Veröffentlicht am 23.05.2025 11:45

HP8-Betriebe fürchten erneut um ihre Existenz


Johannes Beetz
Johannes Beetz
Chefredakteur
seit 1999 bei der Gruppe der Münchner Wochenanzeiger
Mitarbeit im Arbeitskreis Redaktion des Bundesverbands kostenloser Wochenzeitungen (BVDA)
Gewinner des Dietrich-Oppenberg-Medienpreises 2017 (Stiftung Lesen)
Reifen Senjak ist einer der kleinen Betriebe auf dem Gelände am „Zwischen-Gasteig”. (Foto: Mirco Taliercio)
Reifen Senjak ist einer der kleinen Betriebe auf dem Gelände am „Zwischen-Gasteig”. (Foto: Mirco Taliercio)
Reifen Senjak ist einer der kleinen Betriebe auf dem Gelände am „Zwischen-Gasteig”. (Foto: Mirco Taliercio)
Reifen Senjak ist einer der kleinen Betriebe auf dem Gelände am „Zwischen-Gasteig”. (Foto: Mirco Taliercio)
Reifen Senjak ist einer der kleinen Betriebe auf dem Gelände am „Zwischen-Gasteig”. (Foto: Mirco Taliercio)

Als vor Jahren das Gelände an der Hans-Preißinger-Straße als Ausgangsquartier für das Gasteig ins Gespräch kam, weckte dies Existenzängste bei den dort ansässigen Betrieben. 2021 zog die Kulturstätte dann auf das Gelände. Jetzt fürchten die verbliebenen kleinen Firmen dort wieder um ihren Fortbestand.

Werden Existenzen vernichtet?

„Was ich mir in 30 Jahren aufgebaut habe, ist damit zerstört.“ Das sagt Wolfgang Ronner, einer der Bestandsmieter im Kreativquartier HP8 auf dem SWM-Gelände an der Hans-Preißinger-Str. 8. Diese befürchten ihre Vertreibung durch das Gasteig Interim, denn diese plane derzeit, Anfang 2026 die Räumlichkeiten von vier Handwerksbetrieben mit 23 dort Tätigen für das Gasteig Interim zu übernehmen. Betroffen sind Dominik Senjak, Ramon Wegner (Coat’n Cast), Wolfgang Ronner und Alexander Nawrath.
Da weder auf dem freien Markt noch durch Vermittlung des Referats für Arbeit und Wirtschaft bislang realisierbare alternative Standorte für diese seit Jahrzehnten erfolgreich auf dem SWM-Gelände arbeitenden Betriebe zu finden sind, würde diese Entmietung zwingend ihr wirtschaftliches Ende und die Arbeitslosigkeit für ihre Mitarbeiter bedeuten, so die gewählten Mietervertreter der Bestandsmieter des Kreativquartiers HP8.
Sie haben deshalb alle Stadtratsmitglieder der demokratischen Parteien mit einer kurzen Übersicht der Fakten und Folgen dieser geplanten Vertreibung angeschrieben, um ihre Unterstützung bei der Vermeidung dieser Existenzvernichtung zu erreichen.
„Wir sind der Überzeugung, dass die betrieblichen Bedürfnisse respektive Bequemlichkeiten des Gasteig Interim keineswegs über den existentiellen Bedürfnissen Münchner Bürger stehen - es ist weder moralisch noch politisch vertretbar, wenn sich eine große Münchner Kulturinstitution über das fundamentale Lebensinteresse von Bürgern dieser Stadt stellt”, fassen sie zusammen.

Mieter sehen Bruch von Zusagen

Die Mietervertreter erinnern daran, dass mit dem Vorhaben bestehende Zusagen gebrochen würden: Sowohl die SPD-Fraktion als auch der damalige Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner in Gesprächen mit Bestandsmietern haben 2018 im Zuge der vom Stadtrat beschlossenen sogenannten Konsenslösung deren Verbleib auf dem HP8-Gelände bis Ende des Gasteig Interim zugesagt. Im Vertrauen auf diese verbindlichen Zusagen investierten die jetzt von Kündigung bedrohten Bestandsmieter nicht zuletzt erhebliche Summen in ihre Räumlichkeiten.

Erfolglose Suche

Dominik Krause, 2. Bürgermeister, habe den Mietern angeboten, dass das städt. Referat für Arbeit und Wirtschaft bei der Suche nach Alternativflächen behilflich sei. Diese Suche habe indes kein brauchbares Ergebnis gezeitigt: Dominik Senjak (7 Personen) habe nur ein Angebot bekommen. Allerdings wurde sein Reifenhandel als Mieter abgelehnt. Ramon Wegner (11 Personen) habe nur ein Angebot bekommen. Allerdings wurde sein Beschichtungsbetrieb als Mieter abgelehnt. Wolfgang Ronner (3 Personen) und Alexander Nawrath (2 Personen) haben kein Angebot bekommen.

Das Wirtschaftsreferat floskelt sich heraus

Die Wochenanzeiger haben beim städt. Referat für Arbeit und Wirtschaft nachgefragt: Wieviele Angebote konnten mit Hilfe der Stadt an die Mieter vermittelt werden? Konnten die HP8-Mieter diese Angebote nutzen? Unterstützt die Stadt die HP8-Mieter weiterhin, insbesondere im Zuge der drohenden Übernahme ihrer Flächen durch die Gasteig GmbH?

