An traditionelles Aufstellen ist nicht zu denken

Schliersee · Heuer ohne Maibaum

So wünschen wir es uns nächstes Jahr wieder. 	Foto: Markus Wasmeier

So wünschen wir es uns nächstes Jahr wieder. Foto: Markus Wasmeier

München/Schliersee · Traditionen und Bräuche gibt es viele in Bayern. Zu einem der bekanntesten und am besten sichtbarsten gehört freilich der Maibaum. Jedes Dorf hat seinen eigenen Baum und ist besonders stolz darauf. Die Handwerker präsentieren sich auf den Zunfttafeln weithin sichtbar und jeder, vor allem auch der Fremde, der zufällig durch das Dorf kommt soll ruhig sehen, was man alles für Betriebe hat.

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Der Maibaum hat einen großen Stellenwert und er steht meist an einem zentralen Ort mitten im Dorf.
Alle fünf Jahre gibt es dann das große Spektakel des Maibaumaufstellens, das ganze Dorf ist auf den Beinen, jeder hilft dazu und allein mit Muskelkraft wird der Baum aufgestellt.

Dieses Jahr ist das natürlich alles anders. Viele Gemeinden verschieben das Aufstellen auf nächstes Jahr. Manche stellen den Baum mit einem Kran und ohne Zuschauer auf, was sicher auch ein komisches Gefühl auslöst.

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Geschichte ist immer auch Detektivarbeit

Trotzdem will ich mich heute ein bisschen mit der Geschichte des Maibaums befassen, denn Traditionen überleben Krisen, sind sogar eine gute Hilfe bei der Bewältigung, denn Bräuche und Gewohntes geben Sicherheit. Übrigens ist das Maibaumaufstellen kein allein bayerischer Brauch, auch in Ostfriesland, dem Rheinland und bis nach Slowenien ist der Brauch bekannt. In Bayern kennt man den Maibaum vermutlich seit dem 15. Jahrhundert, allerdings wurde er damals nicht von der ganzen Dorfgemeinschaft, sondern oft von Einzelpersonen aufgestellt.

Es ist interessant, wie Historiker in solchen Dingen forschen! Richtige Detektivarbeit. Klar, Fotos gibt es nicht. Aber Gemälde oder Stiche. So findet man zum Beispiel auf einem Bild von Starnberg aus dem Jahr 1585 einen Maibaum in der Stadtansicht. Und es gibt weitere Quellen, man kennt das ja aus anderen Bereichen der Geschichte, wo man Steuer-, Kassen- oder Kirchenbücher durchforstet. Auch Gerichtsakten geben oft wichtige Hinweise.

Im Fall des Maibaums gibt es zum Beispiel ein Verbot des Brauches in der Polizeiordnung der Oberpfalz im Jahr 1657, wir können uns also trösten, dass das Aufstellen dieses Jahr nicht zum ersten Mal ausfällt. Aber gehen wir noch weiter zurück, aus dem Jahr 1553 existiert eine Rechnung über den Verkauf eines Maibaumes, also noch vor dem Starnberger Bild. Daran sehen Sie, was solch einfache Dokumente alles über die Vergangenheit erzählen können.

Da es aber sowohl für Aachen als auf für Wien überlieferte Berichte aus dem 13. Jahrhundert gibt, kann man davon ausgehen, dass der Brauch in Bayern auch etwa zu dieser Zeit bekannt gewesen sein dürfte, wenngleich wohl nicht weit verbreitet. Ich finde es auf jeden Fall immer wieder spannen, den Dingen auf der Spur zu sein und dabei ergeben sich oft neue Erkenntnisse und man entdeckt hochinteressante Begebenheiten, nach denen man sonst gar nicht gesucht hat.

Auch beim Rekonstruieren der Historie unserer Höfe im altbayerischen Dorf mussten wir diese Detektivarbeit erledigen und das war nicht immer einfach. Aber das ist eine andere Geschichte, vielleicht können wir da in den nächsten Wochen noch einmal drauf eingehen. Ich wünsche Ihnen an dieser Stelle trotz aller Umstände einen schönen 1. Mai auch ohne Baum. Vielleicht erlaubt das Wetter ja eine kleine Radltour und sie sehen unterwegs einen Maibaum stehen, der sie dann an unsere kleine Detektivgeschichte erinnert.

Schauen Sie dann auch ruhig einmal genauer auf die Zunfttafeln, vielleicht kennen Sie ja alle dort abgebildeten Berufe. Bleiben Sie gesund und zuversichtlich!

Ihr Markus Wasmeier

Artikel vom 24.04.2020
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