Neues Schüler-Projekt des Ebersberger Frauennotrufs

Ebersberg · Wo beginnt Gewalt?

Die Vorstandsmitglieder Tanja Hafner und Renate Jess (v. l.) vom Frauennotruf Ebersberg bereiten ein Gewalt-Präventionsprojekt für Jugendliche vor. Foto: Sybille Föll

Die Vorstandsmitglieder Tanja Hafner und Renate Jess (v. l.) vom Frauennotruf Ebersberg bereiten ein Gewalt-Präventionsprojekt für Jugendliche vor. Foto: Sybille Föll

Gewalt hat viele Formen. Körperverletzung ist nur eine davon. Wesentlich subtiler sind verbale Attacken, die einen Menschen psychisch zu Grunde richten können, oder – ganz aktuell – Cyber-Mobbing, also Beleidigungen via Internet, das vor allem Jugendliche betreiben. Doch wo fängt Gewalt an? Und in welchem Klima gedeiht sie?

Mit einem Projekt für Schüler ab der siebten Klasse will der Frauennotruf Ebersberg Jugendliche für das Thema Gewalt sensibilisieren, vor allem in Beziehungen. „Vielen Jugendlichen ist gar nicht bewusst, dass es schon eine Form von Gewalt ist, wenn man beispielsweise dem Partner oder der Partnerin verbietet, alleine wegzugehen oder eingehende SMS der Freundin überprüft“, sagt Tanja Hafner, Geschäftsführerin des Frauennotrufs in Ebersberg. Gerade unter Jugendlichen gebe es massive Grenzverletzungen, „das hat sich in den letzten Jahren stark verschoben“, so Hafner. Laut einer Studie, die das Bundesministerium 2004 in Auftrag gegeben hatte, hat in Deutschland jede vierte Frau in ihrem Leben schon einmal Gewalt durch den Partner erfahren. „Dem möchten wir vorbeugen“, so Hafner. Das Projekt sieht sechs Einheiten vor, die entweder in den Schulalltag integriert oder Teil einer Projektwoche sein können. Kooperationspartner ist Walther Hinz vom Männerberatungszentrum in München, der den männlichen Part in dem Projekt abdeckt. In Rollenspielen etwa sollen die Jugendlichen selbst erfahren, was sie als Gewalt empfinden und wo ihre Grenzen sind. In geschlechtsspezifischen Gruppen finden Dialoge statt, zum Beispiel unter der Fragestellung, was Mädchen und Buben von der Liebe erwarten.

Ein weiterer Block informiert über die Gewaltspirale (Streitpunkt – Gewaltanwendung – Wiedergutmachung), Formen von Gewalt und wo man Hilfe holen kann. Es gehe darum, sagt Hafner, den ­Jugendlichen bewusst zu machen, wie schnell man in die Gewaltspirale hinein rutscht und es entweder selbst nicht einmal merkt oder einfach nicht mehr weiß, wie man da rauskommen soll. Wichtig sei es auch, herauszufiltern, woher die Gewaltbereitschaft komme. Eine Auswertung der Polizei Bayern 2010 hat laut Hafner ergeben, dass bei Einsätzen wegen häuslicher Gewalt in 32 Prozent der Fälle Kinder anwesend waren.

Bewusstsein schaffen für das Thema Gewalt

„Das heißt, diese Kinder wachsen schon mit Gewalt zwischen den Eltern zuhause auf und es ist wahrscheinlich, dass sie Gewalt in eigenen Beziehungen als normal ansehen. Da müssen wir vorher den Fuß reinsetzen“, betont Hafner. Ein Gewalt-Präventionsprojekt für Grundschüler gibt es schon länger, „hier haben wir aber andere Schwerpunkte gesetzt, da geht es noch nicht um Gewalt in Beziehungen“, sagt Hafner. Bewusstsein schaffen für das Thema Gewalt war seit jeher die Intention des Frauennotrufs. Vor 21 Jahren entstand er aus einem in Eigeninitiative gegründeten Frauenzentrum heraus. „Damals wurde eher politische Arbeit betrieben. Themen zu dieser Zeit waren der Paragraf 218, der einen Schwangerschaftsabbruch als Straftat deklarierte, und die Gleichstellung von Frauen. „Aber natürlich ging es auch damals schon um häusliche Gewalt an Frauen, denn bis in die 1990er-Jahre war dieses Thema Privatsache. Erst 1998 wurden solche Übergriffe als Straftat eingestuft“, sagt Vorstandsmitglied Renate Jess. Mittlerweile habe die Bundesregierung erkannt, dass misshandelte Frauen den Staat auch teuer zu stehen kommen. „Die Frauen können oft nicht mehr arbeiten gehen, müssen behandelt und therapiert werden“, so Hafner. Gewalt habe Folgen für die ganze Gesellschaft, „und unsere Aufgabe ist es, das Thema öffentlich zu machen“.

Die Beratung für Frauen gab es von Anfang an und sie ist als einziges vom Frauenzentrum übrig geblieben. „Hier auf dem Land ist es schwierig, so eine Einrichtung zu halten, da wird genau geschaut, wer da hin geht“, sagt Jesse.

Frauennotruf rund um die Uhr erreichbar

Vier Frauen bilden den gleichberechtigten Vorstand. Drei davon arbeiten ehrenamtlich. Sozialpädagogin Tanja Hafner ist hauptamtlich angestellt. Darüber hinaus gibt es noch sechs weitere Ehrenamtliche. Damit der Frauennotruf rund um die Uhr erreichbar ist, wird das Telefon nach Schließung des Büros auf ein Handy umgeleitet, das diejenige, die Bereitschaftsdienst hat, mit nach Hause nimmt. „Es wäre toll, wenn wir noch mehr Helfer hätten“, sagt Hafner. Finanziell unterstützt wird der Frauennotruf vom Landkreis Ebersberg und dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit, Familie und Sozialordnung. Ansonsten finanziert sich der gemeinnützige Verein aus Spenden.

Für das Gewalt-Präventionsprojekt an Schulen erhielt der Frauennotruf zum Beispiel 150 Euro vom Grafinger Ortsverein der SPD. Das Geld stammt aus dem Erlös des SPD-Radlflohmarktes im April. Derzeit wird das Projekt den Schulen vorgestellt, im neuen Schuljahr soll es dann starten.

Sybille Föll

Artikel vom 21.07.2011
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