Kinder an die Macht

München · 40 Jahre - 40 Orte - Mini-München feiert Jubiläum

Freuen sich auf den baldigen Start von Mini-München: Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (2.v.l.) und die Leiterin des Stadtjugendamtes, Esther Maffei (r.) mit Marie, Barbara und Emilian. Foto: hw

Freuen sich auf den baldigen Start von Mini-München: Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (2.v.l.) und die Leiterin des Stadtjugendamtes, Esther Maffei (r.) mit Marie, Barbara und Emilian. Foto: hw

München · Aus der Not eine Tugend gemacht, das hat die Spielstadt München gemeinsam mit ihren Partnern, um auch in Zeiten der Corona-Pandemie Mini-München, das beliebte Ferienprogramm der Stadt München, stattfinden lassen zu können. Das war bei Ausbruch der Pandemie Anfang des Jahres alles andere als sicher, wie bei einer Pressekonferenz Joscha Thiele von Kultur & Spielraum e.V. München versicherte.

Klar war, dass in der bisherigen gewohnten Form Mini-München würde nicht abgehalten werden können. Bisher fand Mini-München an einem zentralen Ort in der Stadt statt. In Vor-Corona-Zeiten wurde diese von über 1.000 Kindern täglich besucht und bespielt. Dass das in diesem Jahr so nicht funktionieren kann, war den Verantwortlichen schnell klar, deshalb wurden anstelle eines zentralen Spielortes gleich 40 über das ganze Stadtgebiet verteilt ins Programm aufgenommen. Zuzüglich zu den 40 Spielorten wird es in jedem der vier zentralen Stadtteile (Ost, West, Mitte und Nord) einen Treffpunkt geben.

Im Norden der Stadt treffen sich die Kinder unter anderem im Olympiapark, in der Mohr- und Seidlvilla, im Zentrum von München wird ein Teil des Rathauses umfunktioniert und auch der Gasteig wird zum Spielort. Daneben wird auch im Ostpark etwas geboten sein und auch im Stadtmuseum, um nur einen kleinen Teil der gewählten Treffpunkte zu nennen. Dennoch werden es nur rund halb so viele Kinder sein, die sich zum gemeinsamen Erleben treffen können als sonst. Denn auch bei noch so großer Spiellust gilt es die geltenden Hygiene- und Abstandsregeln zu beherzigen.

Lob von der Dritten Bürgermeisterin

"Ich bin sehr stolz auf unsere Stadt, dass die es in so kurzer Zeit möglich gemacht hat, diese Spielorte für Mini-München zu finden", erklärte bei einer Pressekonferenz Verena Dietl, Dritte Bürgermeisterin von München überglücklich. Auch sie hat in ihrer Kindheit schon bei Mini-München mitgewirkt und kann sich an die großartige Zeit dort gut erinnern. "Toll, was im Jubiläumsjahr unter diesen Bedingungen auf die Beine gestellt worden ist", betonte Verena Dietl. Das Lob geht aber nicht nur an die verschiedensten Stellen in der Stadt, die hier an einem Strand gezogen haben, sondern auch an die vielen Sponsoren und Ehrenamtlichen, ohne die die Spielstadt in dieser Form gar nicht möglich wäre (auch die Münchner Wochenanzeiger sind langjährige Partner und Sponsoren von Mini-München, Anm. d. Red.). Denn im Gegensatz zu vielen anderen Ferienangeboten ist die Teilnahme an Mini-München kostenfrei.

