Aus der Not eine Tugend

München · Wie Flüchtlinge unserer Gesellschaft helfen – ein Beispiel

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen in München unter anderem in Wohnprojekten der gpp unter, wo sie sich ein neues Leben aufbauen können.	Foto: gpp

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen in München unter anderem in Wohnprojekten der gpp unter, wo sie sich ein neues Leben aufbauen können. Foto: gpp

München · Täglich hören wir vom »Rekord-Zustrom« von Flüchtlingen und oft schwingt ein Unterton mit, der darin eine Bedrohung sieht oder diese gezielt suggeriert.

»Aber es ist keine Bedrohung, sondern eine wertvolle Chance und Bereicherung für unsere Gesellschaft«, sagt Karin Majewski, Geschäftsführerin des Bezirksverbands Oberbayern des Paritätischen. Doch diese Chance könne sich nur dann entfalten, wenn die Herausforderung angenommen und die Menschen, die jetzt – mit all ihren Fähigkeiten – nach Deutschland kommen, beim echten Ankommen nachhaltig unterstützt würden.

Der Paritätische in Oberbayern vertritt diese Überzeugung nicht nur, er setzt sie auch konkret um und spannt ein Hilfe-Netzwerk für Flüchtlinge in München. So berichtet der Wohlfahrtsverband von einem afghanischen Flüchtling, der geschafft hat, was viele andere nach ihm noch erreichen sollen. Der junge Mann ist heute 24 Jahre alt. Vor acht Jahren war er in der gleichen Situation wie die vielen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die heute kommen. Noch nicht mal erwachsen, ganz auf sich gestellt in einer völlig fremden Umgebung, unsicher, der Sprache des neuen Landes nicht mächtig. Heute arbeitet er nach seiner Ausbildung als Einzelhandelskaufmann in einem Bio-Supermarkt, macht parallel noch den Handelsfachwirt, ist verheiratet und zahlt Steuern und Sozialabgaben. Er leistet seinen Beitrag zur Solidargemeinschaft, die ihn aufgenommen und gefördert hat. Er ist angekommen – mittendrin. Sein Beispiel zeigt, dass es geht. Und wie sehr beide Seiten, die aufnehmende Gesellschaft wie auch ihre neuen Mitglieder, voneinander profitieren können – von der humanen Dimension ganz abgesehen.

Nach seiner Ankunft kam der Jugendliche zunächst in die Erstaufnahmeeinrichtung in der Baierbrunner Straße, dann wohnte er ein Jahr in einer vollbetreuten Jugendhilfeeinrichtung, um schließlich in ein Einzelbetreutes Wohnprojekt der gpp, Gesellschaftspolitische Projekte e.V., eine Mitgliedsorganisation des Paritätischen, zu wechseln. Dort wohnte er mit zwei anderen jungen Menschen und hatte eine Betreuerin, die sich um ihn gekümmert hat. Mit 20 Jahren hat er dann eine eigene Wohnung bezogen.

Ein Sprachkurs war für den jungen Afghanen der Schlüssel zum Erfolg

Die ersten Jahre war der junge Mann sehr unsicher und schüchtern. Dann fasste er Fuß: Nachdem er ein Jahr einen Deutschkurs besucht hatte, schloss er im Jahr darauf seinen Hauptschulabschluss mit guten Noten ab. Gleich im Anschluss machte er eine Lehre zum Verkäufer und dann noch ein Jahr weiter zum Einzelhandelskaufmann, die er mit sehr guten Noten abgeschlossen hat. Sein Arbeitgeber nimmt und unterstützt sehr gerne junge Flüchtlinge, weil sie »so gute, freundliche, fleißige und zuverlässige Auszubildende« sind.

Der junge Afghane wurde nach der Lehre in seinem Betrieb übernommen und stieg dort innerhalb kürzester Zeit zu einem Abteilungsleiter auf.

Heute wohnt der junge Mann mit seiner Frau in einer kleinen Wohnung. Vor einem Jahr hat er seinen Führerschein gemacht. Er hat sich zu einem ehrgeizigen, selbstbewussten, lebendigen und zufriedenen Mann entwickelt. Er hat seinen Platz gefunden.

Es geht darum, Chancen zu bieten und Chancen wahrzunehmen. Dabei spielt die Nationalität keine Rolle.

Artikel vom 03.09.2015
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