Zeit miteinander zu reden

Das Pfingstwunder bedeutet vor allem Kommunikation

Im Zentrum des katholischen Glaubens in München findet am Pfingstsonntag, 4. Juni, um 17 Uhr die ökumenische Pfingstvesper statt.	Foto: cr

Im Zentrum des katholischen Glaubens in München findet am Pfingstsonntag, 4. Juni, um 17 Uhr die ökumenische Pfingstvesper statt. Foto: cr

München · Die Osterzeit geht mit dem Pfingstfest zu Ende und in diesem Ende steckt ein neuer Anfang. In Zeiten, da nicht mal mehr die Hälfte der Münchner angibt, überhaupt einer Konfession anzugehören, geht dieser Neuanfang an den meisten spurlos vorbei.

Dabei handelt es sich um nichts Geringeres als die Wiederkehr der Gründung der christlichen Kirche, für die das Pfingstfest auch steht. Die Jünger Jesu wurden, so berichtet die Bibel, dereinst vom Heiligen Geist erfüllt und begannen in ihnen eigentlich fremden Sprachen zu sprechen. So konnten die Menschen aller Völker die Jünger verstehen – für sie ein Wunder. Nicht zuletzt auch ein Wunder der Kommunikation, an der es heutzutage scheinbar fehlt. So beklagte der Erzbischof des Erzbistums München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, schon im vergangenen Jahr, es zeichne sich eine Tendenz ab, neue Mauern aufzubauen, sich einzuschließen und sogenannte Leitkulturen gesetzlich festzulegen.

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Vielleicht ist Pfingsten ein geeigneter Anlass sich dem Dialog zu öffnen und aufeinander zuzugehen. So wie es die beiden christlichen Konfessionen im 500. Jahr nach der Reformation machen. So feiern am Pfingstsonntag, 4. Juni, um 17 Uhr Kardinal Reinhard Marx und der evangelische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm zusammen mit den Gläubigen beider christlichen Konfessionen in der Frauenkirche das Pfingstfest 2017 als besonderes ökumenisches Zeichen im Jahr des Reformationsgedenkens. Für alle, die nicht im Münchner Dom dabeisein können, wird der Gottesdienst live im Bayerischen Fernsehen übertragen.

Es ist ein Signal für den Dialog, auch für Toleranz, da beide Konfessionen zwar inhaltlich viele Gemeinsamkeiten haben, das Trennende aber immer noch so stark ist, dass eine Unterscheidung, eine Abgrenzung nötig zu sein scheint. Gleichzeitig wirbt Marx für das Miteinander in der Gesellschaft, indem er eine Ausgrenzung vehement ablehnt. Pauschale Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Verunglimpfung anderer Religionsgemeinschaften, Hass und Gleichgültigkeit gegenüber den Armen seien inakzeptabel.

Ausfälle solcher Art, wie Marx sie scharf kritisiert, werden in der jüngeren Vergangenheit immer öfter und immer drastischer auch in den sozialen Netzwerken artikuliert. Der respektvolle Umgang untereinander bleibt dabei auf der Strecke. Nicht zuletzt deswegen macht sich der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm gerade dafür stark, für den respektvollen Umgang gegenüber Flüchtlingen und Menschen aus anderen Religionen.

Wenn wir der Darstellung in den Bibel glauben dürfen, und in Teilen dürfen wir das (wenngleich Historiker ein deutlich dezenteres Bild von Jesus zeichnen), so hat Jesus viele seiner Mitmenschen überzeugen können. Er hat mit Worten missioniert, ein Recht, wenn nicht eine Verpflichtung, die Kardinal Marx für die christlichen Kirchen einfordert. Doch ob sich die Menschen künftig von den Werten überzeugen lassen, die von den Kirchen verbreitet werden, hängt maßgeblich von den Kirchen selbst ab. Neben dem ökumenischen Gottesdienst wäre das Pontifikalamt in der Frauenkirche am Sonntag, 4. Juni, um 10 Uhr eine Gelegenheit sich der Kirche zu öffnen, denn längst nicht alle derer, die den christlichen Kirchen in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt haben, haben auch ihren Glauben abgelegt. Allein in den evangelischen Kirchen in München und Umgebung finden am Pfingstsonntag fast hundert Gottesdienste statt, in den katholischen Kirchen rund um München sind es über 300. Hinsichtlich der Quantität ist das Angebot vorhanden. Über die Qualität muss jeder selbst urteilen – vorausgesetzt, er möchte. Von Carsten Clever-Rott

Hintergrundinfo:
Pfingsten, ein Fest des Glaubens. Vielleicht verlassen sich die Deutschen auch deshalb auf das, was sie glauben, und nicht, was sie wissen. Nicht ganz die Hälfte der Deutschen weiß, dass Pfingsten der Entsendung des Heiligen Geistes gedacht wird. 15 Prozent glauben, die Auferstehung Jesu sei der Grund des Pfingsfests, 12 Prozent vermuten Mariä Himmelfahrt dahinter und 4 Prozent glauben, die Kreuzigung Jesu sei der Grund für Pfingsten. Jeder Vierte hat eigenem Bekunden zufolge gar keine Ahnung.

Artikel vom 03.06.2017
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