Böllerwerfer zu 16 Monaten verurteilt

München · Amtsrichterin urteilt: Angeklagter war sich der Tat bewusst

München · Der Einsatz von Pyrotechnik im Fußballstadion ist heftig umstritten. Zweifellos besteht Gefährdungspotenzial bei »unsachgemäßer Handhabung« – und wie soll man Pyrotechnik im Stadion schon »sachgemäß handhaben«? – andererseits sehen viele Anhänger den Einsatz als Teil ihrer Fankultur.

Obwohl Pyrotechnik in deutschen Stadien nicht erlaubt ist, wird sie in der Regel toleriert, so lange sie nicht auf dem Rasen landet oder anderweitig Personen gefährdet oder verletzt. Genau das ist aber einem jungen Fußballanhänger zum Verhängnis geworden. Der 19-Jährige wurde vom Jugendgericht zu 16 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der junge Mann befand sich am 19. Oktober 2016 bei der Champions League-Begegnung zwischen dem FC Bayern München und dem PSV Eindhoven in der mit 70.000 Besuchern ausverkauften Allianz Arena. Gegen 20.53 Uhr zündete er in einem Fanblock der Gäste einen Böller und warf diesen in den unter ihm liegenden Mittelrang. Der gezündete Böller landete dort zunächst auf der Schulter eines Fußballfans und anschließend auf dem Boden. Dort explodierte er. Der Fußballfan erlitt durch die Explosion ein Knalltrauma und leidet seitdem an einem beidseitigen Tinnitus. Durch die Explosion des Böllers wurden weitere Zuschauer verletzt. Zwei Personen erlitten ein Knalltrauma. Ein weiterer Fußballfan hat infolge eines Knalltraumas einen beidseitigen Tinnitus und eine Hochtonschwerhörigkeit am linken Ohr. Bei einer weiteren Person kam es für einige Stunden zu einem Ohrendröhnen einhergehend mit einem Hörverlust. Eine andere Person erlitt nach einem Knalltrauma eine Hörminderung. In der mündlichen Sitzung vor dem Amtsgericht München war der Verurteilte geständig. Nach eigenen Angaben hatte er den Böller von einem anderen Fan im Stadion vor dem Treppenaufgang zugesteckt bekommen. In der Gerichtsverhandlung wurde das Video der Überwachungsanlage im Stadion gezeigt. Darauf war zu erkennen, wie der junge Mann durch einen zielgerichteten Wurf den Böller in den Mittelrang schleuderte, nachdem er sich ein Feuerzeug von einem Umstehenden ausgeliehen hatte und den Böller damit gezündet hatte. Der polizeiliche Sachbearbeiter gab in seiner Vernehmung an, nach seinen Ermittlungen habe es sich wohl um einen Böller mit etwa 1,5 Gramm Sprengstoff gehandelt, einem sogenannten Blitzknallsatz.

Die zuständige Richterin verurteilte den jungen Mann nach Jugendstrafrecht. Sie konnte Reifeverzögerungen nicht ausschließen. In der Begründung erklärte das Gericht: »Die Gefahren, die von einem Böller mit 1,5 Gramm Sprengstoff in einem vollbesetzten Fußballstadion ausgehen, sind erheblich. Diese Gefahren zeigen sich nicht nur in den oben näher beschriebenen konkret verwirklichten Körperverletzungen, sondern darüber hinaus hat ein derartiger Sprengsatz auch ein weitaus erheblicheres Gefährdungspotenzial. Man denke in diesem Zusammenhang insbesondere daran, wenn der Sprengstoff beispielsweise in eine Kapuze oder einen Kragen gefallen wäre oder sich in dem längeren Haar eines Besuchers verfangen hätte und dort zur Explosion gelangt wäre. Auch kann vor dem Hintergrund sich in jüngster Zeit häufender terroristischer Anschläge eine Massenpanik nicht ausgeschlossen werden, wenn urplötzlich ein sehr lauter Knall mitten in der Zuschauermenge ertönt. Auch die Art des Wurfs von unten und das sich danach anschließende demonstrativ unauffällige Verhalten des jungen Angeklagten zeigen, dass er sich des Unwertgehalts der Tat und seiner Dimension umfassend bewusst war.« Der junge Mann war im Oktober 2016 inhaftiert worden und saß bis zur Verhandlung, die bereits im Dezember 2016 geführt wurde, in Untersuchungshaft. Bei der Höhe der Jugendstrafe berücksichtigte das Gericht, dass acht Menschen verletzt wurden und zum Teil noch immer Beeinträchtigungen haben. Da der junge Mann durch die Untersuchungshaft deutlich beeindruckt sei und das Gericht die »feste Hoffnung« hegt, dass er auch ohne Strafvollzug in Zukunft keine Straftaten mehr begehen wird, wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Im Rahmen des Bewährungsbeschlusses untersagte die Richterin dem jungen Mann für die Dauer von einem Jahr die Teilnahme an Fußballveranstaltungen in sämtlichen Stadien. Außerdem muss er an jeden Geschädigten Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 500 Euro zahlen.

Artikel vom 04.03.2017
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