Am 23. April 1980 wurde im Arabellapark der Grundstein gelegt

Bogenhausen · »Die Schöne« wird 30

Blick aus dem 22. Stock des Arabella-Hochhauses: Auf dem Rosenkavalierplatz erkennt man die Stände des Wochenmarktes.	Foto: ikb

Blick aus dem 22. Stock des Arabella-Hochhauses: Auf dem Rosenkavalierplatz erkennt man die Stände des Wochenmarktes. Foto: ikb

Bogenhausen · Visionen, Träume, Ideen, Konzepte, Umgestaltungen und endlich ein realisierbarer Plan: Am 23. April 1980 war es dann soweit – der Grundstein für den Wohn- und Bürokomplex Arabellapark wurde gelegt, die Stadt in der Stadt entstand. 30 Jahre Arabellapark – Anlass für eine Revue der Erfolgsstory mit Hindernissen fast von anno dazumal bis ins 21. Jahrhundert. Das Areal war einst eine Grundlage für den Bauboom in München bis zum Ersten Weltkrieg – Ziegeleien machten sich breit, lieferten die Steine für den Aufbau der heutigen Millionenmetropole.

Später gab’s dann Kiesgruben und Quetschwerke, Acker- und Weideland. In den Zwanziger Jahren wurde im Denninger Anger an einer Kiesgrube eine Skisprungschanze erstellt. Später wollte Adolf Hitler hier einen seiner Altersruhesitze mit Park samt See bauen. In der Nachbarschaft wurde in den Fünfziger Jahren die erste Großsiedlung Münchens hochgezogen, die Parkstadt Bogenhausen. Die Stadt wollte zu dieser Zeit auf dem heutigen Arabellapark-Areal einen großen Friedhof anlegen, der Plan wurde verworfen, die letzten Ruhestätten kamen auf ein Gelände in Perlach.

Josef Schörghuber war es schließlich, der zwischen 1958 und 1965 nach und nach Grundstücke für 17,50 Mark pro Quadratmeter erwarb oder gegen andere Flächen tauschte, bis er knapp 40 Hektar für sein späteres Lebenswerk zusammen hatte. Der Bau-Tycoon überbot damals die Neue Heimat, die die Parkstadt II errichten wollte. Der 23-stöckige Arabella-Wolkenkratzer wurde 1969 eingeweiht. Der Schatten einer bundesweit einmaligen Skyline zeichnete sich ab. 153 Meter lang, 75 Meter hoch, 20 Meter breit – das »Boardinghouse« mit Swimmingpool über den Dächern Münchens und seinerzeit mit einem Hubschrauberlandeplatz, gilt ob der Mischung aus Wohnen und Service als Schlaraffenland. Die Fassade, ein Gitterwabenelement, nennt ein Bewohner spöttisch und zugleich bezeichnend »Haremsgitter« – bezeichnend, weil einst Damen des leichten Gewerbes in der Anonymität des Kastens ihre Dienste anboten, zum anderen weil viele arabische Touristen in der Sommermonaten einfallen.

Die Richard-Strauss-Straße gab es schon seit 1964. Es war dann fast logisch für die Kommunalvertreter, sich bei den Namensgebungen an dem 1864 in München geborenen Komponisten zu orientieren. Die Heldin der Oper »Arabella« war Patin für die Stadtviertelbezeichnung – der Name bedeutet »kleine Araberin« oder, wie viele Bewohner fast stur erklären, »Schöne Tochter« – , dazu kamen Rosenkavalierplatz, Elektra- und Daphnestraße sowie Ariadne- und Salomeweg. Im Februar 1965 wurde vom Stadtrat der Bebauungsplan für den Arabellapark und 1976 für die Wohnsiedlung beschlossen. Dabei wurden diverse Ideen verworfen. So sollte an Stelle des heutigen kleinen Kongresszentrums eine Konzerthalle mit Platz für bis zu 2.800 Besucher entstehen – die Realisierung scheiterte am Einspruch der Münchner Philharmoniker; später wurde die Idee am Gasteig umgesetzt. Ein Verein, bekanntestes Mitglied war der Industrielle und Playboy Gunther Sachs, plante ein »Modern Art Museum«. Weiter war ein Kaufhaus vorgesehen, und zwar auf dem Grundstück des heutigen Rewe-Markts. Auch diese beiden Vorhaben wanderten ins Archiv.

Realisiert wurde rechtzeitig zum Beginn der Olympischen Sommerspiele 1972 das Sheraton-Hotel, heute »The Westin Grand München«, Kategorie fünf Sterne, mit mehr als 600 Zimmern und 28 Suiten. Wie an der Schnur aufgezogen reihten sich ringsum Gebäude um Gebäude an – unter anderen das Bayerische Ministerium für Umweltfragen und Landesentwicklung, das Sternhaus BayWoBau, der knapp 500 Millionen Mark teure HypoVereinsbank-Tower, das Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium und ein paar hundert Meter weiter das Krankenhaus Bogenhausen. Lediglich das jetzige Wohnviertel war quasi weiter Schafswiese.

Schaut man sich heute ein Modellfoto des Arabellaparks aus den 60er-Jahren an, traut man kaum seinen Augen: Was vor Jahresfrist Fakt wurde, das 360-Millionen-Euro-Projekt Richard-Strauss-Tunnel, hatten Schörghuber und seine Ingenieure damals schon mit einer Unterführung des Effnerplatzes geplant. Mit der Einweihung der U4, Endstation Arabellapark, im Oktober 1988, fast gleichzeitig mit der Fertigstellung des Viertels, kam richtig Bewegung in das Zentrum, in dem mehr als 10.000 Menschen arbeiten und mehrere Tausend wohnen. Eine Infrastruktur, die ihresgleichen in München sucht, macht das Leben lebenswert. Menschen aller Nationalitäten schätzen dies. Die seinerzeitigen Neubaupreise von 5.000 bis 6.000 Mark pro Quadratmeter haben sich bis dato mindestens gehalten.

Ob Bank, Bäckerei oder Bücherei, Bistro, Bar oder Buchhandlung, Blumengeschäft, Brillenladen oder Boutiquen, ob Klinik, Kino oder Kiosk, Kirche oder Café, Friseur, Fotoladen oder Fitness-Center, ob Parfümerie oder Post, Optiker oder Orthopädiezentrum, Verlag oder Feinkost – es gibt fast nichts, das man missen muss. Oder doch: Vielleicht den umgelegten Maibaum auf dem Rosenkavalierplatz, der Moderne und Tradition so wunderbar verbunden hat, wohl der einzige in Bayern, der als Zunftzeichen einen Mann an einem Computerbildschirm zeigte. ikb

Artikel vom 20.04.2010
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