Franz Beckenbauer zum 65. Geburtstag

München · Made in Giesing

München · Franz Beckenbauer feiert am 11. September seinen 65. Geburtstag. Unser Kolumnist gratuliert mit einem Brief:

Lieber Kaiser,

Du – ich darf Dich doch sicher duzen – bist mir unheimlich! Du bist der einzige Mensch, dem ich die Kaiserwürde zugestehe. Und das schreibt Dir ein Löwe! Wie hast Du das nur geschafft?

Klar: Es ist bekannt, dass du der Legende nach 1968 in Wien neben einer Büste von Kaiser Franz I. standest, und einer ein Foto machte, woraufhin Dich ein Journalist mit dem Kaiser verwechselte. Es ist auch bekannt, dass diese Geschichte angeblich nicht stimmt, weil Dein Kaiser-Titel erst 1969 auf Schalke entstand, als Du den Reinhard „König von Westfalen“ Libuda umgewuchtet hast, rüber in die Kurve zu den Königsblauen bist, und jene zur Weißglut getrieben hast dank einer lustigen Vorführung mit Deinem Freund, dem Fußball. Fortan schrieb die Presse vom „Kaiser“.

Beide Geschichten mögen stimmen, ein jeder darf sich selbst seine Lieblingsversion heraussuchen, das erlaubst Du sicherlich. Ich bevorzuge die Schalke-Legende, weil sie so sehr nach Heldensage klingt – der Kaiser triumphiert über den König, und ich finde sie auch unterhaltsam, weil Fouls dem Fußball schon immer seine Würze gegeben haben, und Spielen manchmal einen neuen Schwung geben. Spiele mit vier roten Karten können auch schöne Spiele sein, auch wenn Du mir da jetzt widersprechen wirst.

Deine Beziehung zu Fouls ist ohnehin eine besondere, Fouls können nicht nur Spiele verändern, sondern ganze Karrieren und damit womöglich auch das Schicksal eines ganzen Vereins: Als 13-Jähriger wolltest Du gerne zu den Löwen, der FC Bayern war damals noch eine mickrige Vorstadtmannschaft und die Löwen waren noch echte Löwen – und Münchens bedeutender Verein. Du hättest es sicher zu ihnen geschafft. Aber nachdem Dich ein junger Sechzger-Spieler auf dem Feld umgeholzt hast, da war es für Dich vorbei mit dem Ziel. Die Löwen sind zwar acht Jahre später auch ohne Dich Meister geworden, aber das war's dann auch. Ich bin ein Löwe im Herzen, aber das hören meine Mit-Fans sicher nicht gerne: Du hättest uns sehr gut getan. Und auf den Bayern-Autonummernschildern würde heute vielleicht nicht „RM“ für „Rekordmeister“ stehen, sondern allerhöchstens für „Regionalligamannschaft“.

Du gingst also zu den Bayern, und Deine große Show begann: Vier Mal Deutscher Meister, vier Mal Pokalsieger, vier Mal Europapokal – allein mit den Bayern. Weltmeister 1974. Weltmeisterteamchef 1990. Und noch gefühlte 65.000 andere Erfolge. Andere mögen Ähnliches erreicht haben, aber es muss ja einen Grund haben, warum Günther Netzer Günther Netzer blieb, und Franz Beckenbauer zum Kaiser wurde.

Du hast es geschafft, diesen Spitznamen so in Dich aufzusaugen, dass er Dir eine Ausstrahlung gab, die noch dutzende Jahre anhalten möge. Deine Aura-Mischung aus Giesinger Schlawiner, kühler Geschäftemacher, Charmeur, Chef & Herzensbrecher macht Dich einzigartig. Und auch vorbildhaft: Du hast gezeigt, dass mit purem Willen alles möglich ist, und sei es, bei einer Weihnachtsfeier im reifen Alter noch ein Kind zu zeugen.

Damit ist die Eingangsfrage beantwortet. Du hast es Dir verdient. Ich wünsche Dir alles Gute. Aber dass Du damals nicht zu den Löwen bist, das verzeih ich Dir nie.

Viele Grüße aus Giesing,

Albrecht Ackerland

Artikel vom 09.09.2010
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