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„Bei uns gibt es keine gute und schlechte Kunst”


Von Tanja Beetz
Beeindruckend: Diese Giraffe von Petra Deschler ist bei „München malt” entstanden. (Foto: Deschler)
Beeindruckend: Diese Giraffe von Petra Deschler ist bei „München malt” entstanden. (Foto: Deschler)
Beeindruckend: Diese Giraffe von Petra Deschler ist bei „München malt” entstanden. (Foto: Deschler)
Beeindruckend: Diese Giraffe von Petra Deschler ist bei „München malt” entstanden. (Foto: Deschler)
Beeindruckend: Diese Giraffe von Petra Deschler ist bei „München malt” entstanden. (Foto: Deschler)

Abstrakt, realistisch, intuitiv, frei: so lässt sich „München malt” umschreiben. In diesem Jahr wird das beliebte Kunstprojekt bereits zehn Jahre alt. Doch das ist für die beiden Organisatoren Nicole und Daniel Eichin kein Grund, die Beine hochzulegen. Schließlich möchten sie auch heuer wieder kleine und große Künstlerinnen und Künstler aus Hadern und darüber hinaus zum gemeinsamen Malen einladen. Die dabei entstandenen Werke werden dann in einer Ausstellung gezeigt, nach dem Motto „Lasst die Farben explodieren”.

„Malen ist eine universelle Sprache. Hier gibt es keine Hierarchie und die Menschen finden einen Zugang zueinander“, erklärte Maler und Kunstpädagoge Daniel Eichin im Jahr 2015 zum Start seines Projekts. Wie sich „München malt” von damals bis heute entwickelt hat, darüber sprach Tanja Beetz mit Nicole und Daniel Eichin.

„Hat mich fasziniert”

Wie kam es zu der Idee und wieviele Menschen haben seither bei „München malt” teilgenommen?

Daniel Eichin: Die Idee entstand während meiner Zivildienstzeit in einem Seniorenheim. Wir haben damals mit Künstlern, Bewohnern und Angehörigen großformatige Gemeinschaftsbilder gemalt – wochenlang und mit viel Geduld. Danach wurden sie an verschiedenen Orten ausgestellt. Das hat mich so fasziniert, dass die Idee zu einem Projekt geformt wurde und sich immer weiterentwickelt hat: gruppenübergreifend in Einrichtungen und schließlich stadtteilübergreifend in ganz München. Heute kommen die Menschen aus ganz Bayern. Die Idee funktioniert im Kleinen genauso wie als Großprojekt. Mittlerweile bieten wir auch Kurse für Kinder und Erwachsene an. So konnten wir bis jetzt ca. 10.000 Teilnehmer begrüßen.

„Keine Zwänge”

Hätten Sie vor zehn Jahren mit so einem Erfolg gerechnet?

Daniel Eichin: Wir wussten schon, dass es viel Arbeit und Überzeugung braucht, Menschen an die Hand zu nehmen, zu motivieren und von den Ablenkungen des Alltags wegzureißen. Aber wir wussten auch, dass es einen großen Bedarf an Events dieser Art gibt. So war das Projekt von Beginn an erfolgreich und das hat mehrere Gründe: einfach gesagt, weil es bei uns keine Zwänge gibt, keine Beurteilung von guter und schlechter Kunst. Das sind alles Spaßkiller und verhindert Kreativität. Wir begleiten die Maler*innen vom leeren Blatt bis zur Ausstellung, individuell und unaufdringlich. Außerdem schätzen viele die Geselligkeit in der Gruppe, sozusagen „Kritzeln mit Klatsch”. Bei der Vernissage, wenn alle Bilder gezeigt werden, dann ist der Stolz und die Freude spürbar.

„Kreativer Flow”

Von Paul Klee stammt das Zitat „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst mach sichtbar”. Was war für Sie das Überraschendste, das mit dieser Aktion „sichtbar” wurde?

