Vom Landtag in den Kindergarten: Politiker packen an

München · Achtung, Rollentausch!

Die Landtagsabgeordnete und ausgebildete Erzieherin Diana Stachowitz erlebte den Kindergartenalltag mal wieder hautnah. Foto: Privat

Die Landtagsabgeordnete und ausgebildete Erzieherin Diana Stachowitz erlebte den Kindergartenalltag mal wieder hautnah. Foto: Privat

München · Den Morgenkreis in einem Kindergarten leiten, die Nachtschicht in einem Pflegeheim übernehmen oder eine Schuldnerberatung mit Jugendlichen durchführen? Das alles können Politiker bei der Aktion Rollentausch, die von den Wohlfahrtsverbänden vom 23. April bis 2. Mai durchgeführt wird. Dabei fordern soziale Einrichtungen in Bayern Politiker – vom Gemeinderat bis zum Staatsminister – auf, Soziale Arbeit und Pflege in der Praxis kennen zu lernen.

„Sie sollen sich durch einen Besuch und durch Mitarbeit in sozialen Einrichtungen ein direktes und ungeschminktes Bild von der sozialen Wirklichkeit machen“, sagte Prälat Karl-Heinz Zerrle, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern. Der Rollentausch zahle sich für die Politiker aus: „Sie erleben unmittelbar die Notwendigkeit und den Nutzen sozialer Arbeit und Pflege. Sie müssen ja oft Entscheidungen fällen, die Menschen in Not unmittelbar berühren.“

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Landtagsabgeordnete und ausgebildete Erzieherin Diana Stachowitz (SPD) durfte bereits gestern im Kitz Moosach sowie in der Caritas-Kindertagesstätte Edelstein in Ludwigsfeld aushelfen. Für sie ist es wichtig, soziale Arbeit mehr in die Öffentlichkeit zu rücken. „Erzieher müssen bei niedrigem Lohn Enormes leisten“, sagt Stachowitz. „Die Gesellschaft muss akzeptieren, dass diese Dienstleistung eine Zukunftsperspektive ist“. Den Rollentausch unterstützt Stachowitz, weil man „erst den Alltag durchlaufen muss, um zu sehen, wo es Defizite gibt“. Parteikollegin Isabell Zacharias wird die Evangelische Bahnhofsmission unterstützen. Am 28. April wird sie dort eine komplette Frühschicht übernehmen, „weil es gut tut, ab und zu ins reale Leben einzutauchen“.

Joachim Unterländer (CSU), Landtagsabgeordneter München Nord, beteiligt sich bereits seit fünf Jahren an der Aktion Rollentausch. Er hat dabei schon in der Schuldnerberatung, in Integrationskindergärten, einem Pflegeheim, einer Behinderteneinrichtung sowie in einer sozialpsychiatrischen Beratung mitgewirkt. Dieses Jahr wird Unterländer beim Betreuungsverein des Katholischen Jugendsozialwerks mitanpacken. Die Aktion Rollentausch hält er für wichtig, weil sie ihm „hautnah zeigt, welche Probleme die betroffenen Menschen in Sozialeinrichtungen haben. Sie spiegeln die sozialen Probleme in unserem Gemeinwesen damit wider. Außerdem erkennt man bei der Mitarbeit am besten, welche Herausforderungen die einzelnen sozialen Dienste und vor allen Dingen ihre Mitarbeiter haben.“

Auch Franz Maget (SPD), Vizepräsident des Bayerischen Landtags, hat schon des Öfteren am Rollentausch teilgenommen. Dieses Jahr wird er die psychosoziale Beratungsstelle „Blaues Kreuz“ besuchen. Den Rollentausch hält er für eine „hervorragende Idee der Sozialverbände“, Politiker die Bedeutung der Sozialen Arbeit deutlich zu machen. „Wie könnte das besser gehen, als wenn Politiker in sozialen Einrichtungen ihren Dienst tun?“ Vor Ort gewinne man einen ganz anderen Eindruck, als wenn man nur Fachgespräche führt, sagt Maget.

Dr. Annette Bulfon (FDP) wird zum ersten Mal am Rollentausch teilnehmen und am 28. April die Kinderkrippe Merlin im Europäischen Patentamt unterstützen. Die Kinder in dieser Einrichtung haben dort überwiegend internationale Eltern, in der Krippe wird aber ausschließlich deutsch gesprochen. „Als Mutter von vier Kindern, das jüngste gerade sieben Monate alt, möchte ich im persönlichen Gespräch mit Pädagogen mehr Detailkenntnisse zur Situation der Kindertagesstätten gewinnen“, sagt die Politikerin.

Die Aktion Rollentausch gibt es seit 2005: Sie soll eine Chance bieten, Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Arbeit der Einrichtungen zu schaffen, sagt Bernd Hein, Pressesprecher der Caritas Bayern, die den Rollentausch dieses Jahr organisiert. „Was Menschen sehen, erfahren und erleben, das bleibt ihnen im Gedächtnis, ist authentisch und kann sie unmittelbar berühren. Das persönliche Gespräch mit Mitarbeitenden und Klienten soll bei den Gästen Verständnis für die Belange der betreuten Menschen und der Einrichtung schaffen, es soll helfen, Vorurteile und Ängste abzubauen.“

Am Rollentausch beteiligen sich 25 Münchner Einrichtungen. Bayernweit sind es 270.

Von Stefanie Moser

Artikel vom 22.04.2010
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