Über dem Grenzwert

Messungen: Münchens Abgasproblem ist flächendeckend

Die Münchner Luft hat ein Reinheitsproblem. Das Tückische dabei: Der »Feind« ist unsichtbar.	Foto: Simone Reitmeier

Die Münchner Luft hat ein Reinheitsproblem. Das Tückische dabei: Der »Feind« ist unsichtbar. Foto: Simone Reitmeier

München · Es gibt einen Luftreinhalteplan, es gibt ein Bürgerbegehren für saubere Atemluft in München und die Notwendigkeit von beidem wird jetzt durch wissenschaftlich ausgewertete Messungen bestätigt.

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Die Belastung mit Stickstoffdioxiden ist in München auch abseits der offiziellen Messstationen bedenklich hoch. Das meldet zumindest die Münchner Umweltorganisation Green City e.V. An mindestens 15 Orten im Stadtgebiet würden die Werte teils deutlich die gesetzlichen Grenzen überschreiten. Das gehe aus einer Messreihe hervor, die Green City und die Ludwig-Bölkow-Stiftung im Herbst 2016 durchgeführt haben. Bei der Vorstellung der Ergebnisse am 24. März appellierten sie deshalb eindringlich an die Stadt München, endlich etwas für saubere Luft zu tun.

Münchner Bürger hatten vergangenes Jahr im November und Dezember die Möglichkeit, die Stickstoffdioxid-Konzentration zwei Monate lang direkt vor ihrer Haustür mittels sogenannter Passivsammler zu messen. Insgesamt beteiligten sich 50 Personen an der Erhebung. Die Ludwig-Bölkow-Stiftung und Green City stellten die Messeinheiten zur Verfügung und kümmerten sich um Logistik und wissenschaftliche Auswertung. Nun liegen die Ergebnisse vor: Der gesetzliche Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter sei an 15 Messpunkten überschritten worden. Dazu gehörten neben Stellen an vielbefahrenen Straßen wie dem Mittleren Ring, Altstadtring, der Einstein- oder Schleißheimer Straße auch Bereiche in reinen Wohngebieten.

Unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben in Deutschland empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Grenzwert von 20 Mikrogramm pro Kubikmeter. Nur bei einer Stickstoffdioxid- Konzentration unterhalb dieser Schwelle sei mit wenig bis keinen gesundheitlichen Auswirkungen wie Herz- Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen zu rechnen.

Hauptverursacher der hohen NO2-Werte ist laut Umweltbundesamt der Straßenverkehr

Dr. Werner Zittel, promovierter Physiker bei der Ludwig-Bölkow-Stiftung, erläutert: »Unsere Messungen lassen den Schluss zu, dass fast in der gesamten Innenstadt dieser gesundheitsrelevante Schwellenwert dauerhaft überschritten wird. Außerdem ist davon auszugehen, dass München auch den gesetzlichen Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter an vielen weiteren Stellen nicht einhält.« Hauptverursacher sei laut Umweltbundesamt der Straßenverkehr und hier insbesondere die Abgase von Dieselkraftfahrzeugen.

Für Martin Glöckner, Geschäftsführer von Green City e.V. steht daher fest, dass eine deutliche Reduktion des Autoverkehrs unabdingbar ist. Er zeigt sich verärgert: »Der Unwille von Politik und Industrie, endlich eine echte Verkehrswende einzuleiten, geht auf Kosten der Gesundheit von uns allen.«

Aus Sicht der Umweltorganisation Green City e.V. können punktuelle Maßnahmen wie kurzfristige Tempolimits an der Abgasproblematik kaum etwas ändern. Deshalb fordert sie langfristige und umfassende Lösungskonzepte – allen voran einen Ausbau des Rad- und Fußverkehrs sowie der öffentlichen Verkehrsmittel. Eine weitere Forderung der Umweltorganisation ist zudem seit langem eine autofreie Stadt innerhalb des Altstadtrings zu schaffen. »Letztendlich geht es darum, Alternativen zum Auto so attraktiv zu gestalten und auszubauen, dass immer mehr Bürger den eigenen Wagen einfach stehen lassen können. Und diese Angelegenheit ist kein ideologischer Wettstreit. Es geht um die Gesundheit unserer Kinder«, erklärt Martin Glöckner.

Artikel vom 30.03.2017
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