Zwischen Kochtopf und Krinoline: »Weihnachtsengel« Michel

Isarvorstadt · Ein Allround-Talent

Karlheinz Michel (l.) ist der »Engel« im ASZ Isarvorstadt. Für ASZ-Leiter Jan  Dietrich ist er »einfach ein ganz toller Mensch«. 	Foto: scy

Karlheinz Michel (l.) ist der »Engel« im ASZ Isarvorstadt. Für ASZ-Leiter Jan Dietrich ist er »einfach ein ganz toller Mensch«. Foto: scy

Isarvorstadt · 60 Paar Weißwürste liegen im Kochtopf. Und keine davon platzt auf. Zumindest dann nicht, wenn Karlheinz Michel über die Weißwürste wacht. »Nur ganz, ganz selten geht es daneben«, verrät der 47-Jährige und lacht. Einmal im Monat, wenn im Alten- und Servicezentrum (ASZ) Isarvorstadt an der Hans-Sachs-Straße zum Weißwurst-Frühstück eingeladen wird, ist Karlheinz Michel sozusagen der »Herr der Weißwürste«.

Außerdem leitet Karlheinz Michel den wöchentlichen Lesekreis, hilft bei sämtlichen Veranstaltungen und übernimmt verschiedene Begleitdienste. Und das ist nur eine Auswahl seiner vielen Einsatzgebiete, alles auf freiwilliger Basis und mehrere Stunden pro Woche. »Unser Herr Michel ist einfach ein ganz toller Mensch«, fasst Jan Diet­rich, Chef des ASZ, zusammen. »Er ist unermüdlich, immer bereit mitzuhelfen, wo es brennt. Das zeichnet ihn aus.« Und Sozialarbeiterin Birgit Katzenmeyer schwärmt: »Er ist ein wahrer Engel und bereichert die Lebensqualität der Senioren im ASZ und im Stadtviertel enorm.«

Klingt verdächtig danach, dass Karlheinz Michel genau der Richtige ist, um ihn mit dem weißen Weihnachtsengel, der alljährlich von der Redaktion »Münchner Zentrum« für ehrenamtliches Engagement vergeben wird, auszuzeichnen. Die schmucke Figur stammt von Pflanzen Kölle. »Was für ein süßes Engelchen«, freut sich Michel und strahlt aus seinen hellblauen Augen. Und auch über einen Einkaufsgutschein fürs OEZ in Höhe von 100 Euro, ein weiteres Dankeschön an den fleißigen Helfer, zeigt er sich begeistert. »Danke, das ist wirklich nett«, meint er in seiner bescheidenen Art. Einer wie Karlheinz Michel gehört nicht zu den Menschen, die das Rampenlicht suchen. »Ich mache diese Arbeit, weil ich einfach gerne bei den alten Leuten bin«, erklärt er.

Als er vor vier Jahren ein Plakat las, mit dem die Caritas nach Ehrenamtlichen suchte, meldete er sich sofort. Der gelernte Altenpfleger, der in seinem Job nicht weiter arbeiten konnte, da er als erwerbsunfähig eingestuft wurde, hat seine Zeit schon immer viel mit Senioren verbracht. »Unsere Gesellschaft redet immer davon, wie beschwerlich es im Alter ist. Viele vergessen aber, wie viel Positives das Alter mit sich bringt. Zum Beispiel diese unglaubliche Gelassenheit, wie sie nur alte Menschen haben können«, erzählt Michel. »Also, wenn ich mir manche von ihnen anschaue, dann habe ich überhaupt keine Angst vor dem Altwerden.«

Zu seinen schönsten Momenten gehört, wenn die Augen der alten Leute strahlen. Beispielsweise zur Wiesn 2010, da haben sich die betagten Damen den Herrn Michel geschnappt und dann ging es raus zur Theresienwiese. Dort entdeckten die Seniorinnen die Krinoline, ein Karussell, das sie bereits aus Kindertagen kannten. »Es tat so richtig gut, ihre riesengroße Freude zu spüren«, berichtet er. Es gibt aber auch die stillen und nachdenklichen Augenblicke. Dann vertrauen sich die alten Menschen »ihrem« Karlheinz an, reden mit ihm über ihre Sorgen, etwa über die Angst vor dem Pflegeheim oder vor dem Sterben. »Ich höre einfach zu. Ich bin da«, sagt er. Und er sagt es so, mit seinem charmanten fränkischen Akzent, als wäre da nichts Besonderes dabei. Jan Dietrich aber betont: »So wie unser Herr Michel mit den alten Leuten umgeht, das macht ihm so schnell keiner nach. Die Menschen vertrauen ihm. Er hat zu ihnen einen sehr guten Draht.« Und der Herr Michel? Hört sich das Lob an. Und lächelt leise.

Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 21.12.2010
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