Nicole Eichin: Wie sich Synergieeffekte positiv auswirken können. Neue Ideen in der Gruppe entstehen durch den kreativen Flow, Schwarmkreativität, die Stimmung ist super. Die Lust am Malen wird nach Hause getragen und wird nachhaltig. Aggressionen werden abgebaut. Menschen, die sich nicht trauen und Blockaden haben, öffnen sich plötzlich und „explodieren” kreativ.

„Aus ganz München”

In wieviel Stadtteilen gibt es „München malt”?

Daniel Eichin: Die großen Projekte fanden bisher in Hadern, Aubing und Pasing-Westkreuz statt, dorthin sind die Teilnehmer*innen aus ganz München gekommen. Die einrichtungsbezogenen Projekte gibt es in ganz München nach Bedarf. Kurse und Workshops sind in Hadern und Thalkirchen.

„Starten von Null”

Wie hat sich „München malt” im Laufe der Jahre verändert und schleicht sich nicht auch etwas Routine ein?

Nicole Eichin: Unser Projekt beginnt jedes Jahr von Neuem, wir starten praktisch von Null, um uns 100 Prozent und unvoreingenommen auf die Teilnehme*innen einlassen zu können. Ein Werkzeugkasten aus Ideen und Methoden wird jedes Jahr neu zusammengestellt. Wie alle Menschen, verändern wir uns auch laufend, passen das Projekt auf Krisen wie Corona und den Bedürfnissen der Künstler*innen an. In den Anfängen des Projekts haben wir lediglich Material gestellt. Die Einrichtungen und Teilnehmer*innen haben dann frei die Bilder kreiert. Jetzt sind wir Teil des Schaffensprozesses – von der Idee bis zum fertigen Kunstwerk. Wer keine Zeit in der Projektwoche hat, kann auch zu Hause malen und sein Bild für die Ausstellung abgeben. Das Projekt ist flexibler geworden und ermöglicht eine breitere Teilhabe.

„Enkel bis Oma”

Wer kommt zu dem Event und fühlt sich angesprochen?

Daniel Eichin: Unser Credo „Du bist Künstler*in” und „Kunst macht Spaß* soll alle in München ansprechen, keiner wird ausgeschlossen, jeder ist herzlich willkommen. Wir versuchen einen Querschnitt des Stadtteils abzubilden, sozial und demographisch. Zu Beginn des Projekts war der Focus stark auf die kommunalen Strukturen gerichtet, d.h. es kamen Bildungseinrichtungen, Vereine, Polizei etc. Mittlerweile sind die Mehrheit der Teilnehmer*innen Bürger*innen aus allen Stadtteilen, die zum Teil schon Jahre das Projekt begleiten; ganze Familienverbände treffen sich dann zum Malen, vom Enkel bis zur Oma.

„Impuls für zuhause”

Wie motivieren sich die Teilnehmer und kommen zu Ideen und Motiven?

Daniel Eichin: Das berühmte „leere Blatt” kennt jeder und ist die große Hürde, die man überwinden muss. Wir helfen da gerne mit Inspiration und konkreten Vorlagen. Allerdings ist das aus unserer Sicht heute nicht mehr so notwendig, weil viele Teilnehmer*innen unserer Kurse und Projekte sich durch soziale Medien wie Instagramm oder Pinterest über Maltechniken, Motive und Material informieren und gut vorbereitet loslegen. Eine große Motivation ist für viele auch die finale Ausstellung der Kunstwerke. Ein Abschluss, der alle mit großem Stolz erfüllt und einen Impuls geben kann, auch zuhause kreativ zu werden.

Der Zeitplan

Gemalt wird von Montag, 14. April, bis Samstag, 19. April, täglich von 9 bis 12.30 Uhr und von 14 bis 17.30 Uhr im Stadtteilkulturzentrum Guardini90 (Guardinistr. 90). Die Abgabe der Bilder erfolgt am Donnerstag, 24. April, von 17 bis 19 Uhr, und am Freitag, 25. April, von 11 bis 13 Uhr. Die Vernissage ist am Freitag, 2. Mai, um 19 Uhr. Zu sehen sind die Kunstwerke dann bis Freitag, 3. Juni.

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