Auch die Leiterin des Münchner Jugendamtes, Esther Maffei, strahlte angesichts der Tatsache, dass Mini-München stattfinden kann. Von den Kindern und Jugendlichen sei bislang in der Pandemie sehr viel abverlangt worden, ohne dass sie hier ein Mitspracherecht gehabt hätten. Kinder seien aber keine kleinen Erwachsenen, mahnte sie weiter. Ihr Recht auf Freiheit, Bildung, Kultur und Teilhabe müssten wieder in den Vordergrund gerückt werden, betonte sie. Am glücklichsten aber sind die Kinder selber, von denen auch schon im Vorfeld einige "Stammbesucher" von Mini-München an den Vorbereitungen mitgewirkt haben. Dazu gehören Emilian (11), Marie (15) und Barbara (14), die allesamt schon mehrfach mit von der Partie waren. Während es Emilian zum Bauhof zieht, will Marie wieder im Mini-München-eigenen Gericht arbeiten während Barbara auch schon an der Kinder-Uni gelehrt hat. Für jedes Interesse gibt es hier die Möglichkeit sich auszuleben aber sich auch von neuen Interessensgebieten inspirieren zu lassen. Ganz nebenbei lernen die Kinder wie eine Stadt funktioniert, denn wer sich in Mini-München etwas leisten will, muss arbeiten. Dafür gibt es Lohn, den man wiederum in Mini-München beispielsweise in den Restaurants oder Geschäften (allesamt von Kindern geführt und geleitet) ausgeben kann.

40 Standorte bergen neue Möglichkeiten, aber auch neue Herausforderungen. Bei deren Bewältigung hilft den Organisatoren die Tatsache, dass es zur Anmeldung nun eine große Online-Plattform gibt, in der man sich nicht nur registrieren kann und muss, sondern die beispielsweise auch eine Übersicht der freien Stellen bietet oder auch für Online-Bankgeschäfte innerhalb von Mini-München genutzt werden kann. Die Organisatoren des Spiels stellen alle Teilnehmern ausreichend Geräte zur Verfügung, so dass niemand ausgeschlossen wird, weil er kein internetfähiges Handy hat. Auch das wäre ohne Sponsoren undenkbar, berichtet Joscha Thiele.

Sein großer Dank gilt hier Maximilian Rosenmüller, der gemeinsam mit Freunden diese Online-Plattform erstellt hat. Allen gemeinsam ist, dass sie allesamt in früheren Jahren bei Mini-München mitgespielt und mitgearbeitet haben, wobei es Maximilian Rosenmüller damals sogar bis zum Oberbürgermeister von Mini-München geschafft hatte. "Wir wollten einfach etwas zurück geben", meinte Rosenmüller im Namen seiner Mitstreiter bescheiden.

Nun zum Ablauf: Vom 27. Juli bis zum 14. August, können Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 15 Jahren wieder in Mini-München arbeiten, studieren, flanieren, ein Geschäft gründen, ihren eigenen Stadtrat wählen und vieles mehr. Reservierungen wird es keine geben, allerdings werden an manchen Spielorten bereits für den nächsten Tag "Arbeitserlaubnisse" ausgestellt.

Zur Historie: 1979, im „UN-Jahr des Kindes“, hat Mini-München zum ersten Mal stattgefunden. Generationen von Münchner Kindern und Jugendlichen haben sich seitdem in Mini-München einbürgern lassen. Für viele ist es alle zwei Jahre ein Höhepunkt des Sommers. Das kulturpädagogische Modellprojekt ist mehrfach ausgezeichnet worden und hat bundesweit wie international hunderte ähnliche Spielstädte inspiriert. "Eigentlich war in diesem Jahr ein Treffen mit Vertretern ähnlicher Spielstädte aus anderen Ländern geplant, das ist nun ins Wasser gefallen. Jetzt werden wir uns leider nur digital treffen können", berichtet hierzu Marie.

Gespielt wird in Jugendeinrichtungen, in Parks und an authentischen städtischen Funktionsorten, die von den Kindern übernommen werden: Museen, Geschäfte, sogar das Rathaus. Mindestens 600 Kinder und Jugendliche können so in Mini-München täglich Arbeit finden, studieren und Zeit verbringen – und rücken dabei mehr noch als in vergangenen Jahren ins Bild der großen Stadt. Telefonleitungen, Lieferdienste und die genannte neue Online-Plattform vernetzen die Stadtteile und dezentralen Betriebe.

