Veröffentlicht am 18.05.2009 11:11

„Das Schulhaus macht krank”

Areti Zioga und Dionisia Sirmi (v.l.) meinen, es werde mit der Gesundheit ihrer Kinder gespielt. Sie wollen ihre Töchter deshalb nicht mehr in die private griechische „Volksschule” schicken. (Foto: tg)
Areti Zioga und Dionisia Sirmi (v.l.) meinen, es werde mit der Gesundheit ihrer Kinder gespielt. Sie wollen ihre Töchter deshalb nicht mehr in die private griechische „Volksschule” schicken. (Foto: tg)
Areti Zioga und Dionisia Sirmi (v.l.) meinen, es werde mit der Gesundheit ihrer Kinder gespielt. Sie wollen ihre Töchter deshalb nicht mehr in die private griechische „Volksschule” schicken. (Foto: tg)
Areti Zioga und Dionisia Sirmi (v.l.) meinen, es werde mit der Gesundheit ihrer Kinder gespielt. Sie wollen ihre Töchter deshalb nicht mehr in die private griechische „Volksschule” schicken. (Foto: tg)
Areti Zioga und Dionisia Sirmi (v.l.) meinen, es werde mit der Gesundheit ihrer Kinder gespielt. Sie wollen ihre Töchter deshalb nicht mehr in die private griechische „Volksschule” schicken. (Foto: tg)

„Irgendetwas stimmt nicht an der Schule. Es liegt was in der Luft, das unsere Kinder krank macht.“ In der privaten griechischen „Volksschule” in der Hinterbärenbadstraße 71 machten Eltern am Donnerstagmorgen, kurz vor Schulbeginn, ihrer Sorge um die Gesundheit ihrer Kinder Luft. Gut ein Dutzend Eltern streikte. Die Mütter und Väter weigerten sich, ihren Nachwuchs in die Schule zu schicken. Die war allerdings erst am vergangenen Montag von Ilias Kotsis, dem Erziehungsattaché des griechischen Generalkonsulats, wieder für den Unterricht frei gegeben worden. Am 3. Februar war in einer Tiefgarage, die zum Teil unter dem Schulgebäude liegt, ein mit Tabakwaren beladener Lieferwagen vollständig ausgebrannt. Über die Lüftung gelangten dabei freigesetzte Dämpfe und umherwirbelnde Rußpartikel in die Schule. Die wurde daraufhin geschlossen. Mehrmals war die Raumluft danach auf erhöhte Belastungen mit Gefahrenstoffen untersucht worden. Jedes Mal fanden die Gutachter, dass nichts zu beanstanden sei. Sie gaben das Gebäude für den Schulbesuch der Kinder wiederholt frei.

Am 30. März mussten jedoch 23 Kinder mit Blaulicht ins Schwabinger Krankenhaus gebracht werden, weil sie alle Symptome einer Vergiftung zeigten. Manche seien sogar ohnmächtig geworden, berichten die Eltern. Als nach einer erneuten Öffnung am Montag – mittlerweile war die Schule saniert worden – mehrere Kinder erneut über Schwindel, Kopfschmerzen und „einen Kloß im Hals“ klagten, war für einige Eltern das Maß voll. Es sollte dem Nachwuchs nicht mehr zugemutet werden, in Klassenzimmern zu lernen, in denen sie „sonderbare Gerüche und Dämpfe“ krank machten. Sie riefen zum Streik auf.

„Die Gesundheit unserer Kinder ist nicht mehr geschützt”

„Das ist unverantwortlich. Man spielt mit der Gesundheit der Kinder“ empört sich Dionisia Sirmi, eine Mutter. Ihre Tochter Nicolau besucht die sechste Klasse der „Volksschule”. Die Frau, die selbst Erzieherin ist, beklagt überdies, es finde seit zwei, drei Monaten kein regulärer Unterricht mehr statt. Und – bis zur Wiedereröffnung am Montag seien die Kinder mit dem Bus in eine Schule in Freimann gebracht worden. Auch die griechische Kirche in Schwabing habe als Notbehelf herhalten müssen. Wie Dionisia Sirmi hält Areti Zioga; Mutter der elfjährigen Panagiota, jeweils eine Stunde Hin- und Rückfahrt für unverhältnismäßig, weil dem nur drei Unterrichtsstunden gegenüberstünden. Dionisia Sirmi: „Das ist für die Kinder eine Strapaze, für uns aber ebenso.“ Berufstätige Eltern hätten sich deswegen mehrmals frei nehmen müssen.

Athanassios Charamis, Vater des zwölfjährigen Evangelos, Mitglied im Elternbeirat, sagt: „Die Gesundheit unserer Kinder an dieser Schule ist nicht mehr geschützt.“ Die Eltern seien verzweifelt. In einer Umfrage unter den 215 Eltern, die ihre Kinder bisher in diese Lehranstalt schicken, wollen Charamis zufolge rund 160 ihre Kinder unter Umständen von der Schule nehmen. Weshalb sich nur zwölf oder dreizehn von ihnen am Streik beteiligten, erklärt Charmis so: „Sie müssen arbeiten und wissen nicht wohin mit den Kindern.“ Weil bereits seit drei Monaten kein geordneter Unterricht mehr stattfinde und keine Ruhe im Schulbetrieb einkehre, seien die Eltern müde.

„Kein Hinderungsgrund für Öffnung der Schule”

Nach dem Streik besuchten 23 Eltern Ilias Kotsis im griechischen Generalkonsulat in der Brienner Straße und erklärten ihm, ihre Kinder wollten nicht mehr in die Schule gehen. Kotsis: „Wir haben über alles gesprochen. Die Eltern haben die Dokumente in der Hand.” Sämtliche Gutachten hätten ergeben: „Die Schule ist frei für die Kinder.“ Der Aufenthalt in den Räumen sei unbedenklich, es bestehe keine Gefahr. In einem Gutachten des „Büros für Umweltschutz“ heißt es: „Nikotin konnte im Rahmen dieser Untersuchungen in keiner Probe nachgewiesen werden.“ Im Bericht des TÜV-Süd steht: „Die ermittelten Benzolkonzentrationen dürften der Außenluft entsprechen.“ Benzol ist eine Substanz, die Krebs erregen kann.

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat ebenfalls keine Bedenken, die Räume wieder von Kindern nutzen zu lassen. Es sei davon auszugehen, dass sie, nachdem sie saniert worden seien, nur noch ein „äußerst geringes Zusatzrisiko” bergen. Das liege „sicherlich weit unter ähnlichen Alltagsrisiken, wie etwa dem Passivrauchen von Kindern”. Auch die Kriminalpolizei ermittelte und stellte dabei fest, es bestehe „weder aus Gründen der Strafverfolgung noch aus Gründen der Gefahrenabwehr ein Hinderungsgrund, für die Öffnung der Schule“. Kotsis erklärt, er bedaure, den Eltern keine andere Lösung anbieten zu können. Das Konsulat sei durch den Mietvertrag auf Jahre gebunden. Bei der Suche nach Ausweichmöglichkeiten habe er sogar den Oberbürgermeister um Hilfe gebeten. „Leider ohne Erfolg.” Ilias Kotsis hat den Eltern versprochen: „Die Schule in der Hinterbärenbadstraße wird die erste sein, die aufgelöst wird, wenn die neue griechische Schule in Berg am Laim fertig sein wird.“ Die Ausschreibung laufe. Für die Zwischenzeit rät er den Eltern: „Die Kinder brauchen Ihre psychische Unterstützung, damit sie sich in der Schule wohl fühlen.“ Er würde sein Kind ohne Bedenken dorthin schicken.

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