Fuggerstädter unterliegen Giesing

Sieg der Leidenschaft

Der 19-jährige Stefan Bell erzielte in Augsburg sein erstes Tor für den TSV 1860. Foto: A. Wild

Der 19-jährige Stefan Bell erzielte in Augsburg sein erstes Tor für den TSV 1860. Foto: A. Wild

München · Sie hatten sich für das bayerische Derby mächtig was vorgenommen, die Spieler des FC Augsburg und des TSV 1860 München. Von der ersten Minute an spielten sie einen kämpferischen Fußball nach dem Motto „dem Gegner frühzeitig den Schneid abkaufen“.

Opfer des harten Einsteigens der Fuggerstädter wurde der wieselflinke Löwen-Techniker Moritz Leitner, der – von Gegenspieler Andrew Sinkala immer wieder heftig attackiert – in der 33. Minute nach einem brutalen Foul verletzungsbedingt das Feld räumen musste. Der 17-jährige wurde durch Florin Lovin ersetzt. Schiedsrichter Christian Dingert und sein Linienrichtergespann wirkten phasenweise etwas überfordert mit der temporeichen und intensiv geführten Zweitligapartie.

Das feuchte Grün der Augsburger Impuls-Arena präsentierte sich in leicht rutschigem Zustand. Die Oberfläche wurde bei fast jeder Grätsche abgetragen; die Spieler fanden schwer Halt auf der offenbar kaum verwurzelten Grasnarbe. Dennoch boten beide Mannschaften über 90 Minuten guten und schnellen Fußball. 13 Heimspiele lang hatte der FC Augsburg auf heimischem Grund nicht mehr verloren. Im 14. Spiel ergatterte nun der TSV 1860 mit einem 2:1 Sieg alle drei Punkte. Und das keineswegs unverdient. Die Löwen stellten in der Summe das durchschlagskräftigere Team.

Kapitän Daniel Bierofka kehrte nach seiner verletzungsbedingten Pause gegen Aue wieder in die Startelf der Giesinger zurück. Wie wichtig das Löwen-Urgestein für seine Mannschaft ist, zeigte sich in der 38. Minute: Nach einem Eckball Bierofkas gelang Stefan Aigner im Nachschuss die 1:0 Führung für den TSV 1860. Die rund 4.000 mitgereisten Fans der Weiß-Blauen, die ihren Club über 90 Minuten frenetisch anfeuerten und die Begegnung zu einem Heimspiel für 1860 machten, waren aus dem Häuschen. Zuvor hatte Augsburg in der 25. Minute bereits großes Glück gehabt, als Schiedsrichter Dingert ein Foul von Traore am durchgebrochenen Rukavina im Strafraum nicht ahndete. In der 40. Minute startete Djordje Rakic in die Gasse und traf zum vermeintlichen 2:0 – doch das Schiedsrichtergespann wollte zum Unverständnis der Giesinger eine Abseitsstellung erkannt haben.

Der Rückstand wurde vom FCA mit wütenden Gegenangriffen beantwortet. Stephan Hain und Uwe Möhrle kamen noch vor der Halbzeit jeweils frei zum Abschluss, scheiterten aber an Löwen-Torhüter Gabor Kiraly und den eigenen Nerven. 30 Sekunden nach Wiederanpfiff war es soweit: Ibrahima Traoré setzte sich mit einem Tempodribbling gegen Ignjovski durch, schoss aus 22 Metern aufs Tor; Thurk fälschte den Ball noch ab – Kiraly blieb dadurch ohne Abwehrchance. Der Ausgleich zum 1:1. Doch die in Dunkelblau spielenden Münchner zeigten sich davon erstaunlich unbeeindruckt und blieben weiter am Drücker. In der 71. Minute trat Benny Lauth von der rechten Seite einen von neun Eckbällen für die Münchner. Innenverteidiger Stefan Bell hechtete in die Flanke und traf mit einem wuchtigen Kopfstoß zum 2:1 für die Löwen.

Eine Viertelstunde vor Schluss ereilte den Augsburger Andrew Sinkala nach einem üblen Foul an Bierofka doch noch der verdiente Platzverweis durch eine gelb-rote Karte. Doch auch zu Zehnt hatten die Augsburger noch eine Großchance durch Thurk, der nach einem Eckball die Kugel aus vier Metern übers Tor bugsierte (83. Min.). Danach war das Spiel gelaufen. Die Löwen brachten den 2:1-Sieg sicher ins Ziel. Ein rassiger Vergleich mit hohem Unterhaltungswert für die Zuschauer hatte einen verdienten Sieger gefunden. Entsprechend zufrieden zeigte sich Löwen-Coach Reiner Maurer: „Es war ein hochklassiges Spiel – und wir sind belohnt worden. Wir wollten unbedingt unseren vielen Fans beweisen, dass wir mit Herz und Leidenschaft kämpfen. Dieser Erfolg war doppelt wichtig für uns. Erstens, dass wir das Derby gewonnen haben. Zweitens, dass wir dadurch nach vorne Anschluss halten konnten."

Für Kopfschütteln und Gelächter bei den Zuschauern sorgte der Augsburger Stadionsprecher, der während des Spiels mit euphorischer, sich überschlagender, Stimme ein ausverkauftes Haus meldete, obwohl, mit bloßem Auge erkennbar, Hunderte freier Sitzplätze zu zählen waren.

Höchst unsportliche Szenen gab es unmittelbar nach Schlusspfiff auf den Rängen der Impuls-Arena. Ihren offenbar tief sitzenden Frust über die Derby-Niederlage wollten etwa zwei Dutzend gewaltbereite Augsburg-Anhänger abbauen, in dem sie in den der Gästekurve benachbarten Block auf der Gegengeraden eindrangen und die feiernden Löwenfans über den Trennzaun hinweg bedrohten, beschimpften und bespuckten. Ehe die Situation eskalieren konnte, gelang es Ordnern und Polizei die FCA-Ultras wieder aus dem Block zu drängen. Dabei wurde ein Ordner im Gesicht verletzt. Fanberichten zufolge soll Auslöser der Provokation ein Augsburger Zauntransparent gewesen sein, das angeblich von Löwenfans entwendet und während des Spiels als „Beutestück“ präsentiert worden sein soll.

Kommenden Sonntag (Anpfiff 13:30 Uhr) trifft der TSV 1860 in der Allianz Arena auf den 1. FC Union Berlin und hofft am letzten Wiesn-Sonntag auf eine prächtige Kulisse. Sportlich haben die Löwen alles dafür getan. Jetzt liegt es an den Fans, die Leistung der Mannschaft zu honorieren.

Artikel vom 28.09.2010
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