Von Giraffen im Schlagloch

Auf den Zahn gefühlt: wie eine Schleißheimerin Zähne in Sambia behandelt

Die Unterschleißheimerin Hanne Kälbli (l.) und der Würzburger Dr. Wolfgang Henke, (m.) griffen Dr. Tina Killian (r.) unter die Arme. Dr. Killian freut sich, dem schönen Land im Süden Afrikas ein kleines Stück zur Verbesserung geholfen zu haben. F: priv.

Die Unterschleißheimerin Hanne Kälbli (l.) und der Würzburger Dr. Wolfgang Henke, (m.) griffen Dr. Tina Killian (r.) unter die Arme. Dr. Killian freut sich, dem schönen Land im Süden Afrikas ein kleines Stück zur Verbesserung geholfen zu haben. F: priv.

Unterschleißheim · Gutmenschen - sie gibt es noch! Bürger, die sich für ärmere Länder einsetzen und dabei ihre Talente einsetzen. Dr. Tina Killian hat eine Zahnarzt-Praxis in Unterschleißheim und untersuchte zwei Wochen lang Zähne nicht im gewohnten Umfeld, sondern in Sambia.

Es ist nicht der erste Auslandseinsatz von ihr. "Eine Freundin hat mir 2015 bei einer Tasse Tee gesagt, dass es ein solches Projekt schon in der Mongolei gibt. Das war mein erster Einsatz."

In Sambia hatte sie die Unterkunft bei einem Münchner. Hermann ist Musiker, der vor dreißig Jahren ausgewandert ist. Der bot sogar Münchner Hausmannskost an. "Einmal hatten wir Schweinsbraten!", erinnert sich die Zahnärztin. Nicht alles in Sambia war schließlich fremd für sie. Am nordöstlichen Zipfel des Kariba-Sees befindet sich die Sandy-Beach-Logde, die Hermann Striedel betreibt und die Ausgangspunkt für die täglichen Einsätze in den abgelegensten afrikanischen Dörfern war. Dort ging sie für eine Zeit ihrem Beruf nach.

Mit reichlich bepackten Koffern nach Sambia

Dr. Tina Killian bekam Unterstützung von einer Unterschleißheimer Zahnmedizinischen Fachangestellten, Hanne Kälbli, und einem Zahnarzt aus Würzburg, Dr. Wolfgang Henke. Die dwlf (Dentists Without Limits Foundation) sorgte für die Organisation ihres Einsatzes. Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung übernahmen die Akteure selbst. Vor der Reise gingen unzählige Materialspenden ein und mit reichlich bepackten Koffern landeten sie in Sambias Hauptstadt Lusaka, von wo sie "auf teilweise sehr abenteuerlichen Straßen" einige Stunden lang zum Kariba-See nach Siavonga zu dem Münchner fuhren. Warum abenteuerlich? Kilian rezitiert einen sambischen Witz: "Welches Tier sitzt in Sambia in einem Schlagloch und nur der Kopf schaut noch raus? – Eine Giraffe." So lässt sich der Zustand der Straßen wohl am besten bildlich darstellen.

Was erwartete sie in den Dörfern? "Bei unseren täglichen Trips in den Busch trafen wir auf sehr viel Armut. Einfachste kleine Hütten aus selbstgemachten Ziegelsteinen, jede Menge Müll in der Landschaft, keine Elektrizität, kein fließendes Wasser, keine Kanalisation, keine Geschäfte, keine bebauten Felder und jede Menge Menschen, die untätig vor ihren Hütten saßen." Genau so muss man sich das Szenario vorstellen, als das Zahnärzte-Team jeweils in einem Dorf, einer Schule oder einer Klinik jeden Tag einen Raum zu einer kleinen Zahnarztpraxis suchte und umgestaltete. "Mit Hilfe von Stirnlampen, tragbaren Saug- und Bohrgeräten und einer großen Kiste voll mit Hebeln, Zange, Spritzen und sonstigen Materialien konnten wir dann täglich Patienten behandeln", sagt sie.

An zehn Behandlungstagen untersuchte sie mit ihrem Team rund 600 Patienten. Zumeist versorgte sie reparable kariöse Defekte mit Füllungen. Zähne mit aussichtsloser Prognose wurden gnadenlos entfernt. Doch das waren nicht alle Tätigkeiten. Hanne Kälbli hatte ihr Clown-Kostüm im Gepäck und zeigte den Kindern, wie man Zähne putzt.

"Kostenlose Hilfseinsätze von außen sind wichtig"

Ihre Gesamt-Diagnose? "Insgesamt war der Zahnstatus der Menschen in den Dörfern wider Erwarten sehr gut. Zuckerkonsum ist in Sambia nicht so sehr ausgeprägt. Das spiegelt sich sofort in der Zahngesundheit wider." Sie weist darauf hin, dass es dort nur in den größeren Städten Zahnärzte gibt. Die zahnärztlichen Leistungen müssen privat bezahlt werden. Im Moment seien kostenlose Hilfseinsätze von außen also sehr wichtig. Möglicherweise funktioniert langfristig das Konzept der so genannten "Dental therapists", die kleinere Behandlungen in den Dörfern durchführen können.

Sie blickt auf eine sehr arbeitsintensive, "aber auch unglaublich beeindruckende Zeit" zurück: "Wir konnten sehr vielen Menschen helfen und haben gleichzeitig Land und Leute kennengelernt. Eindrücke, die wir nie vergessen werden, wie zum Beispiel den Klang eines Gospelchors bei einem zufälligen Besuch eines Gottesdienstes oder das glückliche Lächeln einer Teenagerin im Waisenhaus, der wir die beiden Schneidezähne repariert haben. So etwas ist bei uns in Deutschland eine ganz normale alltägliche Tätigkeit eines Zahnarztes. Aber nicht in Sambia."

Ob sie nun gerne auswandern würde, wie der Münchner Herman, der sie zwei Wochen lang beherbergt hat? "Ich bleibe in meiner Praxis in Unterschleißheim!", sagt sie entschlossen. Eines will sie aber verraten. "Mich juckt es wieder, ich würde gerne wieder nach Afrika fahren! Doch meine Patienten müssen nicht in Panik verfallen: Ich bleibe hier!"

Weitere Infos: www.dwlf.org

Daniel Mielcarek

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Artikel vom 05.12.2018
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