Zieht Verein Antrag auf Ausnahmegenehmigung zurück?

50+1: Überraschender Machtwechsel bei Hannover 96

Losung vieler Fans: Vereine gehören in Mitgliederhand. Archivfoto: Anne Wild

Losung vieler Fans: Vereine gehören in Mitgliederhand. Archivfoto: Anne Wild

München/Giesing · Martin Kind, der als prominenter Kläger gegen die 50+1-Regelung im Deutschen Fußball bekannt ist, musste bei den Wahlen zum Aufsichtsrat des Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. eine schwere Niederlage hinnehmen. Der Unternehmer, dem die Deutsche Fußball Liga (DFL) die von ihm gewünschte alleinige Übernahme der ausgegliederten Hannover 96 GmbH & Co. KGaA bislang untersagt, agiert in Personalunion als Präsident des Vereins, als Hauptinvestor und als Geschäftsführer des Bundesligisten.

In Abu Dhabi und Giesing dürfte man das Verfahren aufmerksam beobachten. Schließlich weisen die Verhältnisse beim abstiegsbedrohten und hoch verschuldeten Bundesligisten Hannover 96 und beim TSV 1860 München strukturelle Ähnlichkeiten auf. Löwen-Investor Hasan Ismaik gilt wie Kind als Gegner des 50+1-Paragraphen im Deutschen Fußball und rief das Bundeskartellamt an. Ismaiks Sprecher, Athanasios »Saki« Stimoniaris, bemüht sich aktuell um das Präsidentenamt in Giesing. Amtsinhaber Robert Reisinger betonte im Dezember 2017 in einem Interview mit der Münchner Tageszeitung tz: »Der TSV 1860 München wird sich während meiner Amtszeit sicher nicht an einer Klage gegen die 50+1-Regelung beteiligen.«

Kind hatte im Herbst 2017 eine Ausnahmegenehmigung von der Investorenregel im Deutschen Fußball beantragt, die den Komplettbesitz eines Klubs verbietet. Sein Antrag fußt auf einem Zugeständnis, das der Verband auf Kinds Betreiben hin bereits im Jahr 2011 formuliert hatte. Demnach soll es Vereinen möglich sein, eng verbundenen Investoren, Mäzenen oder Unternehmen nach zwanzig Jahren ununterbrochener und maßgeblicher Förderung, entgegen der sonst üblichen 50+1-Klausel, die Stimmenmehrheit an ausgegliederten Kapitalgesellschaften zu übertragen. In der Bundesliga ist das bislang bei Bayer 04 Leverkusen, einem Werksverein des gleichnamigen Chemiekonzerns, bei VW in Wolfsburg und bei Dietmar Hopp von der TSG 1899 Hoffenheim der Fall. Nachdem die DFL den Antrag aus Hannover zunächst abgelehnt hatte, steht eine finale Entscheidung des Ständigen Schiedsgerichts über einen Widerspruch Kinds noch aus.

In der niedersächsischen Landeshauptstadt hat die Politik Kinds über Jahre hinweg zu einem schweren Zerwürfnis zwischen Funktionären des Klubs und den Mitgliedern und Fans des Vereins geführt. Kritiker werfen dem Unternehmer einen autokratischen Führungsstil vor. Nach über zwei Jahrzehnten an der Spitze des Vereins hatte der 74-jährige Kind angekündigt, sich 2019 nicht mehr als Präsident zur Wahl zu stellen, aber weiter Geschäftsführer der ausgegliederten Profifußball-Gesellschaft Hannover 96 GmbH und Co. KGaA und Hauptinvestor bleiben zu wollen. Sein Nachfolger im Verein sollte Matthias Herter werden. Doch die Vereinsmitglieder wählten in den fünfköpfigen Aufsichtsrat des Vereins, der nach der 96-Satzung den Präsidenten kürt, überraschend fünf Kandidaten der Initiative »Pro Verein 1896«, die zu den Hauptkritikern Kinds zählt. Durch die veränderten Mehrheitsverhältnisse im künftigen Aufsichtsrat zeichnet sich damit ein anderer Präsident ab. Als Favorit gilt der frühere Fanbeauftragte Sebastian Kramer. Der alte Vorstand und Aufsichtsrat des e.V. wurde von den Mitgliedern nicht entlastet.

Laut Medienberichten will der designierte Präsident Kramer prüfen lassen, ob der Mutterverein den Antrag Kinds auf eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel für die ausgegliederte Profifußball-Gesellschaft wieder zurückziehen kann. Damit wäre das wichtigste Anliegen Kinds ad acta gelegt.

(as)

Artikel vom 25.03.2019
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