Und so funktioniert die Stadt im Kleinen

Wer mitspielen will, bekommt beim Einwohnermeldeamt und bei den Bezirksämtern von Mini München einen Mitspielpaß. Damit ist man Bürger*in von Mini München, kann arbeiten, studieren und Vollbürger*in werden.

Der Mitspielpaß ist ein persönliches Dokument, für das jede/jeder selbst verantwortlich ist. Bei Verlust fällt eine Gebühr für den Ersatzpaß an. Die Währung von Mini München heißt MiMü und die Geldscheine 2020 sind neu gestaltet. Die MiMüs der Vorjahre haben keine Gültigkeit mehr. Für eine Stunde Arbeit gibt es fünf MiMüs, ein MiMü wird davon als Stadtsteuer einbehalten. Geldgewinne und Geldschenkungen müssen in den Bezirksämtern angemeldet, versteuert und im Mitspielpaß eingetragen werden. Betrug und Täuschung werden geahndet.

An der Hochschule kann man studieren oder selber Vorlesungen halten. Das Studium wird wie Arbeit bezahlt. Die Hochschule bietet Vorlesungen und Kurse in allen Stadtteilen an. An der Hochschule kann man auch als Professor*in arbeiten. Die Studienplätze und die Arbeitsplätzen werden dieses Jahr an den Arbeitsämtern beim Bezirksamt vergeben.

Die Vollbürgerschaft braucht man, sich selbständig machen, ein eigenes Geschäft eröffnen, Grundstücke und Wohnungen mieten, den Führerschein machen und um bestimmte Berufe ergreifen zu können. Sie wird im Bürger*innenbuch im Rathaus eingetragen. Wer sechs Stunden Arbeit, zwei Stunden Studium in seinen Stadtausweis eingetragen und eine Reihe weiterer Anforderungen erfüllt hat, kann in den Bezirksämtern Vollbürger*in werden. Dort erhält man nach bestandener Prüfung die Bestätigung der Vollbürgerschaft im Mitspielpaß. Vollbürgerschaften aus den Vorjahren behalten ihre Gültigkeit.

Wahlen für den Stadtrat, den Bezirksrat und das Amt der/des Oberbürgermeister*in finden einmal die Woche statt. Umfang und Ablauf der Wahlen sind in der Wahlordnung geregelt. Die tägliche Versammlung der Bürger*innen ist das Gremium das neue Regeln beschließt und ändern kann. Eine Bürgerversammlung kann auch von den Bürger*innen selbst einberufen werden, wenn dafür mindestens 50 Unterschriften gesammelt werden.

In Mini München gibt es neben den städtischen auch private Betriebe. Wer ein eigenes Geschäft oder Dienstleistungsunternehmen eröffnen will, muss seinen Betrieb beim Gewerbeamt am jeweiligen Bezirksamt anmelden. Mini München lebt von seinen Bürger*innen und deren aktiver Beteiligung am Spielstadtleben. Jede/jeder Bürger*in ist auch für den friedlichen Verlauf der Spielstadt verantwortlich. Die älteren und erfahrenen Bürger*innen übernehmen Verantwortung für die jüngeren und neuen Spielstadtbesucher*innen. Verstöße gegen die Spielregeln werden vor Gericht gebracht. Die Gefährdung des ordnungsgemäßen Ablaufs von Mini München kann ein Spielstadtverbot zur Folge haben. "Wir freuen uns, dass es nun bald losgehen kann", verrät Joscha Thiele.

Im Jubiläumsjahr gibt es aber auch trotz vieler Turbulenzen gleich zwei Überraschungen in Buchform. Für die Kinder gibt es ein Mitmach-Buch mit Gutscheinen und Spieltipps, für die erwachsenen Leser wird ab Anfang August ein Buch über das pädagogische Phänomen "Mini-München" geben. Mehr Infos über über alle Spielstätten und das Prozedere findet man unter www.mini-muenchen.info hw

Artikel vom 20.07.2020
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