Magnus Schelle nimmt Abschied vom Messner-Amt

Oberhaching · 70 Jahre im Dienst

Mit einem Gottesdienst wurde Magnus Schelle nach 70 Jahren Dienst in der Kirche von Pfarrer Rüdiger Karmann in den Ruhestand verabschiedet. 	Foto: Privat

Mit einem Gottesdienst wurde Magnus Schelle nach 70 Jahren Dienst in der Kirche von Pfarrer Rüdiger Karmann in den Ruhestand verabschiedet. Foto: Privat

Oberhaching · Noch keine sieben Jahre war er alt, als Magnus Schelle am 1. Adventssonntag 1939 voll Stolz das erste Mal als Ministrant das Evangelienbuch in der Messe zum Altar in St. Stephan tragen durfte.

Eigentlich war er noch zu jung dafür, doch der damalige Hilfsgeistliche und spätere Pfarrer Karl Hobmaier hatte dem Jungen versprochen, dass er den Dienst verrichten darf, wenn er ein lateinisches Gebet auswendig lernt. Ohne Lateinkenntnisse machte sich der kleine Magnus die Mühe das schwierige Suscipiat zu lernen und durfte fortan tatsächlich als Ministrant dienen, obwohl er noch nicht einmal die Erstkommunion erlebt hatte. Doch dann passierte es gleich beim ersten Einsatz: das Gewand war zu lang, er fiel über den Saum und die kostbare Schließe des Buches brach entzwei.

Ärger mit dem Vater, der damals Mesner war, und dem Pfarrer stand ins Haus. Aber er ließ sich nicht entmutigen. »Mir hat die festliche Atmosphäre in der Kirche gefallen und auch, dass ich so mit meinen Freunden, die auch Ministranten waren, zusammen sein konnte«, erinnert sich Schelle. Das Amt des Mesners übernahm er offiziell nach dem Tod seines Vaters 1961, wobei er ihm schon viele Jahre zuvor zur Hand ging. Der Mesnerdienst brachte früher viel Arbeit mit sich und kostete eine Menge Zeit. Schon morgens um 5 Uhr ging es los mit dem Gebetsläuten der Glocken. »Die Umstellung auf Automatik kam erst im Lauf der 70er-Jahre«, berichtete er. Jeden Morgen und Abend, jeden Tag im Jahr musste die Kirche auf- und wieder zugeschlossen werden. Zudem galt es bei allen kirchlichen Anlässen wie Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen sowie allen Festtagen dabei zu sein. Jede Messe musste vorbereitet werden, Wäsche und Gewänder frisch sein, Kerzen angezündet und Fahnen aufgehängt werden.

Er sorgte dafür, dass stets genügend Hostien da waren, der Kelch schön glänzte und die Sakristei geputzt war. »Die Arbeit wäre ohne die Unterstützung meiner Frau Elisabeth gar nicht möglich gewesen«, meinte der Mesner. Wenn er mal wieder in die Kirche zu seinen zahlreichen Aufgaben musste, hielt sie ihm den Rücken frei und kümmerte sich um das benachbarte Lebensmittelgeschäft, das beide führten. Zehn Pfarrer und acht Kapläne hat Schelle im Lauf der Jahre erlebt. Noch heute hat er Kontakt mit den noch lebenden Pfarrern. Und sogar beim Gießen der Glocken war er mit dabei. Ursprünglich klangen im Kirchturm von St. Stephan fünf Glocken, doch nachdem im 1. und 2. Weltkrieg jeweils zwei abmoniert wurden, weil das Metall benötigt wurde, war schließlich nur noch die kleinste und älteste von 1886 übrig. »Es war sehr schön zu sehen, wie im Lauf der Jahre die Glocken wieder ergänzt werden konnten«, berichtete er.

Der Mesnerdienst war für ihn Berufung und hat sein Leben mitbestimmt. »Da gehört natürlich viel Liebe zur Tätigkeit dazu und auch der Glaube, weil man sonst sicher nicht solange dabei bleibt.« Als er 2003 wegen einer Knieoperation erstmals für sechs Wochen ausfallen musste, meinte der damalige Pfarrer Herbert Rauchenecker: »Und was machen wir jetzt bei Beerdigungen, wer geht da mit auf den Friedhof?« Darauf entgegnete Schelle: »Da stirbt keiner!« Und so kam es auch. Allein bei rund 2000 Beerdigungen war er dabei. »Wenn ich heute auf den Friedhof gehen und diese Toten aufstehen würden, da wäre was los«, schmunzelte er.

Der Abschied nach 70 Jahren im Kirchendienst fällt ihm schwer, weil sein Herz daran hängt. Mit einem festlichen Gottesdienst, zu dem auch frühere Pfarrer und die Vereine mit ihren Fahnen kamen, waren Ministranten und Altministranten so zahlreich dabei, dass die Gewänder nicht ausreichten. hol

Artikel vom 23.11.2010
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