Doch in Deutschland geht die Zahl der Geburten zurück

Babyboom in München

Seit zehn Jahren kann sich München entgegen dem Trend der Bundesrepublik über einen deutlichen Geburtenüberschuss freuen. Foto: Privat

Seit zehn Jahren kann sich München entgegen dem Trend der Bundesrepublik über einen deutlichen Geburtenüberschuss freuen. Foto: Privat

München · Schnulleralarm in der Landeshauptstadt: Im vergangenen Jahr kamen in München 14.306 Babys zur Welt, so viele, wie seit 40 Jahren nicht mehr. Die meisten Kinder werden laut Münchner Statistik im Oktober geboren, der Dezember gilt als geburtenschwächster Monat des Jahres. Von der Stadt der Singles zur Stadt der Babys? Schon seit der Jahrtausendwende werden in München von Jahr zu Jahr mehr Kinder geboren. Die Stadt verzeichnet seit neun Jahren einen Geburtenüberschuss.

Auf Bundesebene geht die Zahl der Geburten jedoch kontinuierlich zurück. 2009 kamen in Deutschland 651.000 Kinder zur Welt, das bedeutet einen Rückgang zum Vorjahr um 3,6 Prozent. Die Sterbefälle lagen bei 842.000. Damit wurden in der Bundesrepublik vergangenes Jahr 191.000 weniger Kinder geboren, als Menschen verstarben.

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An den Münchnern kann es nicht liegen, denn in den Kreißsälen der Stadt geht es rund. Doch warum ist die Isarmetropole so fruchtbar? Die Ursachen für den Babyboom in München sind vielfältig. Die Stadt legt Wert auf eine gute Kinder- und Familienpolitik. „Wir wollen, dass sich Familien hier wohl fühlen“, sagt Monika Niedermayer vom Sozialreferat. Beispielhaft seien der Ausbau der Kinderkrippen, Mütter- und Elterntreffs, ein umfangreiches Ferienangebot sowie gut ausgebaute Spielplätze. Obwohl eine erfolgreiche Familienpolitik die Stadt viel Geld kostet, habe es nahezu immer einen Konsens in den Parteien gegeben.

Zahra Shabani von der Schwabinger Hebammenpraxis „Mein Baby“ glaubt indes an eine Trenderscheinung. „Schwanger sein ist ansteckend“, sagt Shabani, Hebamme in dritter Generation. „Wenn eine Frau ein Baby erwartet, kommen ihre Freundinnen auf den Geschmack, und schon ist die Nächste schwanger“. Aber es gebe auch viele Wiederholungstäter. „Dritt- und Viertgebärende sind keine Seltenheit“, berichtet die 34-Jährige, die in ihrer aktiven Zeit als Hebamme rund 2.500 Kinder auf die Welt gebracht hat.

Und wie erklärt sich die Wissenschaft den Babyboom an der Isar? „Nach allgemeinen sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass München attraktive Bedingungen für Familien bietet“, sagt Prof. Angelika Poferl vom Institut für Soziologie München. „Die Stadt hat eine hohe Lebensqualität, viel innerstädtischen Wohnraum, aber auch viele Wohnmöglichkeiten im Umland, es gibt Grün in der Stadt und das Einkommensniveau ist vergleichsweise hoch – kurz: In München lässt es sich gut leben.“

Am besten leben lässt es sich offensichtlich im Stadtbezirk 16, denn Ramersdorf-Perlach verzeichnet mit 1.018 die meisten Geburten der Stadt. Aber auch Au-Haidhausen, Neuhausen-Nymphenburg, Milbertshofen – Am Hart, Bogenhausen und Thalkirchen – Obersendling – Forstenried – Fürstenried – Solln beweisen sich als fruchtbare Stadtbezirke.

Poferl weist allerdings darauf hin, dass die Situation nicht für alle so rosig aussieht. Zum Beispiel haben sozial Benachteiligte oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Familien schwer zu kämpfen, um in der Millionenstadt zu überleben. „Kinder sollten kein Luxus für Besserverdienende beziehungsweise Armutsfaktor für Schlechtergestellte sein. Das wäre gesellschaftspolitisch untragbar.“ So weit möchte es die Stadt gar nicht erst kommen lassen: „München ist eine sehr teure Stadt, wir wollen, dass auch Familien mit geringen Mitteln hier leben können“, sagt Niedermayer. Die Stadt biete zum Beispiel frühe Hilfen für psychosozial hoch belastete Familien sowie Konzepte zu gefördertem Wohnungsbau „Unser Ziel ist ganz klar, die Kinder und Familien in der Stadt zu halten“.

Von Stefanie Moser

Artikel vom 10.06.2010
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