Investoren-Vertreter attackiert Sport-Geschäftsführer

Cyber-Mobbing gegen Günther Gorenzel?

Instagram-Provokateur: Anthony Power. Foto: Anne Wild

Instagram-Provokateur: Anthony Power. Foto: Anne Wild

München/Giesing · Der TSV 1860 München leidet seit Monaten unter einer sportlichen Ergebniskrise. Wer persönlich dafür verantwortlich zu machen sei, dass nach fünf Siegen zu Saisonbeginn die Erfolgskurve steil nach unten ging, darüber streiten sich die weiß-blauen Geister intensiv. Die im Profifußball typischen Schuldzuweisungen beherrschen die Schlagzeilen und die Kommentarbereiche. Nach der Freistellung von Trainer Michael Köllner steht vor allem Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel in der öffentlichen Kritik. Befeuert wird diese Schlammschlacht durch Anthony Power, den Statthalter Hasan Ismaiks.

Der gebürtige Jordanier ist US-amerikanischer Staatsbürger und bekleidete von November 2016 bis März 2017 auf persönlichen Wunsch von Gesellschafter Ismaik kurzeitig den Posten des Geschäftsführers der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA. Knall auf Fall hatten damals die Investorenvertreter mit Zustimmung des früheren Präsidenten Peter Cassalette den Sportmanager und ehemaligen Profispieler Thomas Eichin entlassen und statt seiner den unbekannten Maschinenbauingenieur Power ins Amt gehievt. Eichin wurde auf Anordnung Powers die ihm vertraglich weiter zustehende Bezahlung verweigert. Ein anschließendes Arbeitsgerichtsverfahren entschied die Kammer in vollem Umfang zu Gunsten Eichins. Nach dem Doppelabstieg in die Regionalliga Bayern setzte Ismaik seinen Repräsentanten im Herbst 2017 als Geschäftsführer der TSV 1860 Merchandising GmbH ein. Das Geschäft mit Fanartikeln betreibt der Investor seit dem Jahr 2012 auf eigene Rechnung. Powers Vorgänger, dem langjährigen Bereichsleiter Merchandise und Ex-Profi Roland Kneißl, war gekündigt worden.

Wie Millionen anderer Menschen teilt Power gern seine Gedanken und Gefühle im sozialen Netzwerk Instagram. Neben bizarren Posen, die den leidenschaftlichen Bodybuilder bei verschiedenen Kraftakten zeigen, inszeniert sich Power in Beiträgen als »Bad Guy« und nutzt populäre Filmclips aus Hollywood Blockbustern, um der geneigten Followerschaft seine Befindlichkeiten zu vermitteln. Brian De Palmas Film »Scarface« zeigt in einer Szene wie ein Mafiaboss, gespielt von Al Pacino, den ebenso pikierten wie verängstigten Gästen eines Restaurants betrunken erklärt, weshalb die Gesellschaft Menschen wie ihn braucht. Der legendäre Filmdialog aus den 1980er Jahren ist ein Stück Popkultur. Power hat den Clip mit dem Hashtag #alwaystellthetruth (dt: stets die Wahrheit sagen) versehen.

Als Anhänger des TSV 1860 München vergangenen September in der Westkurve des Grünwalder Stadions das umstrittene Geschäftsgebaren Powers auf Textbannern deutlich kritisierten (»Wer Mitarbeiter bedroht und die eigene Macht über Sechzig stellt, Fans verklagt und den e.V. verarscht, dessen Tage sind gezählt. Unsere Forderung: Power muss weg!«), antwortete der Angesprochene den Fans auf Instagram: »Just because to don´t see the Beast It doesn’t mean the Beast isn’t there. Be careful!« (dt: Nur weil die Bestie nicht zu sehen ist, bedeutet das nicht, dass sie nicht da ist. Seid vorsichtig!) und markierte seinen Beitrag mit den Hashtags #tsv1860, #grünwalderstadion, #beast. Dazu ließ er seine Kritiker wissen: »The problem with opinion even idiots are allowed to have them« (dt: Das Problem mit Meinung ist, auch Idioten dürfen eine haben).

Powers Instagram-Auftritt (@a.power60) unterscheidet sich nicht von zahllosen ähnlichen Accounts. Lediglich das fortgeschrittene Alter seines Betreibers verblüfft, denn die Inhalte könnten ebenso gut von einem pubertierenden Teenager stammen. Doch sie sind das Werk eines 56-Jährigen, der für den TSV 1860-Gesellschafter HAM International Limited, das Beteiligungsunternehmen Ismaiks, Repräsentationsaufgaben in München wahrnimmt. Vor diesem Hintergrund kommt einigen seiner Postings bei Instagram Bedeutung zu. Zuletzt adressierte Power mit kryptischen Beiträgen, die er in Form sogenannter Stories absetzt, mutmaßlich den Sport-Geschäftsführer der Profifußball-Gesellschaft Günther Gorenzel – ohne diesen namentlich zu nennen.

Ein Bild mit einem Aphorismus der 1991 verstorbenen amerikanischen Choreografin und Tänzerin Martha Graham (»Some men have thousands of reasons why they cannot do what they want to, when all they need is one reason why they can.«) versah Power mit der persönlichen Anmerkung »Just do your job and stop telling lies and making excuses« (dt.: Tun Sie einfach Ihre Arbeit und hören Sie auf zu lügen und sich zu rechtfertigen). Nach der Niederlage des TSV 1860 beim SV Meppen tönte er »The biggest failure of leadership is the failure to foresee« (dt: Das größte Versagen von Führungskräften ist fehlende Weitsicht«). In diesem Stil geht es weiter. »It is better to tell the truth and face the punishment, than to lie and face the consequences« (dt.: Es ist besser, die Wahrheit zu sagen und sich der Bestrafung zu stellen, als zu lügen und die Konsequenzen zu tragen) – eine Botschaft, die er mit Anthony signierte.

Dass ein Gesellschaftervertreter einen leitenden Angestellten des Klubs fortwährend im Internet attackiert, ist so ungewöhnlich wie unanständig. Powers Taten erfüllen Kriterien des sogenannten Cyber-Mobbings. Ein Fehlverhalten, wie man es von Heranwachsenden kennt, deren mangelnde Reife ursächlich für ihr Tun ist. Vergreifen sich heißblütige Fußballfans während erregter Internet-Diskussionen über Sieg oder Niederlage und die Klubpolitik ihres Vereins im Tonfall, ist das eine Sache. Sie verhalten sich dabei wie jeder streitlustige Stammtisch. Lange Kommentarschlachten sind Teil ihres Fantums. Eine andere Dimension hat es jedoch, wenn Funktionäre in verantwortlicher Position sich entsprechend öffentlich äußern. Power scheint sich dessen als Instagram-Provokateur nicht bewusst zu sein. Wenn er dabei in bester Rapper-Manier noch von »Truth, Honesty, Diginity and Respect« (dt.: Wahrheit, Redlichkeit, Würde und Respekt) faselt, gerät sein skurriler Auftritt vollends zum Bumerang.

(as)

Artikel vom 23.02.2023
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