Auf die Dichte kommt’s an

München · Ringstraßen: weniger Emissionen bei fließendem Verkehr

Tempo 50 mit Verweis auf Luftreinhaltung, dahinter ein Blitzer: Auf der Landshuter Allee nimmt die Stadt das Thema ernst. Der Erfolg ist jedoch geringer als erwartet.	Foto: cr

Tempo 50 mit Verweis auf Luftreinhaltung, dahinter ein Blitzer: Auf der Landshuter Allee nimmt die Stadt das Thema ernst. Der Erfolg ist jedoch geringer als erwartet. Foto: cr

München · Als vor fast vier Jahren das Tempolimit auf der mittlerweile bundesweit bekannten Landshuter Allee von 60 auf 50 Kilometer pro Stunde gesenkt wurde, waren davon viele Autofahrer nicht betroffen.

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Sie kennen auf der Strecke zwischen Georg-Brauchle-Ring und Tunneleinfahrt sowieso nur Schneckentempo. Im Berufsverkehr sind die eigens aufgestellten Blitzer nutzlos.

Mittlerweile darf man auch sonst auf dem Mittleren Ring meist nur noch fünfzig fahren. Die Gründe: mehr Sicherheit im Verkehr und Verbesserung der Luftqualität durch weniger Emissionen. Denn der Schadstoffausstoß steigt nachgewiesenermaßen mit zunehmender Geschwindigkeit.

Nach über drei Jahren wollte es Richard Quaas, Mitglied der CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat, genauer wissen. Auf seine Anfrage ans Kreisverwaltungsreferat erhielt er vor wenigen Tagen umfangreich Antwort – mit überraschenden Aussagen.

So erklärte Stadtdirektor Andreas Mickisch, eine generelle Aussage zu Tempo 50 oder Tempo 60 sei nicht möglich. Es komme immer auch auf die Verkehrsdichte an. So würden beim 60-km/h-Limit in dichtem Verkehr sogar weniger spezifische Emissionsfaktoren festgestellt als beim 50-km/h-Limit. Im dichten Verkehr müssen die Fahrzeuge seltener anhalten und anfahren als im gesättigten Verkehr bzw. im Stop&Go-Verkehr.

Gerade das Anfahren ist für höhere Emissionswerte verantwortlich. Auf der Landshuter Allee hätte die Temporeduzierung eine Verringerung der Stickstoff-Dioxid-Konzentrationen zur Folge gehabt, wenn auch nicht im progostizierten Umfang (3 statt 11 µg/m3). Allerdings sei von einem lokalen Effekt auszugehen. Die Aussagen zur Landshuter Allee könnten »aufgrund der unterschiedlichen Verkehrssituationen und örtlichen Gegebenheiten jedoch nicht ohne Weiteres auf andere Bereiche des Mittleren Rings übertragen werden«.

Quaas ist skeptisch. Er bezweifelt den direkten Zusammenhang von Tempo- und Schadstoffreduzierung an der Landshuter Allee. Der CSU-Mann spricht sich gegenüber dem Münchner Wochenblatt dezidiert gegen weitere Temporeduzierungen auf dem Mittleren Ring aus, solange die Luftreinhaltung als Grund für derartige Maßnahmen angegeben wird. Im Gegenteil: »Es wäre auf weiteren Ringstrecken wie dem Frankfurter Ring durchaus erwägenswert, Tempo 60 wieder zu prüfen.«

Das allein kann aber die Verkehrsprobleme auf den Ringstraßen nicht lösen. Quaas spricht sich für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur aus, die in den vergangenen 30 Jahren vernachlässigt worden sei. Eine Entlastung hätten die seit 1996 gebauten drei Ringtunnel gebracht, die die CSU aus der Opposition im Rathaus heraus mit der Bevölkerung durchgesetzt habe. Grundsätzlich spricht sich der Politiker für eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs aus und favorisiert hier vor allem den U-Bahn-Ausbau. »Die Straßenbahn ist nur dort im Neubau wirklich sinnvoll, wo sie die Kapazitäten der Straßen nicht noch weiter verringert«, erklärt Quaas und kritisiert, genau das sei bisher der Fall.

Weil eine Verbesserung der Luftqualität hauptsächlich durch fließenden statt stehenden Verkehr zu erwarten ist, spricht sich Richard Quaas für weitere Tunnelstrecken aus, »wie sie in der Landshuter Allee und dem Englischen Garten schon auf den Weg gebracht sind«. Ein Problem stelle nach wie vor der Durchgangsverkehr dar, den man draußen halten müsse. In diesem Zusammenhang fordert Quaas mit drastischen Worten eine seit vielen Jahren umstrittene Maßnahme: »Es bedarf ohne Zweifel des Ringschlusses der A 99 im Süden. Dazu muss politischer Druck aus München aufgebaut werden. Es geht nicht an, dass ein paar tausend Wohlfühlfetischisten im südlichen Speckgürtel der Stadt ihre Interessen über hunderttausende betroffene Bürger der Stadt stellen, obwohl die A 99 Süd zu 80 Prozent in einem Tunnel verlaufen würde.«

Politisch heiß umstritten ist auch das seit Beginn des Dieselskandals im Raum stehende Dieselfahrverbot innerhalb des Mittleren Rings. Auch dazu hat Quaas eine klare, ablehnende Haltung: »Man entledigt sich eines toxischen Problems, um sich verstärkt ein anderes mit Benzinern einzuhandeln.«

Die ganze Debatte ist so komplex, dass es schwerfällt, den Überblick zu behalten. Nach Meinung des CSU-Stadtrats werde das Problem in Teilen völlig aufgebauscht: »Die Luftwerte heute sind verglichen mit denen vor 10, 20, 30 und mehr Jahren so signifikant besser, dass das Quantensprüngen gleichkommt. Das schlägt sich auch in einer deutlich gestiegenen Lebenserwartung auch in den Städten nieder. Das sollte bei aller Panikmache über ›schlechte‹ Luft nicht vergessen werden.« Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 31.08.2018
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