Weihnachtsbräuche aus zwei Kulturen: ein Gespräch mit Mariam Vasconez

Bogenhausen · Bayerisch-Ecuadorianisch

Bei Familie Listl-Vasconez herrscht Weihnachten bayerisch-ecuadorianischer Stilmix. Der kleine Maximilian und Lukas freuen sich schon darauf.	 Foto: Privat, ks

Bei Familie Listl-Vasconez herrscht Weihnachten bayerisch-ecuadorianischer Stilmix. Der kleine Maximilian und Lukas freuen sich schon darauf. Foto: Privat, ks

Bogenhausen · In der Nazarethkirche, Hörselbergstraße 1, geht es jeden Freitag rund. Dann nämlich trainiert in den Räumen der Gemeinde die Tanzgruppe Ecuador. Am Samstag, 9. Dezember, fand ihre große Abschlussfeier mit jeder Menge Tanz und Gesang statt. Doch wie feiert man eigentlich im Andenstaat Weihnachten?

Für die Leiterin der Gruppe, Marian Vasconez, ist der Konsumterror zu Weihnachten hierzulande etwas befremdlich, denn in ihrer Heimat hat das Fest einen anderen Stellenwert: »Bei uns geht es noch mehr um die Religion und nicht darum, möglichst viel zu verschenken«, erklärt sie, die wie die meisten Ecuadorianer katholisch ist, aber mit ihrer Truppe seit ein paar Jahren das Gemeindeleben der evangelischen Nazarethgemeinde belebt.

Die »heiße« Phase der Vorweihnachtszeit beginnt für die Ecuadorianer schon am 15. Dezember mit dem Fest der Novena. Dabei trifft sich die gesamte Nachbarschaft an neun aufeinanderfolgenden Tagen, immer in einem anderen Haus, um gemeinsam zu beten. Ganz anders als in München gibt es an Heiligabend in Ecuador erst um Mitternacht etwas zu essen. Und auch die Bescherung findet erst statt, nachdem kräftig Weihnachtslieder gesungen wurden.

Doch nur die Großeltern und die Kinder bekommen etwas geschenkt, und selbst das ist für viele kaum zu bewältigen. Denn seit der Einführung des Dollars leben viele Ecuadorianer in Armut: »Meine Schwester beispielsweise hasst Weihnachten, weil sie sich immer überlegen muss wie sie das Geld zusammenbekommt, und sie will ja auch die Kinder nicht enttäuschen«, schildert Vasconez, und würde das Geld, das in unnütze Geschenke investiert wird, am liebsten den Kindern in Ecuador geben.

Auch sie hatte früher kein Geld und konnte ihren Großeltern kaum etwas schenken. Doch auch ihre Kinder freuen sich schon auf Weihnachten, denn bei Familie Vasconez herrscht an Heiligabend bayerisch-ecuadorianischer Stilmix: »Mein Mann Otto besteht auf einen Weihnachtsbaum mit Kerzen, diesen Brauch finde ich schön, denn in Ecuador gibt es keinen Weihnachtsbaum, aber mit der bayerischen Kost kann ich mich zu Weihnachten nicht anfreunden, da bestehe ich auf ecuadorianisches Essen«, lacht sie. Denn trotz bayerischem Kochkurs bei der Oma ihres Mannes kocht sie am Heiligen Abend lieber den typischen, mit Apfel gefüllten ecuadorianischen Putenbraten, statt Würstel mit Sauerkraut. Das Putengericht ist in ihrer Heimat etwas ganz Besonderes, denn Fleisch ist eine Seltenheit.

Vor allem in ihrem Heimatdorf circa 100 Kilometer von der Hauptstadt Quito entfernt wird hauptsächlich Gemüse gegessen. Ihre Geschwister fahren an Weihnachten in ihr Heimatdorf, doch Vasconez war schon seit drei Jahren nicht mehr in Ecuador, wo es zwar Gletscher, aber zu Weihnachten keinen Schnee gibt: »Gerade das fand ich vor zehn Jahren, als ich nach München kam, besonders schön«.

So feiert er also Weihnachten, der Gegner der deutschen Nationalmannschaft bei der WM. Spätestens dann können sich die Deutschen davon überzeugen, ob die Ecuadorianer besser feiern können oder nicht. Kathrin Schubert

Artikel vom 20.12.2005
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