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Elterninitiative fordert mehr Investition in Pflegeberufe
München · Rebellion gegen Notstand

Verhaltener Optimismus bei der Elterninitiative Intern 3: Die Vorstandschaft (links: 1. Vorsitzender Alois Fruth) unternimmt einen erneuten Vorstoß. Foto: privat
München · »Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Glieder verfährt.« Das hat Gustav Heinemann gesagt, der von 1969 bis 1974 als Bundespräsident amtierte.
Artikel vom 30.03.2018: So seh ich das!
Wendet man diesen Satz auf den Zustand der Pflege in Deutschland an, entsteht in Teilen ein ziem-lich düsteres Bild. Das gravierendste Problem ist der Fachkräftemangel, den die Schwächsten der Gesellschaft wörtlich am eigenen Leib erfahren. Dagegen rebelliert die Elterninitiative Intern 3 im Dr. von Haunerschen Kinderspital München e.V.
Die Vorstandschaft hat beim Bayerischen Landtag eine Petition eingereicht. Darin heißt es: »Die Pflegesituation im Ballungsraum München hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Völlig unzureichende Gehälter, überfordernde Arbeitsbedingungen und hohe Lebenshaltungskosten vor allem im Ballungsraum München haben den Pflegeberuf unattraktiv und nahezu unzumutbar gemacht und langfristig zu einem massiven Pflegenotstand geführt.« Gleich vier Vorstände haben die Petition unterzeichnet und eingereicht. Es ist ihnen ernst.
Alois Fruth, 1. Vorsitzender der Elterninitiative, zählt die Fakten auf: Von 17 Betten der Kinderkrebsstation im »Hauner« könnten seit Längerem nur noch zehn Betten betrieben werden. Laut Klinikum der Universität München, dem Betreiber des Hauner, seien es aktuell zwölf Betten, tagsüber würden bis zu 15 Kinder behandelt. Fruth spricht von Rückgang des Personals und permanenter Überlastung. Das Klinikum erklärt, die Situation in der Kinderkrankenpflege im Bereich Onkologie sei seit Jahren schwierig, nicht nur am LMU-Klinikum, sondern insbesondere im gesamten Münchner Raum.
Alois Fruth klagt, die Notfallambulanz im Hauner sei Anfang des Jahres geschlossen gewesen, habe keine Kinder aufnehmen können. Laut LMU-Klinikum sei die Haunersche Kinderklinik nicht generell von der ambulanten Notfallversorgung abgemeldet, wohl aber von der Zuweisung durch den Rettungsdienst. Das gelte auch für andere Kinderkliniken in München. »Dies ist kein neuer Zustand, aber er ist dramatischer als früher«, erklärt Christiane Schoeller von Stabsstelle Kommunikation des LMU-Klinikums. »Ein besonderes Problem ist, dass anders als früher die anderen Münchner Kinderkliniken uns nicht mehr so gut unterstützen können. Wir können Kinder aus unserer Nothilfe nicht mehr einfach nach Harlaching verlegen, sondern müssen auch nach außerhalb von München verlegen: Starnberg, Augsburg, Landshut, Garmisch.«
Mit der Petition wendet sich die Elterninitiative bereits zum dritten Mal an den Landtag
Aber warum hat sich die Situation so zugespitzt?
Alois Fruth sieht
im Verrechnungssystem DRG (Diagnosis Related Groups) die Ursache dafür.
Darin seien rund 6.000 mögliche Behandlungsschritte definiert, von denen
aber nur rund 100 auch kindgerecht seien. Weil die Pflege von kranken Kindern
aber zeitaufwendiger sei, ließe sich das System nicht auf sie übertragen.
Mangels Anpassung geschieht aber genau das. Die Folge: Überlastung des Personals
und Einschränkung der Versorgungsangebote.
Dem Hauner macht die Elterninitiative keinen Vorwurf. Das Kinderspital leide selbst unter den Bedingungen. Würde die Elterninitiative nicht jährlich einen sechsstelligen Betrag beisteuern, zuletzt waren es laut Fruth 160.000 Euro, »würde das ganze System nicht funktionieren.«
Die Verantwortlichen suchen Fruth und seine Mitstreiter in der Politik. Daher erging jetzt die Petition an den Landtag. Darin fordert die Elterninitiative eine leistungsgerechte Lohn-Eingruppierung für Pflegekräfte, bezahlbaren Wohnraum besonders im Ballungsraum München und ein angemessener Fahrtkostenzuschuss. Kurz: Es geht um Investitionen in den Pflegeberuf, und zwar für alle Pflegekräfte – nicht nur am Hauner, nicht nur in München, nicht nur in der Kinderpflege. Die Aussichten? Ungewiss.
Zwar argumentiert die Elterninitiative sehr präzise und wird demnächst auch vom Petitionsausschuss des Landtages angehört, aber was dann passiert, ist offen. Denn diesen Weg ist die Elterninitiative bereits im Mai 2013 gegangen. Bei der Anhörung im November des gleichen Jahres, habe die damalige Vorsitzende Kathrin Sonnenholzner versichert, hinsichtlich des Pflegenotstands seien bereits geeignete Maßnahmen zu dessen nachhaltiger Beseitigung getroffen worden – eine Fehleinschätzung, wie man heute wohl sagen kann.
Umso bedauerlicher ist die aktuelle Situation, weil niemand sagen kann, sie sei nicht vorhersehbar gewesen. Bereits 2006 hatte die Elterninitiative eine Petition gestartet – ohne Erfolg. Weil die politische Willensbildung nicht selten »im stillen Kämmerlein« stattfindet, hofft die Elterninitiative jetzt auf Unterstützung von Leidensgenossen.
Die Vorstandschaft hat die Petition an Vereine in ganz Bayern geschickt.
Die Resonanz: mau. Immerhin bekommen die Eltern inzwischen Unterstützung
vom Sozialverband VdK. Sie sprechen mit einer Stimme. Leise. Aber sie wollen
lauter werden. Sie wollen mehr werden.
Von Carsten Clever-Rott
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