Dem Referat war die Lage der Bestandsmieter nur eine einzige, anonyme Floskel wert: „Die Wirtschaftsförderung der Stadt München hat den Firmen bereits ihre Hilfe angeboten und steht auch zukünftig bei der Standortsuche unterstützend zur Seite”, schrieb ein(e) Wer-auch-immer aus der Behörde.

    Der Gasteig-Führung werfen die Mietervertreter „Kompromisslosigkeit bei der Durchsetzung ihrer betrieblichen Ziele gegenüber den seit Jahrzehnten erfolgreich im HP8 arbeitenden Firmen” vor. Setzt sie ihre Pläne durch, habe dies zwingend das betriebliches Ende der Betriebe und die Arbeitslosigkeit für 23 dort tätige Personen zur Folge. Die Mietervertreter stellen die Frage: „Ist es legitim, dass in einer zivilisierten Stadtgesellschaft Bürger der Stadt München zum betrieblichen Nutzen der größten städtischen Kulturinstitution alternativlos auf die Straße gesetzt und ihrer wirtschaftlichen Lebensgrundlage beraubt werden?”

    „Die Gesamtsituation für alle Beteiligten hat sich maßgeblich verändert”

    Hier erklärt Stephanie Jenke, Geschäftsführerin der Gasteig München GmbH, die Hintergründe zum HP8-Gelände und beantwortet Fragen der Wochenanzeiger:

    Übernimmt die Gasteig München GmbH die angesprochenen Räumlichkeiten? Und warum / wofür werden diese Räumlichkeiten benötigt?
    „Ursprünglich geplant war ein Rückzug nach Haidhausen in den generalsanierten Gasteig im Jahr 2026. Mittlerweile ist von einer wesentlich längeren Interimszeit des Gasteig HP8 in Sendling auszugehen (Gasteig-Fertigstellung voraussichtlich 2032, Rückumzug/Eröffnung voraussichtlich 2034). Gleichzeitig planen die Stadtwerke München (SWM) auf dem HP8-Areal dringend benötigte Werkswohnungen. Der Bau dieser Werkswohnungen beginnt laut SWM im südlichen Areal bereits 2027.
    Der Gasteig muss daher angemietete Flächen ersetzen, die durch diese Baumaßnahme wegfallen. Außerdem müssen auch Flächen, die bisher noch im Gasteig in Haidhausen genutzt werden, auf dem mittleren Teil des HP8-Geländes untergebracht werden. Diese Räumlichkeiten sind für den erfolgreichen und komplexen Betrieb des Gasteig HP8, der als Kulturzentrum durch seine Vielzahl an (auch kostenlosen) Angeboten ein großer Gewinn für die Stadtgesellschaft ist, erforderlich und müssen aufgrund der engmaschigen Arbeitsabläufe und betrieblichen Erfordernisse vor Ort abgebildet werden. Auch unter dem Gesichtspunkt knapper städtischer Finanzen ist das eine wirtschaftlich vernünftige Lösung. Eine Anmietung von Räumlichkeiten an anderen Stellen der Stadt würde nicht nur massive logistische Probleme hervorrufen, sondern auch wesentlich teurer sein als die Anmietung bei der städtischen SWM.
    Es wurde eine Machbarkeitsstudie für die benötigten Flächen auf dem Areal HP8 in Auftrag gegeben. Diese hat ergeben, dass die angesprochenen Räumlichkeiten am geeignetsten sind, um den Raumbedarf des Gasteig möglichst raumsparend und platzoptimierend abzubilden.”

      Wann soll die Übernahme erfolgen?
      „Im Rahmen der Zeitplanungen der verschiedenen Bauprojekte und in Abstimmung mit der SWM, die Vermieterin der Flächen ist, ist die Übernahme Anfang März 2026 vorgesehen.”

      Wie steht die Gasteig München GmbH zu den den Mietern seinerzeit gemachten Zusagen von Herrn Wagner bzgl. Bestandsschutz?
      „Die Lösung, die bei der Beplanung des Areals gefunden wurde, ging – wie schon gesagt – von einem Rückzug des Gasteig nach Haidhausen im Jahr 2026 aus. Es gab keine Zusagen, da weitere Entwicklungen zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt waren. Aufgrund der Verzögerung der Generalsanierung und des anstehenden dringlichen Werkswohnungsbaus der SWM hat sich die Gesamtsituation für alle Beteiligten maßgeblich verändert.
      Die ursprüngliche Hoffnung der Gasteig München GmbH war, nach einem Auszug des SWM-Ausbildungszentrums die Flächen dort noch für den Rest der Interimszeit nutzen zu können. Diese Option hatte die Gasteig München GmbH aktiv angefragt. Aufgrund der großen Dringlichkeit des Baus von Werkswohnungen wurde sie von der SWM und von der Landeshauptstadt nicht weiter in Erwägung gezogen.”

      Der Gasteig, kulturelles Herz der Stadt. Er macht allen Bürgern Kultur und Bildung auf vielen Ebenen zugänglich. (Foto: Gasteig München GmbH / Johannes Seyerlein)
      Der Gasteig, kulturelles Herz der Stadt. Er macht allen Bürgern Kultur und Bildung auf vielen Ebenen zugänglich. (Foto: Gasteig München GmbH / Johannes Seyerlein)

      „Es passt!” - aber nicht allen

      Der Gasteig muss saniert - und in dieser Zeit ganz geschlossen - werden. Ab 2020 müssen seine „Institute” (u.a. Stadtbibliothek, Volkshochschule, Philharmonie) für vier bis fünf Jahre andernorts untergebracht werden.
      10.10.2017 12:41 Uhr
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