Schauspieler verfolgen den »Weg des Geldes« in Giesing

Giesing · Wo ist unser Geld?

Die beiden Schauspieler Susanne Schroeder und Mirco Monshausen begeben sich mit einem 10-Euro-Schein auf eine abenteuerliche Reise.	Foto: mst

Die beiden Schauspieler Susanne Schroeder und Mirco Monshausen begeben sich mit einem 10-Euro-Schein auf eine abenteuerliche Reise. Foto: mst

Giesing · Auf eine ungewöhnliche Reise können sich die Giesinger am kommenden Samstag, 11. September, begeben: Im Rahmen des theatralen Live-Spaziergangs »Der Weg des Geldes« verfolgt ein Team aus Schauspielern den Weg eines 10-Euro-Geldscheins quer durch die Innenstadt. Beginn ist um 17 Uhr am »Schnäppchen-Markt« an der Tegernseer Landstraße 40.

Von dort geht es los: Ob Kaufhaus, Bäckerei, Metzgerei, Bank, Drogerie oder anderswo – überall, wo der mit einem blauen Stempel markierte Schein den Besitzer wechselt, sind die Akteure mit dabei. Im Idealfall geht die Reise sogar bis in die eigenen vier Wände der neuen Geldschein-Inhaber. »Der Stadtteil im Süden Münchens wird zum zentralen Austragungsort eines neuen Theaterprojekts«, erläutert die Geisteswissenschaftlerin Philine Velhagen, die das Projekt zusammen mit Barbara te Kock leitet. Mit von der Partie sind die beiden frei schaffenden Schauspieler und »Performer« Mirco Monshausen und Susanne Schroeder, die bereits viel Erfahrung in dieser speziellen Form des »Theatermachens« gesammelt haben. Das Ziel der Aktion hört sich ebenso ehrgeizig wie spannend an: Es geht um nicht mehr und nicht weniger als darum, persönliche Kontakte inmitten einer Welt anonymisierter Beziehungen herzustellen. Eintrittspforte ist das Medium, das den schnellst möglichen Austausch von Informationen ermöglicht: Das Geld.

»Ich weiß, dass das reichlich seltsam und unpersönlich anmutet«, räumt Velhagen ein. »Aber um das Geld dreht sich nun einmal das meiste in unserer Welt. Dadurch lassen sich Kontakte mit fremden Personen am besten knüpfen.« Bei einer Art »Generalprobe« entlang der Tegernseer Landstraße zwischen der Tela-Post, der St.-Martin-Straße und dem Wettersteinplatz erlebte das Team bereits, wie so ein »Weg des Geldes« aussehen könnte. Eine halbe Stunde ist für den Gang anberaumt. Erste Station ist der dm-Markt bei der Stadtbibliothek. Die Verkäuferin an der Kasse schaut reichlich verdutzt, als Schroeder etwas kauft, ihr den 10-Euro-Schein in die Hand drückt und sie bittet, ihr Bescheid zu geben, wenn sie das Geld beim Wechseln wieder herausgibt. Nach nicht einmal zwei Minuten nimmt ein Herr in blauem Anzug den Schein in Empfang. Auch er ist anfangs reichlich verwundert, lässt sich aber schnell auf das Spiel ein. »Wenn’s sein muss«, erklärt er amüsiert. »Was haben Sie mit dem Geldschein vor?«, fragt Schroeder. Nichts Bestimmtes, antwortet der Mann. Vielleicht eine Zeitschrift kaufen oder ein paar Besorgungen im Supermarkt erledigen. Schließlich läuft es auf einen Kebap-Imbiss an der Tegernseer Landstraße hinaus, wo er eine Kleinigkeit verzehrt. Vielleicht auch eine Verlegenheitslösung, um Schroeder schnellst möglich wieder loszuwerden. Auf dem Weg dorthin erfährt die Schauspielerin allerdings bereits eine ganze Menge, der Mann hat sichtlich Spaß am Erzählen. 1.300 Euro bezahle er für seine Vier-Zimmer-Wohnung in einem Wohnblock, viel zu viel, wie er ausführt. »Giesing wird immer teurer. Die Zeiten, wo man dort noch recht günstig wohnen konnte, sind definitiv vorbei«, klagt er. Nach dem Essen wünscht er Schroeder noch viel Glück und verschwindet lächelnd. Das jedoch stellt sich in der vorgegebenen Zeitspanne nicht ein, und so ist bereits nach der zweiten Station Schluss.

Eine solche »Reise« kann sich jedoch auch viel länger hinziehen, mitunter sogar einen ganzen Tag dauern. Wie bei Monshausen, der einmal eine alte Dame begleitete, die den 10-Euro-Schein in einer Bäckerei ausgehändigt bekam. Offensichtlich war ihr der fremde »Begleiter« bald lästig, wie der Schauspieler aus Köln schildert: »Sie gab den Schein einem Obdachlosen, der am Straßenrand saß – ich glaube, sie tat es nur deswegen, um mich loszuwerden.« Also setzte er sich neben den Mann, im Laufe des Vormittages entspann sich ein mehrstündiges Gespräch, in dem Monshausen Bewegendes erfuhr. Zum Beispiel, dass der Mann erst vor einigen Wochen nach München gekommen sei, einen Hund habe, aber keine Leute kenne. »Er hat in der Slowakei gelebt, keine Arbeit gehabt und auch dort schon von Sozialhilfe gelebt«, schildert Monshausen. »Das Geld habe aber nicht ausgereicht, weswegen er sich entschlossen habe, nach Deutschland zu gehen.« Monshausen fragt ihn, wie lange er schon an dieser Stelle sitzen würde. »Jeden Tag sechs bis sieben Stunden«, habe er geantwortet. Und: Er müsse betteln gehen, weil er hier keine Sozialleistungen beziehen könne.

Zahlreiche solcher und anderer Geschichten haben Monshausen und Schroe­der auf Lager, insgesamt hätten sie weitgehend positive Erfahrungen gemacht, beteuern sie. Velhagen erhofft sich von ihrem Experiment viele aufschlussreiche Momente: »Die Zuschauer gehen mit auf den Weg des Geldes. Zu welchen Orten und Unorten führt uns der Geldschein, den wir nicht mehr aus den Augen lassen werden? Zu welchen tief- und unsinnigen Gesprächen lässt er uns verleiten?« Wer bei dieser »Reise« dabei sein will, wird gebeten, sich unter Tel. 01 70 / 7 05 65 31 anzumelden. Weitere Termine sind am 13., 14., 15. und 16. September, jeweils um 19 Uhr am Schnäppchen-Markt. Am 11. September beginnt der »Weg des Geldes« dort bereits um 17 Uhr.

mst

Artikel vom 07.09.2010
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