Ausstellung läuft noch bis 17. April im Kulturhistorischen Verein Feldmoching auf dem Gfild

Feldmoching/Hasenbergl · Szenen aus dem Leben im »DP Lager Schleißheim«

Vereinschef Maximilian Bauer (links) und Ausstellungsmacher Klaus Mai bei der Vernissage im Kulturhistorischen Verein Feldmoching auf dem Gfild.	Foto: ws

Vereinschef Maximilian Bauer (links) und Ausstellungsmacher Klaus Mai bei der Vernissage im Kulturhistorischen Verein Feldmoching auf dem Gfild. Foto: ws

Feldmoching/Hasenbergl · Genau zwei Künstler – Johann Naha und Wladimir Krivsky – lebten unter den insgesamt 8500 ehemaligen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, die von April 1945 bis Juli 1953 im »DP Lager Schleißheim (Feldmoching)« untergebracht waren.

Bei der Ausstellung »Kunst im DP Lager« im Kulturhistorischen Verein Feldmoching auf dem Gfild sind auf Aquarellen und Ölbildern, nicht im Original, sondern als Kunstdrucke zu sehen, Szenen aus dem Lagerleben dargestellt. Mit alten Fotos und Texttafeln will Ausstellungsmacher Klaus Mai außerdem an die Vergangenheit des heutigen Stadtteils Frauenholz im Hasenbergl-Nord erinnern und dem Vergessen vorbeugen.

Gebiet gehörte erst zur Gemeinde Oberschleißheim

Der Name »DP Lager Schleißheim (Feldmoching)« klingt verwirrend. Es hieß so, weil das jetzige Gebiet Frauenholz im Hasenbergl-Nord zwischen Schleißheimer/ Aschenbrenner-/Winterstein- und Thelottstraße nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst zur Gemeinde Oberschleißheim gehörte. In den Baracken des Lagers waren sogenannte DPs untergebracht, »Displaced Persons«, unter anderem ehemalige Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus der Ukraine und Russland, später Menschen aus mehr als 25 Ländern. Das Lager war 200 mal 400 Meter groß, hatte knapp 100 Baracken und bot Platz für 4400 Personen auf einmal. Es war das größte DP-Lager Bayerns. Viele konnten auswandern und in den USA, Kanada und Südamerika einen Neubeginn wagen. Etliche blieben aber in München. Einige der ehemaligen Bewohner stellten für die Ausstellung alte Fotos und andere Dokumente aus ihren Familien zur Verfügung und lieferten als Zeitzeugen den Ausstellungsmachern wertvolle Informationen. »Es hat sich ein Schatz der Geschichte ergeben«, berichtete Ausstellungsmacher Mai erfreut.

Zeitzeugen erzählen von ihren Erfahrungen

Einige dieser Zeitzeugen kannten auch persönlich Johann Naha, 1902 in Riga geboren, 1982 in München gestorben. Er lebte etwa zwei Jahre, von 1951 bis 1952, im DP-Lager Schleißheim, war Grafiker und fertigte unter anderem Aquarelle. Wladimir Krivsky wurde am 11. Mai 1928 in Pantschewo an der Donau in Serbien geboren, kam ebenfalls in das DP Lager Schleißheim, ist Maler und fertigte damals Ölbilder auf Pappe. Der 83-Jährige lebt heute in New York. Die Ausstellung über die beiden Künstler könne ohne den Hintergrund des DP-Lagers nicht verstanden werden, so Mai. Denn »Kunst entsteht immer im gesellschaftlichen Kontext.« Die Ausstellung versuche, die sozialen Bezüge der Menschen im Lager darzustellen. Nicht zuletzt soll sie auch zeigen, »dass Menschen in heute nur schwer nachvollziehbaren Lebenssituationen in der Lage sind, sich kulturell und kreativ zu betätigen und Kunstwerke zu schaffen.« Die Bilder seien heute historische Dokumente, betonte Mai. Er ist nicht nur Mitglied im Kulturhistorischen Verein Feldmoching auf dem Gfild, sondern sitzt auch für die SPD im Bezirksausschuss Feldmoching-Hasenbergl. Das Stadtteilgremium habe die Ausstellung aus dessen BA-Budget finanziell unterstützt, konnte Mai bei der Vernissage erfreut berichten.

