Von Industrie zu Multikulti

Film »Zeitenwende in Giesing« zeigt die Entwicklung des Agfa-Parks

Wo früher das Agfa-Gelände mit dem markanten Hochhaus (kl. Bild) war, befinden sich jetzt Wohnhäuser, Gewerbe und viele Grünflächen. Der Dokumentarfilm »Zeitenwende in Giesing« hat die Entwicklung des Areals begleitet und festgehalten. F.: bs, gemeinfrei

Wo früher das Agfa-Gelände mit dem markanten Hochhaus (kl. Bild) war, befinden sich jetzt Wohnhäuser, Gewerbe und viele Grünflächen. Der Dokumentarfilm »Zeitenwende in Giesing« hat die Entwicklung des Areals begleitet und festgehalten. F.: bs, gemeinfrei

Giesing · Ein traditionelles Arbeiterviertel, das eng mit dem TSV 1860 verbunden ist – das ist Giesing in der Wahrnehmung vieler Menschen in und um München. In Wirklichkeit bietet Giesing weit mehr: Die Bandbreite reicht hier von den fast anachronistisch anmutenden kleinen Häuschen der Feldmüllersiedlung bis zu modernen Bauprojekten wie dem Parkviertel.

»Zeitenwende in Giesing« zu sehen
Artikel vom 02.10.2018: Agfa-Park im Wandel

Agfa-Park - Giesinger Parkviertel
Themenseite zum Parkviertel Giesing, dem ehemaligen Agfa-Gelände an der Tegernseer Landstraße

Letzteres ist erst in den vergangenen zehn Jahren entstanden – zuvor war auf dem Areal die Firma Agfa beheimatet. Die spannende Transformation vom Industriegelände zum begehrten Wohnviertel zeigt der Film »Zeitenwende in Giesing«, der in den kommenden Wochen und Monaten mehrmals im Viertel aufgeführt wird – das nächste Mal am Donnerstag, 30. August, ab 20.30 Uhr am Giesinger Grünspitz.

»Die Älteren werden sich erinnern«, ist ein Spruch, der in diesem Fall nicht unbedingt zutrifft. Schließlich ist es erst gut zehn Jahre her, dass das markante Agfa-Hochhaus an der Tegernseer Landstraße gesprengt wurde. Über 15.000 Zuschauer wohnten diesem spektakulären Ereignis am 17. Februar 2008 bei. Auch das dokumentiert der Film »Zeitenwende in Giesing«. Was für viele Münchner ein Aufbruch zu neuen Ufern war, war für frühere Mitarbeiter von Agfa eher ein Grund zu trauern. »Die Neugierigen in der Tegernseer Landstraße haben gejohlt und geklatscht«, erzählt einer von ihnen im Dokumentarfilm. »Wir standen in der Weißenseestraße. Es war totenstill. Viele hatten Tränen in den Augen.«

Diese gewisse »Agfa-Melancholie« zieht sich durch den ersten Teil des Films, der von 2007 bis 2017 im Rahmen des Förderprogramms »Soziale Stadt Giesing« entstanden ist. Der erste Teil wurde bereits 2011 veröffentlicht. Dokumentiert wird der anstehende Auszug der Firma Agfa aus dem Areal an der Tegernseer Landstraße. Langjährige Mitarbeiter des Film- und Kameraherstellers kommen dabei zu Wort. Für viele war der Gebäudekomplex in Obergiesing, der über eigene Sportanlagen verfügte, zu einer zweiten Heimat geworden.

Die ersten Vorstellungen seien immer ausverkauft gewesen, erzählt Stadtteilmanagerin Anna Canins. »Als sie den Film sahen, kamen die Leute ins Schwelgen.« Vor allem ehemalige Agfa-Angestellte seien emotional berührt gewesen und hätten nach DVDs gefragt, berichtet Canins. Inzwischen ist der erste Teil ergänzt worden durch viele Aufnahmen aus dem neu entstandenen Parkviertel Giesing, das als Agfa-Park bekannt ist. Die Bewohner des Viertels kommen ebenso zu Wort wie alteingesessene Giesinger aus der Nachbarschaft, die Bauunternehmer oder Münchens zweiter Bürgermeister Josef Schmid. Der Zuschauer ist dabei, wenn die »Neuen« sich beim Hoffest treffen und erhält einen Einblick in die Wohnungen und das Alltagsleben. Zu sehen sind außerdem ansprechende Luftbilder aus Giesing sowie altes Archivmaterial, das bis in die 1920er Jahre zurückreicht.

