Einzige stationäre Radarüberwachung im Richard-Strauss-Tunnel

Bogenhausen · Ausreden zwecklos

Vor der Tunnel-Eröffnung: Die Bogenhausener interessierten sich sehr für die Radaranlagen, die man im Vorbeifahren kaum wahrnimmt. 	Foto: ikb

Vor der Tunnel-Eröffnung: Die Bogenhausener interessierten sich sehr für die Radaranlagen, die man im Vorbeifahren kaum wahrnimmt. Foto: ikb

Bogenhausen · Die meisten merken’s erst beim Leeren des Briefkastens, wenn sie einen hellgrauen Briefumschlag in Händen halten: Sie sind geblitzt worden. War der Blitz früher leuchtend grell, als ob eine Silvesterrakete gezündet worden wäre, kann heute das menschliche Auge den Infrarot-Strahl nicht mehr wahrnehmen: Man ist schneller gefahren als es die Polizei erlaubt. »Nicht angepasste Geschwindigkeit«, so das Amtsdeutsch – diese Erfahrung machen immer mehr Autofahrer im Richard-Strauss-Tunnel.

Sechs Mess-Stellen sind dort wechselseitig einsatzbereit. Vom 14. September 2009 – seit diesem Tag sind die Radaranlagen in Betrieb – bis zum Stichdatum 31. März 2010 wurden 4.686 Verstöße registriert. Bei einem so genannten Verkehrsdurchlauf von 18.318.973 Fahrzeugen entspricht dies aber lediglich einer Beanstandungsquote von 0,024 Prozent. Den Temporekord stellte ein Pkw-Fahrer mit 146 Sachen auf; damit war er 86 Stundenkilometer zu schnell. Bei der Geschwindigkeits-Messanlage in Europas modernstem Tunnel werden sowohl die Bilder als auch die Daten digitalisiert, zwischengespeichert und »dann mittels einer gesicherten Datenleitung direkt an die Auswertestelle in der Bad-Schachener-Straße übermittelt«, erklärt Polizeidirektor Johann Gschoßmann, Leiter der Verkehrsabteilung München, die Funktionsweise des Systems. Ausreden und Ausflüchte jedweder Art von Autofahrern sind logischerweise sinnlos. Auch Behauptungen, der Film im Radarkasten müsse doch mal voll sein, sind im Richard-Strauss-Tunnel passé.

Die zulässige Geschwindigkeit in der 360 Millionen Euro teuren Röhre sowie in den Seitenarmen werden je nach Verkehrslage oder beispielsweise bei einem Unfall elektronisch gesteuert und angezeigt. »In der Regel«, so Gschoßmann, »gilt im Haupttunnel 60 km/h, in den beiden Seitentunnel 50 km/h als zulässig«. Verstöße sind teuer und bringen Punkte in Flensburg. Eine Überschreitung um mehr als 20 km/h kostet 80 Euro (ein Punkt), wer 26 km/h bis 70 km/h schneller als vorgeschrieben fährt, muss ein Bußgeld von 100 bis 680 Euro (drei bis vier Punkte) bezahlen und kann mit bis zu vier Monaten Fahrverbot bestraft werden. Die finanzielle Kehrseite: »Die einzige stationäre Tempoüberwachung Münchens hat 890.000 Euro gekostet«, so der Polizeidirektor.

Das Bayerische Innenministerium finanzierte diese Summe, die verhängten Bußgelder fließen in die Kasse des Finanzministeriums. Führt man sich ein paar Fakten zu Gemüte, verblassen Stammtischfloskeln wie »Kavaliersdelikt« oder »Abzocke«: Mehr als 2,6 Millionen Verkehrssünder hat die Polizei im Freistaat im Jahr 2009 erfasst, 900.000 erhielten einen Bußgeldbescheid, knapp 84.000 ein Fahrverbot, 768 Menschen kamen bei Unfällen ums Leben. In der Landeshauptstadt hat es zwar weniger oft gekracht als noch 2008, registriert wurden immerhin noch 47.220 Unfälle. 799 Personen wurden schwer verletzt, 30 Menschen getötet. Große Sorgen bereitet der Polizei der Seniorenanteil unter den Opfern, die ums Leben kamen. Auch die Zahl der Fahrten in München unter Alkoholeinfluss erschreckt: 4.677 Fälle wurden erfasst.

Angesichts dieser Zahlen tritt der finanzielle Aspekt durch Einnahmen in den Hintergrund. Fachleute schätzen die durchschnittliche Einnahme pro Temposünder auf rund 50 Euro. Die Anlage im Richard-Strauss-Tunnel dürfte sich demnach spätestens im Sommer nächsten Jahres amortisiert haben. Wer indes meint, außerhalb des Tunnels in Bogenhausen aufs Gaspedal treten zu können, der sei gewarnt: Elf Straßen im Stadtbezirk gehören derzeit zum Geschwindigkeits-Messprogramm des Polizeipräsidiums. Und dazu kommen noch laufend Kontrollen mit Laserhandgeräten. ikb

Artikel vom 08.06.2010
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