Zum Schluss lebten hier Menschen aus über 25 Nationen

Bewusst sprach er auch den »ungerechtfertigten schlechten Ruf des Lagers« an, der sich später leider auf die Siedlung Hasenbergl übertragen habe. Die Bewohner des Lagers hätten bei den Journalisten den Ruf als »Entwurzelte« gehabt. Zum Schluss hätten dort Menschen aus über 25 Nationen gelebt. »Es ist ein großes Beispiel gelungener Integration. Man möchte meinen, die haben dahinvegetiert – aber mitnichten. Es gab Theater, Kino.« Mai wies außerdem daraufhin, dass dort viele Professoren, Lehrer und Intellektuelle gelebt hätten. »Es war das geistige Zentrum der russisch-orthodoxen Kirche.« Viele der Schleißheimer DPs arbeiteten in den US-Kasernen. Sie seien also nicht eingesperrt gewesen und hätten raus gekonnt. Fazit: »Es war kein reines Lager, es war ein lebendiges Wesen.« Es habe Schulen und ein Gymnasium gegeben, ja sogar eine Universität in Form eines Vortragssaals. Amtssprache im DP-Lager Schleißheim sei Russisch und Englisch gewesen. Deutsch lernten die Kinder in der Schule.

Alle Bewohner schafften einen Neubeginn

Eine bei der Ausstellungseröffnung anwesende ehemalige Bewohnerin, deren Eltern aus Russland stammten und die es in das Lager verschlagen hatte, berichtete: »Ich war das erste Kind, das im Lager geboren wurde.« Vier Jahre lang sei sie dort aufgewachsen – »und wir haben nicht gebissen«, sagte die heute 65-Jährige Münchnerin, bei der Vernissage angesprochen auf die damals zum Teil herrschenden Ressentiments der Nachbarn in Feldmoching und anderswo gegenüber dem DP-Lager Schleißheim. Alle Bewohner verließen es schließlich und schafften, wo und wie auch immer, einen Neubeginn. Im Jahr 1953 kaufte die Stadt München das verwahrloste leere Lager vom Staat, um Obdachlose unterzubringen. Ein Teil der Baracken wurde durch Steinbauten ersetzt. 1964 wurde das Lager aufgelöst. An dessen Stelle entstand die »Großwohnanlage am Hasenbergl«. Heute stehen zwischen Schleißheimer-, Aschenbrenner-, Winterstein- und Thelottstraße Wohnblocks, viele sind inzwischen modernisiert und saniert. Dazwischen gibt es die katholische Pfarrei Mariä Sieben Schmerzen, dort bezeichnet man das frühere DP-Lager Schleißheim als »die Keimzelle der Besiedelung vom Stadtteil Hasenbergl.« Stadtrat Dr. Reinhard Bauer (SPD) erinnerte bei der Vernissage schließlich daran, dass »unser Land vor fast 80 Jahren den Weg in die Diktatur genommen und einen Weltkrieg ausgelöst hat.« Doch so bedrückend dieser Blick zurück sei, »er gibt auch Hoffnung und hat positive Seiten.« Man dürfe diese Zeit nicht vergessen, müsse sie im Auge behalten und »wir müssen daraus lernen«, so Stadtrat Bauer.

Die Geschichte auch künftig dokumentieren

Maximilian Bauer, frisch gewählter alter und neuer Vorsitzender des Kulturhistorischen Vereins Feldmoching auf dem Gfild und zugleich Mitglied für die CSU im Bezirksausschuss Feldmoching-Hasenbergl, betonte, dass der seit gut 20 Jahren existierende Verein auch künftig »die Geschichte in den verschiedensten Formen dokumentieren will.« Das beschränke sich nicht auf Kulturarbeit für Feldmoching, sondern auch für den gesamten Stadtbezirk 24 Feldmoching-Hasenbergl. Die Ausstellung »Kunst im DP-Lager Schleißheim (Feldmoching)« läuft noch bis 17. April im Kulturhistorischen Verein Feldmoching auf dem Gfild im früheren Gemeindehaus Feldmoching an der Josef-Frankl-Straße 55/Ecke Feldmochinger Straße. Geöffnet ist jeweils am Samstag (von 15 bis 18 Uhr) und am Sonntag (15 bis 18 Uhr). Führungen finden sonntags zwischen 17 und 18 Uhr statt. Wally Schmidt

Artikel vom 15.03.2011
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