»Keine rein bauliche Dokumentation«

»Der Film sollte keine rein bauliche Dokumentation werden«, erklärt Anna Canins. Auch die soziale Komponente beim Wandel eines Industriegeländes in ein Wohn- und Gewerbequartier sei wichtig gewesen. Die Idee, einen Film zu drehen, kam vom Verein »Freunde Giesings«. Finanziert worden ist »Zeitenwende in Giesing« unter anderem aus dem Verfügungsfonds der Sozialen Stadt Giesing und durch die Büschl Unternehmensgruppe, den Projektentwickler des Areals. Die »Freunde Giesings« haben das Projekt ebenso unterstützt wie das städtische Kulturreferat und das Referat für Stadtplanung und Bauordnung.

Regie führte Morgane Remter, die selbst zwar nicht in Giesing lebt, aber »Feuer und Flamme« für das Projekt gewesen sei, wie Stadtteilmanagerin Anna Canins betont: »Sie hat viel Herzblut und viel Liebe zu den Menschen in den Film gesteckt.« Bei den Aufnahmen sprach die Regisseurin einfach die Leute auf der Straße an. Dabei ergab sich eine recht bunte Mischung aus jungen und alten Gesprächspartnern, Ur-Giesingern und Zugezogenen, zum Teil mit Migrationshintergrund.

Der Film tourt nun durch seine Heimat

In seiner vollständigen Fassung (Laufzeit 52 Minuten) stieß »Zeitenwende in Giesing« im Mai 2018 beim DOK.fest München im Gasteig auf große Resonanz: Spontan wurde dort ein zweiter Kinosaal geöffnet. »Es gab auch viele Interessenten aus anderen Stadtteilen«, sagt Canins. Im zweiten Halbjahr tourt der Film nun durch sein Heimatviertel Giesing (siehe Kasten). Die erste Station war Ende Juli im Riffraff, einer urigen Bar in der Tegernseer Landstraße, schräg gegenüber des Stadtteilladens. Von den rund 30 Zuschauern, von denen ein Großteil selbst aus Giesing kam, gab es Lob und viel Applaus für den Dokumentarfilm. In der anschließenden Diskussion fielen dann positive, aber auch kritische Worte zum Agfa-Park an sich.

»Die Leute, die im Film auftreten, könnten sich die Wohnungen dort jetzt nicht mehr leisten«, mahnte Regisseurin Morgane Remter. Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen – ein Problem, das längst nicht nur Giesing betrifft. Ein Bewohner des Agfa-Parks lobte dessen Einkaufsmöglichkeiten sowie die Spielplätze. Gerade für Familien mit Kindern bietet das neu entstandene Viertel zwischen TeLa und Untersbergstraße einiges – neben ausgedehnten Grünflächen etwa das »Aktivitätenband« mit Trampolin, Schaukeln und Rutschen, das laut Stadtteilmanagerin Anna Canins »gut angenommen« wird.

»Obergiesing ist jetzt viel durchmischter«, betonte Carmen Dullinger-Oswald, die Vorsitzende des Bezirksausschusses Obergiesing-Fasangarten (BA 17). Zahlreiche Leute seien hinzugezogen, unter den Neubürgern im Agfa-Park sind zum Beispiel Franzosen, Italiener, Spanier und Chinesen. »Das ist eine Bereicherung«, meinte Dullinger- Oswald. Zudem habe Giesing jetzt ein eigenes Sozialbürgerhaus in der Werner-Schlierf-Straße. Vor der Entwicklung des Agfa-Parks mussten Giesinger und Harlachinger hierfür noch bis nach Haidhausen fahren.
Benjamin Schuldt

Noch fünf Vorstellungen in Giesing
  • Donnerstag, 30. August, 20.30 Uhr: Giesinger Grünspitz an der Tegernseer Landstraße (entfällt bei Regen oder Sturm)
  • Samstag, 8. September, 17 Uhr: Lounge des »Motel One« (Tegernseer Landstraße 165)
  • Donnerstag, 27. September, 14 Uhr: Alten- und Service-Zentrum Obergiesing (Werinherstraße 71)
  • Donnerstag, 11. Oktober, 19 Uhr: Kulturzentrum Giesinger Bahnhof (mit Podiumsdiskussion)
  • Dienstag, 27. November, 19 Uhr: Pfarrsaal Zu den Heiligen Engeln (Weißenseestraße 35)
Aufgrund der begrenzten Platzzahl wird eine Anmeldung empfohlen (per Mail an info@stadtteilladen-giesing.de oder unter Telefon 46 13 49 99). Der Eintritt ist frei.
Die Film-DVD »Zeitenwende in Giesing« gibt es zur kostenlosen Ausleihe im Stadtteilladen (Tegernseer Landstraße 113) und in der Stadtbibliothek (Deisenhofener Straße 20).

Artikel vom 25.08.2018
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