Letztes Gefecht in Giesing

Gedenken an die Niederschlagung der Räterepublik vor 100 Jahren

Das Graffiti am Umspannwerk in der Martin-Luther-Straße zeigt (von links) Kurt Eisner, Sarah Lerch-Rabinovitz, Erich Mühsam, Gustav Landauer und Ernst Toller: Vorkämpfer der Münchner Räterepublik, die im Frühjahr 1919 nur kurz Bestand hatte. Foto: bs

Das Graffiti am Umspannwerk in der Martin-Luther-Straße zeigt (von links) Kurt Eisner, Sarah Lerch-Rabinovitz, Erich Mühsam, Gustav Landauer und Ernst Toller: Vorkämpfer der Münchner Räterepublik, die im Frühjahr 1919 nur kurz Bestand hatte. Foto: bs

München/Giesing · Genau 100 Jahre ist es her, dass die Münchner Räterepublik nach nur gut vier Wochen Bestand ein blutiges Ende fand. In Giesing fanden die letzten entscheidenden Gefechte zwischen den roten und den weißen Truppen statt.

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An dieses Ereignis erinnern Veranstaltungen in Giesing und Haidhausen - ebenso wie ein monumentales Graffiti in der Martin-Luther-Straße.

Die ehemalige Umspannanlage der Münchner Stadtwerke gegenüber des Giesinger Grünspitz hat dem Graffitikünstler Marius Müller als Leinwand gedient. Zum 100. Jahrestag der Ausrufung am 7. April 1919 verewigte Müller, der in der Szene als WON bekannt ist, die Vorkämpfer der Räterepublik: Erich Mühsam, Gustav Landauer, Ernst Toller, Sarah Lerch-Rabinovitz sowie Kurt Eisner, Anführer der Novemberrevolution 1918 und erster Ministerpräsident des Freistaats Bayern. Insgesamt anderthalb Monate war Müller auf dem Gerüst gestanden, um sein Kunstwerk anzufertigen, das nun das größte Graffiti in ganz München sein dürfte.

Im November 1918 hatte Bayern eine Zäsur erlebt: Einer Gruppe von Linksoppositionellen um den unabhängigen Sozialdemokraten Kurt Eisner gelang es, König Ludwig III. zu stürzen und einen demokratischen Freistaat auszurufen. Der gebürtige Berliner Eisner wurde erster Ministerpräsident. Nach Eisners Ermordung im Februar 1919 verschärften sich die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern einer parlamentarischen Demokratie und denen einer sozialistischen Räterepublik. Letzteres Modell wurde am 7. April 1919 in München ausgerufen. Die Regierung war zunächst kurzzeitig von pazifistisch gesinnten Intellektuellen wie den Schriftstellern Ernst Toller, Gustav Landauer und Erich Mühsam dominiert, danach von Kommunisten.

Giesing war eine Hochburg der Roten

Die Räterepublik, in der die Bürger sogenannte Räte wählen, die dann direkt verantwortlich und an die Weisungen ihrer Wähler gebunden sind, sollte nicht lange Bestand haben. Schon Mitte April standen rechtsextreme Freikorps vor München, viele Mitglieder waren ehemalige Weltkriegssoldaten. Beim Kampf zwischen den "Weißgardisten" und der "Roten Armee" der Räteregierung floss viel Blut, erbitterte Gefechte gab es am Hauptbahnhof und am Stachus. Giesing, als Arbeiterviertel eine Hochburg der Roten, hielt der Konterrevolution am längsten Stand - doch letztlich siegten am 2. Mai auch hier die Weißen. In der Folge übten die Freikorps eine einwöchige Terrorherrschaft in München aus, die hunderte Tote forderte.

Der Bezirksausschuss Au-Haidhausen erinnert in diesem Zusammenhang am Sonntag, 5. Mai, um 10 Uhr am Wiener Platz an die Ermordung von zwölf Perlacher Arbeitern durch das Freikorps Lützow. An der Gedenktafel beim Biergarten des Hofbräukellers werden die Stadtteilpolitiker einen Kranz niederlegen. Anschließend, gegen 11 Uhr, beginnt im KiM-Kino (Einsteinstraße 42) eine szenische Lesung mit Musik, Bildern und Filmausschnitten zum Einmarsch der weißen Truppen in Haidhausen.

In Giesing möchte die Theatergruppe AKA:NYX bei einem Reenactment der "Giesinger Schlachten" auch der Frage nachgehen, was gewesen wäre, wenn die Räterepublik Bestand gehabt hätte. Zudem sollen den Toten der Konterrevolution bei einem Marsch durch Giesing temporäre Denkmäler gesetzt werden.

Treffpunkt ist am Samstag, 4. Mai, um 18 Uhr vor dem Kulturzentrum Giesinger Bahnhof. Dort wird Ende Mai die Ausstellung "Orte der Revolution in Giesing 1918/19" zu sehen sein.

Benjamin Schuldt

Artikel vom 28.04.2019
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