„Papa Schichtl“: Ausstellung im Bier- und Oktoberfestmuseum

München · „Noblige und g‘scherte Rammel“

Josef Widmann malte um 1910 Michael August Schichtl mit seinem Tambourmajor Anton Stumpf, genannt Stopsel.  Foto: Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Plakat/Gemälde

Josef Widmann malte um 1910 Michael August Schichtl mit seinem Tambourmajor Anton Stumpf, genannt Stopsel. Foto: Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Plakat/Gemälde

München · Eine Ausstellung über eine der wohl bis heute bekanntesten Attraktionen auf der Wiesn ist jetzt im Bier & Oktoberfestmuseum München, Sterneckerstraße 2, zu sehen: „Papa Schichtl.

Der Schausteller und Varietékünstler Michael August Schichtl (1851-1911)“ läuft bis 31. Dezember, Dienstag bis Samstag, 13 bis 18 Uhr (Reservierungen bis 19 Uhr). Michael August Schichtl entstammte einer traditionsreichen Schaustellerfamilie. Sie lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurück verfolgen. Geboren 1851 in München, erlernte er den Beruf des Korbmachers. Fasziniert von den Salonmagier-Fähigkeiten seines älteren Bruders Franz August beteiligte er sich am „Zauber-Theater“ seiner vier älteren Geschwister. 1879 erwarb er es von ihnen. Damit war der Grundstein gelegt für eine Karriere, die ihn zu Lebzeiten berühmt und über seinen Tod hinaus zur Legende gemacht hat.

Die Hauptattraktion seines Etablissements war die Aufsehen erregende „Enthauptung einer lebenden Person mittels Guillotine“. Dabei wurde ein Besucher geköpft und anschließend wundersam vollständig wiederhergestellt unter dem Applaus des Publikums von der Bühne entlassen. Schichtl bereiste mit seiner Truppe Festplätze in ganz Süddeutschland. Alljährlich bezog er seinen festen Platz auf dem Münchner Oktoberfest. 1906 eröffnete er eine neue Schaubude mit einer Fassadenlänge von mehr als 25 Metern und beschäftigte über zwei Dutzend Artisten, darunter Kraftturner, Kontorsionisten, Damenimitatoren, Hochradartisten, Haar-Gladiatoren, Mimiker, Clowns, Hufeisenbrecher und Tänzerinnen. Den Ehrennamen „Papa Schichtl“ erhielt er von seinen Artisten. Er hielt sie auch in der vorstellungsfreien kalten Jahreszeit unter Vertrag, um ihnen so Not und Armut zu ersparen. Sein Erfolg beim Publikum beruhte nicht nur auf der Originalität des Programms, sondern auch auf seiner Sprachmächtigkeit. Damit zog er das Publikum in seinen Bann. Die öffentliche Parade, das Anpreisen seines Varietéprogramms, war eine eigene rhetorische Kunstgattung zwischen Publikumsbeschimpfung und Werbung: „Hochverkehrtes Publikum! Hereinspaziert, a Zwanzgerl kost‘ da Galerieplatz, extra weich auf Schwartling. Noblesse, noblige, geht‘s nur rei, ihr g‘scherten Rammeln! Heit‘ gibt‘s eine extra Gala- und Riesenvorstellung.“

Nach Schichtls Tod 1911 übernahm seine Frau Eleonora das Schaugeschäft. Sie verkaufte es nach einem Jahr an den Artisten Johann Eichelsdörfer. Dieser führte es zusammen mit seiner Frau bis zu seinem Tod 1954. Sie veräußerte es 1986 an Manfred Schauer. Er führt das Schichtl-Theater bis heute auf dem Münchner Oktoberfest fort.

Die Ausstellung findet in den Sonderausstellungsräumen im Dachgeschoss des Museums statt. Sie zeigt mehr als 100 Bilder, Dokumente und Gegenstände aus dem Nachlass Schichtls, der von der Noack‘schen Michael August Schichtl-Stiftung (Stockdorf) betreut wird, sowie aus den Sammlungen des Münchner Stadtmuseums und des Valentin-Karlstadt-Musäums.

Artikel vom 29.06.2011
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