finden. Mit neuester Technologie bepackt kamen daher Ende Juli Geophysiker auf die Wiese in Doblberg. Beate Greithanner lässt ihren Sohn Leonhard (9) für zwei Stunden von der Schule befreien, damit er bei der aufregenden Expedition dabei sein kann.

Ein dreirädriger Wagen mit Bodenradar fährt über das Gras und sendet elektromagnetische Wellen in den Untergrund, die reflektiert werden. Anhand der Zeit, die die Wellen brauchen, um etwa auf Hohlräume oder Mauern zu stoßen, kann man deren Lage bestimmen. „Eine weitere Methode ist die Magnetometer-Prospektion“, erklärt der Geophysiker Roland Linck. „Das Erdmagnetfeld wird durch Eingriffe in den Untergrund gestört. Diese Anomalien wie Verfüllungen, Hohlräume oder Brandspuren sind durch Messungen feststellbar“. Nun warten alle gespannt auf die Auswertungen.

„Der Erdstall ist schwach zu erkennen, auch die Grundmauer der Kirche, die mal dort gestanden hat, sieht man“, sagt Linck. Doch die endgültigen Ergebnisse kann der Geophysiker erst im Winter bekannt geben. „Wir haben noch mehr Projekte und im Sommer machen wir erst einmal die Feldarbeit. Und ein Tag draußen bedeutet zehn Tage Büroarbeit“.

In die Bibliothek zur Recherche

Auch die Greithanners verfolgen das Ganze gespannt. „Nach der Entdeckung sind wir sogar in die Staatsbibliothek nach München gefahren, um zu recherchieren“, erzählt Beate Greithanner. Aber das sei sehr zeitintensiv und Zeit hätten sie durch die Landwirtschaft nur wenig.

So überlassen sie die Forschung der Behörde und dem Arbeitskreis. Letzterer wurde vor fast 40 Jahren in der Oberpfalz gegründet und bemüht sich seitdem in ehrenamtlicher, seriöser Forschungsarbeit um neue Erkenntnisse. Denn obwohl auf diesem Gebiet seit rund 150 Jahren geforscht wird, ist das Rätsel um die unterirdischen Labyrinthe immer noch nicht gelöst. Die extreme räumliche Enge der Gänge und die oft nur 40 Zentimeter breiten Schlupfe schließen eine praktische Nutzung als Vorratsraum, Wasserstollen, Bergwerk oder Wohnhöhle aus. Auch der Sauerstoffmangel und die zeitweise Überflutung mancher Anlagen sprechen nicht gerade für die Verwendung als Zufluchtsstätte oder Versammlungsraum für religiöse Handlungen.

Möglich erscheinen eher ein durch wissenschaftliche Untersuchungen belegter Ahnenkult, oder frühchristliche Jenseitsvorstellungen. Aber auch die Sagenwelt kann wertvolle Hinweise auf weitere Erdstallanlagen und deren ursprünglichen Zweck liefern. Verbreitet sind Zwergen-, Dreifrauen-, oder Verbindungssagen, die sich in vielen Fällen auf tatsächlich existierende Gänge beziehen und ein weit verbreitetes agrarreligiöses Brauchtum belegen.

Eine Ausstellung in Passau unter dem Titel „Erdställe, rätselhafte unterirdische Gänge“, die der Arbeitskreis für Erdstallforschung entwickelt hat, und zu der Dieter Ahlborn ein Begleitheft geschrieben hat, ist noch bis 15. November im RömerMuseum Kastell Boiotro, Lederergasse 43, zu sehen, immer von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 16 Uhr. Von Sybille Föll

Artikel vom 11.08.2011
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