Harlachings heimliches Wahrzeichen wird renoviert

Harlaching · Verstecktes Kleinod

Der stellvertretende Pfarrgemeinderatsvorsitzende Stefan Reich, mit Frau Anja Reich und Jule vor dem St. Anna-Kircherl, das renoviert wird. 	Foto: mst

Der stellvertretende Pfarrgemeinderatsvorsitzende Stefan Reich, mit Frau Anja Reich und Jule vor dem St. Anna-Kircherl, das renoviert wird. Foto: mst

Harlaching · Es ist das heimliche Wahrzeichen des Stadtviertels: Wie es versteckt hinter hohen Bäumen mit seinen roten Ziegeldächern und dem ockergelben Anstrich 30 Meter über dem Tierpark am Harlachinger Berg thront, hat das »St. Anna-Kircherl«, wie das Gotteshaus im Volksmund genannt wird, die Herzen der Menschen seit Jahrhunderten verzaubert.

Derzeit sind die Pforten des Rokoko-Juwels dem Betenden allerdings verschlossen: Seit 2009 wird die St.-Anna-Kirche umfassend renoviert. In alter Schönheit und neuem Glanz wird sie voraussichtlich 2011 nach Fertigstellung des dritten Bauabschnitts erstrahlen. Seit 2009 läuft eine Generalsanierung, die in drei Bauabschnitten verwirklicht wird.

Die Neugestaltung der Fassade ist mittlerweile abgeschlossen, derzeit erfolgt die Renovierung des Kircheninneren. Viele helfende Hände haben unermüdlich mitgewirkt, um das Harlachinger Schmuckstück auf neue Beine zu stellen – und nicht zuletzt die Herkules-Aufgabe, die Rest-Finanzierung des rund 1,4 Millionen teuren Projekts zu stemmen. Bislang sind an Spendengeldern 210.000 Euro zustande gekommen, »wir brauchen noch etwa 150.000 Euro«, wie der Pfarrer der Pfarrverbands »Heilige Familie – Maria Immaculata«, Pater Joseph Pandiappallil, informiert.

Den Löwenanteil schultert das Erzbischöfliche Ordinariat München-Freising. Um möglichst viele Spenden aufzutreiben hat der Pfarrverband bereits viele Veranstaltungen wie beispielsweise Konzerte organisiert. Einige tausende Euro waren beispielsweise auf einem Flohmarkt zustande gekommen, der 2009 im Gemeindesaal der Pfarrei »Heilige Familie« stattfand. Auch diesen Oktober sollen die Harlachinger wieder die Möglichkeit haben, auf einem Trödelmarkt nicht mehr benötigte Sachen zu verkaufen. »Für einen guten Zweck«, wie der Organisator und stellvertretende Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, Stefan Reich, hervorhebt. »Die St-Anna-Kirche liegt uns allen am Herzen. Es wäre wunderbar, wenn wir den fehlenden Betrag bald zusammenbekämen«, erklärt Reich.

Nötig wurde die Renovierung, da sich unaufhaltsam Feuchtigkeit in das Mauerwerk gefressen hatte, die die Bausubstanz aber auch die Kunstschätze in der Kirche bedrohte. Anhänger hat das Anna-Kirchlein viele, darunter auch der ehemalige Pfarrer Thomas Zehetmaier, der die Geschicke der Pfarrei »Heilige Familie« 36 Jahre lang geleitet hat und 2009 in den Ruhestand ging. Er pries die Wallfahrtskirche als ein »Gotteshaus zum stillen Verweilen im Gebet«. In dieser Kirche erlebe der Gläubige wie in kaum einer anderer in der näheren Umgebung das, »was der Psalmist in seiner Freude am Heiligtum besingt: Wie liebenswert sind Deine Wohnungen, Herr der Heerscharen.«

Die Wallfahrtskirche und der Ort, auf dem sie errichtet ist, haben eine bewegte Geschichte hinter sich: Wie Einzel- und Grabfunde beweisen, ist das Gebiet des heutigen Harlaching seit der frühen Bronzezeit (um 1800 vor Christus) kontinuierlich besiedelt. »So entdeckte man 1911 in unmittelbarer Nähe der Annakirche vier bajuwarische Reihengräber«, informiert der Kirchen-Experte Lothar Altmann. Die erste urkundliche Nennung datiert aus dem Jahr 1149: In einem Steuerverzeichnis des Klosters Tegernsee wurde die Gegend am Isarlauf im Süden Münchens als »Hadaleichingen« bezeichnet. Erstmals schriftlich verbürgt ist der Bau der Kirche 1186. Rund 130 Jahre später weist das Bistum Freising die damals schon von einem Friedhof umgebene Harlachinger Kirche als einzige Filiale der Pfarrkirche St. Georg in Unterbiberg (Landkreis München) aus.

Das St.-Anna-Kircherl, wie es heute zu sehen ist, stammt aus der Zeit des Rokoko. Nachdem es während des Dreißigjährigen Kriegs von schwedischen Truppen geplündert und schwer beschädigt worden war, erhielt das Bauwerk 1653 ein neues Gesicht. 1678 kamen zwei neue Glocken aus der Werkstatt von Johann Kippo hinzu – derselbe, der bereits die »Elferin« für den »Alten Peter« in München gegossen hatte. 1751 wurde der Neubau der Annakirche unter Beibehaltung von Teilen der mittelalterlichen Choranlage geplant, zwei Jahre später erfolgte die Genehmigung durch den Geistlichen Rat. Am 17. September 1763 war es dann so weit: Die »neue« Annakirche wurde geweiht.

Bereits damals krönte das Fresko »Mariä Geburt« des Rokoko-Meisters Franz Michael Zimmermann das Langhaus-Gewölbe, weitere Schmuckstücke der Kirche sind der rechte Seitenaltar, der Anna und Maria beim Lesen der Bibel zeigt, ein prächtiger Rokokorahmen mit herrschaftlichen Attributen, sowie ein weiteres Altarbild, das eine ausdruck­starke Barockpietà zeigt. 1913 fanden in der Kirche sonn- und feiertags wieder regelmäßig Gottesdienste statt. 1925 wurde das Gotteshaus dann Kuratie-Kirche von Neu-Harlaching. Mit Gründung der Pfarrei »Heilige Familie« wurde das Annakircherl dann dieser zugeordnet.

1972 und 1973 erfolgte eine Erneuerung des Dachstuhls, der anschließend mit »Kirchenbibern« eingedeckt wurde, und die Kirche erhielt ihren heutigen Anstrich in Ocker und Weiß. 1982 brannte sie aus, eine komplette Innenrenovierung war erforderlich. 1989 wurde die westliche Friedhofsmauer erneuert und mit Stahlnägeln in der Nagelfluhplatte verankert. In den 90er Jahren wurde das Grundstück östlich des Friedhofs bebaut, wodurch die freie Ansicht auf das Kircherl von der Lindenstraße aus nicht mehr möglich ist, daher ist es heute auch das heimliche Wahrzeichen Harlachings, das die echten Harlachinger kennen. mst

Artikel vom 21.09.2010
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