Ärger um ein paar Hemdchen

Was darf Satire beim Fußball?

Stein des Anstoßes: Banner in der Fankurve. Foto: Anne Wild

Stein des Anstoßes: Banner in der Fankurve. Foto: Anne Wild

München/Giesing · Auch abseits des grünen Rasens sorgt der TSV 1860 regelmäßig für Schlagzeilen – gewollt und ungewollt. Eine öffentliche Erklärung seiner Geschäftsführer wirkte ungewollt als Kraftverstärker für eine gewollte Protestaktion der Gruppierung Löwenfans gegen Rechts. Die hatte 100 T-Shirts mit dem Motiv eines satirischen Banners aus der Westkurve des Grünwalder Stadions versehen, das vor drei Wochen schon einmal für Aufregung sorgte.

Es trägt neben dem 1860-Wappen und einem stilisierten durchgestrichenen Konterfei von Investor Hasan Ismaik die bekannte Liedzeile »Verdammt, ich lieb‘ dich!« und »Ich lieb‘ dich nicht!« des Schlagerbarden Matthias Reim. Im Songtext geht es um die ambivalente Liebe eines Mannes zu seiner Verflossenen. Die bildliche Darstellung wurde damals akribisch aus dem Hintergrund eines auf der Website des Klubs veröffentlichten Fotos vom Spieltag retuschiert. Nachdem die mutmaßliche Zensur publik geworden war, ließ Ismaik über seine PR-Agentur verbreiten, er habe die Bildbearbeitung nicht beauftragt. »Davon distanziere ich mich. Ich stehe für Meinungsfreiheit in der Löwen-Familie, solange es in einem gewissen Rahmen bleibt.« Die Geschäftsleitung des TSV 1860 vermied es, sich in der Zensuraffäre zu erklären.

Dafür schien den Geschäftsführern der von Ismaik gewährte »gewisse Rahmen für Meinungsfreiheit« verletzt, als die Löwenfans gegen Rechts aus Protest gegen die Bildbearbeitung das Motiv als T-Shirt herausbringen wollten und ihr Vorhaben auf Facebook kundtaten. Der Fall wäre vermutlich einfach in den Weiten des Internets verschwunden, hätten nicht plötzlich Michael Scharold und sein Co-Geschäftsführer Günther Gorenzel mit einer öffentlichen Erklärung für ordentlich Reichweite in den Medien gesorgt. Vom sogenannten Streisand-Effekt scheint man an der Grünwalder Straße noch nichts gehört zu haben.

Man sei »sehr enttäuscht« über die Aktion, ließ man die Löwenfans gegen Rechts wissen. »Mit großem Bedauern und großer Besorgnis nehmen wir in den letzten Wochen eine immer aggressivere Stimmung und immer größere Gräben in unserer Fanlandschaft wahr.« Die Protestierenden würden »eine weitere Eskalation der Situation billigend in Kauf nehmen«, schreiben Scharold und Gorenzel. Weiter heißt es: »Wir distanzieren uns mit aller Deutlichkeit von derartigem Verhalten und hoffen im Sinne der Vernunft, dass die Löwenfans gegen Rechts von dem geplanten Verkauf Abstand nehmen.« Das taten die Gescholtenen dann auch am Spieltag und verschenkten die 100 Hemdchen kurzerhand. Innerhalb einer Minute sollen sie weg gewesen sein.

In einer schriftlichen Stellungnahme der Gruppierung ist vom »Recht auf Meinungsfreiheit und Satire« die Rede, das »für eine lebendige Demokratie unverzichtbar« sei und für das man ein Zeichen habe setzen wollen. Bei den Löwenfans gegen Rechts fühlt man sich vom TSV 1860 wahlweise als »Feigenblatt oder Prügelknabe« missbraucht, während tatsächliche Akteure von »Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen gegen Amtsträger des Muttervereins« weder benannt noch belangt würden.

Mittlerweile hat das Transparent in der Kurve einen Zwilling bekommen. Neben der zweiten Strophe des Schlagers »Verdammt, ich brauch dich!« und »Ich brauch dich nicht!« ist nun auch der Sprecher des Investors, Athanasios »Saki« Stimoniaris, zu sehen.

(as)

Artikel vom 17.04.2019
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