Eltern kämpfen um das Recht der freien Schulwahl

Harlaching · Kampf geht weiter

Eltern aus Harlaching machen mobil, wenn es darum geht, für ihre Kinder die passende Schule selber aussuchen zu dürfen. 	Foto: mst

Eltern aus Harlaching machen mobil, wenn es darum geht, für ihre Kinder die passende Schule selber aussuchen zu dürfen. Foto: mst

Harlaching · Vorerst kann das Direktorium des Harlachinger Theodolindengymnasiums (TLG) aufatmen: Alle Fünftklässler, die im Mai dieses Jahres angemeldet wurden, haben einen Platz gefunden. »Wir mussten niemanden abweisen«, freut sich Schulleiter Gerhard Becker. Noch im Februar sah das indes anders aus.

Besorgte Eltern hatten Unterschriften gesammelt, weil sie befürchteten, ihre Kinder könnten dort keinen Platz mehr bekommen. Denn nach einem Stadtratsbeschluss von 2003 ist die Zahl der Eingangsklassen an städtischen Gymnasien auf 50 gedeckelt. 2009 stießen die Münchner Gymnasien erstmals an diese Grenze, weitere Klassen durften nicht aufgemacht und die Kinder mussten an staatliche Gymnasien verwiesen werden. Aber auch wenn in diesem Jahr alle Kinder einen Platz am Theodolindengymnasium bekommen haben, bleibt das Problem in Harlaching bestehen.

Wegen der nach wie vor ungeklärten Finanzierung der städtischen Gymnasien und des Streits zwischen der Stadt München und dem Freistaat Bayern könnten Kinder, die nach der vierten Klasse auf das TLG wechseln wollen, auf der Straße stehen. Deswegen will der Elternbeirat ­erneut mobil machen: Wie Sabine Walzer informiert, denkt man an eine Demonstration, auch ein Streik ist anvisiert. »Wir bleiben am Ball«, macht das Elternbeiratsmitglied seinem Ärger Luft. Das Gremium will erreichen, dass die Zahl der fünften Klassen an den städtischen Gymnasien deutlich aufgestockt und damit ein entsprechender Stadtratsbeschluss rückgängig gemacht wird. Im Frühjahr dieses Jahres hatte es sich diesbezüglich mit einer Petition an den Bayerischen Landtag gewandt, das Anliegen ist jedoch vom Landtag mehrheitlich abgewiesen worden.

Am 20. Oktober wird ein neuer Elternbeirat gewählt, Ende Oktober will man dann Walzer zufolge entscheiden, »wie es weitergeht«. Dabei ist die Situation in den fünften Klassen am TLG derzeit entspannt: Vier fünfte Klassen mit je 30 Schülern konnten gebildet werden. Zuzuschreiben ist dieser Umstand jedoch nicht dem Widerstand der Eltern, sondern offenkundig dem G8: Wegen des immensen Lerndrucks durch das achtstufige Gymnasium haben sich viele entschieden, ihre Kinder nicht aufs Gymnasium, sondern auf die Realschule zu schicken. »Genau kennen wir die Gründe nicht, doch ich vermute, dass es auch am G8 liegt«, meint Becker.

Zur Vorgeschichte: 2009 musste aufgrund der Deckelung und des hohen Bedarfs im Münchner Norden erstmals eine 5. Klasse im TLG komplett gestrichen werden. »Die betroffenen Schüler wurden fast ausschließlich an staatliche Gymnasien verwiesen, die zum Teil weit entfernt vom Wohnort lagen«, klagt Walzer. Diejenigen, die auch an diesen ­Einrichtungen keinen Platz bekommen hätten, seien letztlich »per Zuweisung vom Ministerialbeauftragten« an andere städtische Gymnasien zugeteilt worden. In Harlaching bleiben konnten viele nicht, denn auch im nahe gelegenen staatlichen Albert-Einstein-Gymnasium habe man die Schotten wegen Überfüllung dicht machen müssen.

Die Elternbeiräte rechnen weiterhin mit dem Schlimmsten: »Anhand der vorliegenden Statistiken wissen alle Beteiligten, dass sich dieses Szenario in den kommenden Jahren wiederholen wird. Es besteht akuter Handlungsbedarf«, betont Martin Münsterkötter, Vorsitzender des gemeinsamen Elternbeirats der Volksschulen der Stadt München. In der Stadt ist man mit dem Problem inzwischen bestens vertraut und signalisiert Unterstützungsbereitschaft. Eva-Maria Volland, Sprecherin des Münchner Schulreferats, verweist auf den Erziehungsauftrag des Freistaates: »Beim Unterhalt der 14 städtischen Gymnasien handelt es sich um eine frei­willige kommunale Zusatzleistung«.

Ziel sei es, den ­Bildungsauftrag zu unterstützen, wofür man bislang 60 Millionen Euro jährlich aus den Haushaltsmitteln der Stadt bereitgestellt habe. Dabei hätte die Kosten für die Bezahlung der Lehrkräfte alleine die Landesregierung zu schultern: »Kompetenzstreitigkeiten kann es aus unserer Sicht nicht geben, weil ausschließlich der Freistaat qua Verfassungsauftrag verpflichtet ist, den Bildungs- und Erziehungsauftrag flächendeckend zu schultern«, ergänzt Volland und spricht von einer »überfälligen Reform der Schulfinanzierung«. Klein bei geben werden die Harlachinger angesichts des negativen Bescheids aus dem Landtag nicht, sondern jetzt erst recht die Konfrontation mit den Landespolitikern suchen. mst

Artikel vom 05.10.2010
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...