In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge ungewöhnliche Nachbarn vor

München · Stadt-Menschen

Ein Moosacher als Ironman: Faris Al-Sultan hüllte sich beim Zieleinlauf in die bayerische Flagge. Na, servus!Foto: Tobias Wandinge

Ein Moosacher als Ironman: Faris Al-Sultan hüllte sich beim Zieleinlauf in die bayerische Flagge. Na, servus!Foto: Tobias Wandinge

München · Talib Al-Sultan hatte schon den Glauben an seinen Sohn verloren, als er über den Live-Ticker im Internet den Ironman auf Hawaii verfolgte. Doch Al-Sultans Befürchtungen, sein Sohn Faris könnte den Sieg noch verspielen, waren unbegründet: Der Blick von Papa Al-Sultan war schlicht bei der Damenkonkurrenz gelandet

Bei den Herren ließ sich Faris Al-Sultan den Triumph nicht mehr nehmen: In acht Stunden, 14 Minuten und 17 Sekunden gewann der Münchner den prestigeträchtigsten Triathlon der Welt – und ist seitdem in ganz Deutschland ein gefragter Mann. »Das war schon sehr viel Trubel in den vergangenen Tagen, vor allem für einen Triathleten, der das nicht gewohnt ist«, sagte Al-Sultan gegenüber dem Münchener Wochenanzeiger: »Normalerweise interessieren sich höchstens fünf Leute für mich, jetzt sind es auf einmal fünfhundert.« Der derzeitige Hype um seine Person ändert jedoch nichts an Al-Sultans Meinung, dass er weder einen Manager noch professionelle Vermarktung braucht: »Die zwei Wochen stehe ich das schon durch.«

Typisch Al-Sultan: Seine Bodenständigkeit lässt sich der 27-Jährige nicht nehmen. Anstatt sich von einem Berufstrainer hetzen zu lassen, hört Al-Sultan auf die Tipps seiner Kameraden aus dem Lauftreff und dem Schwimmverein. Auch sein Studium der Geschichte und Kultur des Nahen Ostens an der Ludwig-Maximilians-Universität wird al-Sultan fortsetzen – wenn auch nicht gleich. Al-Sultan müsste jetzt eigentlich seine Magisterarbeit schreiben, woran derzeit natürlich nicht zu denken ist. Ein weiteres Zeichen für Al-Sultans Erdnähe: Noch immer wohnt der 27-Jährige bei seinen Eltern in Moosach. Obwohl die beiden wenig vom Sport ihres Sohns verstehen – Faris’ Angaben zufolge kennen sie nicht einmal den Unterschied zwischen Marathon und Triathlon – haben sie ihn indirekt zum Triathlon gebracht. Weil er von Vater Talib – einem Exil-Iraker – überaus liberal erzogen wurde, suchte er seine Grenzen im Ausdauersport. Mit 16 lief er seinen ersten Marathon – mit gefälschtem Ausweis, da er eigentlich zu jung war. Drei Jahre später absolvierte er auf Lanzarote seinen ersten Ironman.

Al-Sultans Karriere verlief jedoch nicht immer glatt: Bei der deutschen Meisterschaft im Juni 2005 stürzte er vom Rad und zog sich einen Kapselriss sowie eine Platzwunde zu, die mit zehn Stichen genäht werden musste. Auf Hawaii hatte Al-Sultan auch bis zuletzt das Trauma vom Vorjahr im Hinterkopf, als ihm der Kanadier Peter Reid kurz vor Schluss den zweiten Platz wegschnappte. Erst als er die Ziellinie im Blick hatte, begriff Al-Sultan, dass Reid diesmal nicht kommen wird. Das Bild, wie sich Al-Sultan, der sich als Symbolfigur für die Integration von Ausländern in Deutschland sieht, beim Zieleinlauf in die bayerische Flagge hüllte, ging um die Welt.

Seinen Triumph feierte Al-Sultan übrigens ganz unvorbildlich für einen Ausdauersportler: Beim örtlichen »Taco Bell« stopfte er genüsslich mexikanisches Fast Food in sich hinein. Was seinen Sport angeht, ist al-Sultan allerdings lange nicht satt: »Man kann den Ironman schließlich auch mehrmals gewinnen«, meint er und fügt hinzu: »Ich bin jetzt ein Großer, aber ich will ein ganz Großer werden.« Martin Hoffmann

Artikel vom 25.10.2005
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