Agfa-Gelände: Das neue »Parkviertel Giesing« nimmt Formen an

Giesing · Facelifting in Giesing

Die Gewerbefront als Puffer für die dahinter liegenden Struktureinheiten für Wohnen, Grün und Versorgung ist bereits fertiggestellt. 	Foto: HH

Die Gewerbefront als Puffer für die dahinter liegenden Struktureinheiten für Wohnen, Grün und Versorgung ist bereits fertiggestellt. Foto: HH

Giesing · In einem wichtigen Planquadrat verändert der Stadtteil Giesing in diesen Tagen einschneidend sein Gesicht. Auf dem ehemaligen Agfa-Gelände soll bis 2014 ein völlig neu konzipiertes Stadtquartier entstehen.

»Agfa-Park« in Giesing

»Wir schaffen eine Zukunft für Giesing«, verspricht Günter Büschl als Chef der Büschl-Unternehmensgruppe, die hier zwischen Weißensee- und Spixstraße, Perlacher Straße und Mittleren Ring das neue »Parkviertel Giesing« entwickelt. Seit sieben Jahren bastelt man bei Büschl an dem Vorzeigeprojekt – als Ergebnis steht ein deutlicher Strukturwandel für das ehemalige Industriegelände. Rund 900 neue Wohnungen und bis zu 1.200 Arbeitsplätze sollen hier in den kommenden Jahren ebenso entstehen wie eine knapp 1.500 Quadratmeter große Grünzone sowie eine neue Anbindungstrasse für das Quartier. Wichtig: das alte Firmengelände, das früher der Allgemeinheit versperrt blieb und weiträumig »umschifft« werden musste, wird durchlässig und offen für alle Menschen.

Nahversorger werden hier etabliert, ebenso sind drei Kindertagesstätten, Gastronomie und nicht zuletzt die Ansiedlung des neuen Sozialbürgerhauses für den Stadtteil Giesing hier fest eingeplant. Das alles hat aber auch für die neuen Eigentümer der Immobilien seinen Preis. Rund 5.000 Euro pro Quadratmeter kosten die neuen Wohnungen – »Giesing wird moderner, jünger und vor allem auch teurer« bemerkte der örtliche Bezirksausschuss-Vorsitzende in Obergiesing-Fasangarten, Horst Walter (SPD), bei einer Podiumsdiskussion der »Soziale Stadt« und der Volkshochschule im »Giesinger« – inmitten des neuen, bereits als Ringpuffer fertiggestellten Gewerberiegels an der Tegernseer Landstraße. Freilich heißt es: »Giesing wird vielerorts aufgewertet«, so Moderator und VHS-Ost-Chef Winfried Eckhardt. Eine Einschätzung, der man durchaus folgen kann. Auch wenn derzeit noch die Baufahrzeuge hinter dem Gewerberiegel das Regiment führen – die Strukturen der neuen Wohn- und Gewerbeeinheiten mitsamt der entstehenden Infrastruktur zeichnen sich auch entlang der Großbaustelle bereits ab.

Mit rund 11,25 Hektar Gesamtfläche realisiert die Büschl-Gruppe das bislang größte, von einem privaten Investor entwickelte Gelände im Freistaat. Allein ein zweistelliger Millionenbeitrag wurde fällig, um das altehrwürdige Agfa-Gelände von Altlasten zu befreien. Wichtiger Eckpunkt der Planung ist etwa die neue »Werner-Schlierf-Straße« innerhalb des Quartiers, die zwischen der Spix- und der Weißenseestraße verlaufen wird und an den Giesinger Schriftsteller Werner Schlierf erinnert. Auch ein Fußweg soll einmal das neue Quartier über die Tegernseer Landstraße und die Unterführung an der Otkerstraße mit den Nachbar­arealen verbinden. Ebenfalls an der Spixstraße soll die neue Grünachse zum Weißenseepark ihren Ausgangspunkt haben und somit die grüne Lunge über den neuen Siedlungsrand hinaus ausweiten. In diesem Bereich nahe der Spixstraße werden zudem zwei stark frequentierte Einheiten entstehen: hier soll ein neuer Vollsortimenter seine Tore öffnen, zudem das Sozialbürgerhaus eine Heimat finden.

Im Dunstkreis sind ein Restaurant und Kindertagesstätten geplant – derzeit geht die Stadt davon aus, hier acht Krippengruppen, sechs Kindergarten – und zwei Hortgruppen zu entwickeln. Besonders die neue Heimat für das Sozialbürgerhaus lässt die Giesinger derzeit aufatmen. Die langen Wege zur derzeit für den Stadtteil zuständigen Einrichtung an der Streitfeldstraße in Berg am Laim gehören in wenigen Jahren der Vergangenheit an.

Sorgenfalten zeichneten sich bei den »alten« Giesingern aber auch ab. So fürchten die alt eingesessenen Geschäftsleute an der nahen Geschäftsmeile der Tegernseer Landstraße mit ihren Einzelhandelsgeschäften um die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den neuen Ladenzeilen im Parkviertel – zumal in einem eigens ausgewiesenen Mischgebiet hinter der Tegernseer Landstraße weitere Ladengeschäfte, Gastronomie und Arztpraxen geplant sind. Vor allem aber fragten sich viele Alteingesessene nicht nur bei der Podiumsdiskussion: »Wer soll die neuen Wohnungen denn bezahlen?« BA-Chef Horst Walter versteht die Sorgen der Menschen vor einer möglichen Gentrifizierung auch in Giesing – aber: »Es wird halt gefordert, was der Markt hergibt!« Da mache auch Giesing keine Ausnahme im hochpreisigen München. Günter Büschl argumentierte, es bestehe eine »sehr große Nachfrage nach den Wohnungen«. Natürlich bestimme die auch die Preise entscheidend mit. Im ersten Wohnblock seien bereits ein Drittel aller Wohnungen verkauft. Auch die gewerbliche Nutzungsvergabe läuft offenbar prima. Von den insgesamt rund 38.000 Quadratmetern Gewerbefläche übernahm allein Agfa Healthcare über ein Drittel – »Agfa« bleibt also ein Faktor vor Ort. Dazu hat auch eine Autovermietung längst ihre Zelte im »Riegel« aufgeschlagen. Zudem wurde bereits im August letzten Jahres ein neues Hotel eröffnet. Noch in diesem Jahr beginnt der Wohnungsbau mit ersten Gebäudekomplexen entlang der Weißenseestraße, ab kommendem Jahr wird dann auch an der Perlacher Straße und entlang der Spixstraße wohnbebaut.

»2014 wollen wir schließlich fertig sein«, unterstrich Büschl ehrgeizig die Termineckdaten des Großprojektes. »Dann wird auch der Baulärm für die Anwohner zu Ende sein«, versprach Büschel mit Blick auf die aktuellen Sorgen der Bürger vor Ort. Fest steht: In wenigen Jahren spätestens wird dieses Giesinger Herz sein Antlitz deutlich verändert haben. Harald Hettich

Artikel vom 31.10.2011
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