Gründung einer Wohnungsbaugenossenschaft in Diskussion

Vaterstetten · Seniorengerechtes Wohnen für alle

Vaterstetten · Die Rechnung ist ganz einfach: Ein Kind, das heuer Abitur macht oder seine Berufsausbildung vollendet, ist im Jahr 2050 eigentlich »Senior«. Über die Frage »wie will ich im Alter leben« sollte man sich somit jetzt Gedanken machen.

Doch damit beschäftigt sich aktuell nicht der künftige Rentner, sondern die politisch und sozial verantwortlichen der Landkreise und Kommunen.

Robert Winkler von den Grünen – gerade mal Ende 40 – findet den Gedanken des gemeinschaftlichen Wohnens faszinierend: »Ich werde das für mich und meine Familie in den nächsten fünf Jahren wirklich angehen«, sagt er und meint damit auch eine generationenübergreifende Lösung, »nicht nur mit Alten unter einem Dach«.

So wurde bereits vor einigen Jahren das »Seniorenpolitische Gesamtkonzept für den Landkreis Ebersberg« beschlossen. Eine interfraktionelle Projektgruppe beschäftigt sich auf der demographischen Basis, dass im Jahr 2050 über die Hälfte der im Landkreis lebenden Menschen über 65 Jahre alt sein werden (damit wären es mehr als doppelt so viele wie heute) mit der Zukunft. Erschwerend kommt hinzu, dass die Geburtenrate im Landkreis Ebersberg gleichzeitig sinken wird.

In der Großgemeinde Vaterstetten hat sich nicht nur die »Zukunftswerkstatt« in den vergangenen Jahren damit beschäftigt. Zum Thema ­altersgerechtes Wohnen spricht der Arbeitskreis in seinem Schlussbericht von einer »aufgrund der demographischen Entwicklung unbedingt erforderlichen Maßnahme« aus.

Im Februar vergangenen Jahres beantragten die Grünen im Gemeinderat eine Anhörung zu den Möglichkeiten der Realisierung sozialen Wohnungsbaus. Da die Kommune selbst derzeit nicht in der Lage ist aus eigenen Mitteln neue Bauten zu errichten und diese zu günstigen Mieten anzubieten, schlugen die Grünen Kooperationen mit gemeinnützigen oder auch nicht-gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaften vor, sowie die Initiierung und Unterstützung neuer Formen des Wohnens im Alter durch die Gemeinde. Unter dem Stichwort »Senioren-Hausgemeinschaft« seien auf diese Art schon andernorts gute Erfahrungen gemacht worden.

Bedarf ist da

Als Ergebnis dieser mittlerweile stattgefundenen Anhörung zeichnet sich ab, dass Vaterstetten sowohl Bedarf als auch Potential für genossenschaftlichen Wohnungsbau hat.

Für den Landkreis Ebersberg gibt es bereits eine Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft, die GWGE. Sie sorgt im Auftrag des Landkreises und seiner Gemeinden für die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums durch den Bau und die Verwaltung von öffentlich geförderten Wohnungen, also »Sozialwohnungen«. In den vergangenen 60 Jahren wurden in 13 Gemeinden des Landkreises mehr als 550 Wohnungen gebaut. Die Mieten liegen spürbar unter denen am freien Mietmarkt; trotzdem sind die Wohnungen zeitgerecht ausgestattet. Die Belegung erfolgt in Abstimmung mit dem Landratsamt Ebersberg und den jeweiligen Gemeinden, in denen sich die Wohnungen befinden.

Auf der Übersichtskarte der Verwaltungseinheiten der GWGE finden sich im Gemeindegebiet Vaterstetten zwei Wohnanlagen: eine in Weißenfeld und eine in Baldham.

Da auch die GWGE in absehbarer Zeit keine Mittel zur Erstellung von Sozialwohnungen in Vaterstetten bereitstellen kann, haben jüngst die Grünen gemeinsam mit der CSU einen Antrag im Gemeinderat eingebracht, um nach Lösungen zu suchen. Monika Föller als Planungspolitische Sprecherin der CSU-Fraktion und Robert Winkler, Fraktionssprecher Bü̈ndnis 90/Die Grü̈nen schlugen in einem gemeinsamen Papier vor zu ermitteln, in welchem Umfang Bedarf fü̈r ein Wohnprojekt 50plus in der Gemeinde besteht. Eine entsprechende Informationsveranstaltung soll nach ihren Planungen die Bevölkerung dafür sensibilisieren. Wird sich daraufhin herausstellen, dass in der Gemeinde eine entsprechende Initiative interessierter Bü̈rger zustande kommt, soll nach Ansicht der beiden Fraktionen im Gemeinderat besprochen werden, an welcher Stelle und zu welchen Bedingungen vergü̈nstigtes Wohnbauland zur Ver­fü̈gung gestellt werden kann.

In wieweit dann Wohnungsgenossenschaften beauftragt oder betreute Wohngemeinschaften errichtet werden können entscheidet die Nachfrage. Die existierenden, relativ kleinen Wohnungsgenossenschaften sind jedoch derzeit aufgrund von Wünschen anderer Landkreisgemeinden so stark ausgelastet wie nie, und können daher über Jahre hinaus kein neues Projekt in Angriff nehmen. Die Gemeinde Vaterstetten ist seit kurzem Mitglied der Gemeinnützigen Ebersberger Wohnungsgenossenschaft und finanziert sie sowieso schon seit Jahrzehnten über die Kreisumlage mit. Daher ist es naheliegend hier zeitnah Gespräche zu führen, um nicht noch weiter in der Warteschlange nach hinten zu rutschen. In diesem Fall wü̈rde der Gemeinde sogar ein Mitspracherecht bei der Belegung der Wohnungen eingeräumt werden.

Eine weitere Alternative wäre für Vaterstetten, selbst eine Wohnungsgenossenschaft zu gründen. Der Gesetzgeber hat Gründung und Betrieb einer Genossenschaft in den letzten Jahren sehr erleichtert. So kann es sich schon für einzelne Wohnbauprojekte lohnen, eine Genossenschaft zu gründen. Die Gründung einer Vaterstettener Wohnungsgenossenschaft könnte nach Ansicht von Experten auch interessant sein für die Übernahme der derzeit im gemeindlichen Eigentum stehenden Sozialwohnungen, die einen wachsenden Stau an unerledigtem Bauunterhalt vor sich her schieben. Einig ist man sich im Gemeinderat quer durch alle Fraktionen, dass aus den bekannten demographischen Gründen heraus im wohnungspolitischen Bereich in den nächsten Jahren viel zu tun ist. Wer seit Jahren mit der Gemeinde verbunden ist, sollte auch im Alter die Möglichkeit haben ein geeignetes Wohnangebot zu finden. Seniorengerechtes, selbstbestimmtes Wohnen für jeden Geldbeutel ist die Devise.

Robert Winkler jedenfalls verfolgt die Sache weiter: »Solche Dinge sind nicht Sache des Rathauses. Wir wollen vom Gemeinderat aus nur ein Podium dazu bieten, die Initiative muss aber aus der Bürgerschaft kommen. Ich möchte mich jetzt um professionelle Hilfe von außen kümmern, die solche Projekte begleitet.«

Ederer

Artikel vom 29.09.2010
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