Ein Kommentar von Alfons Seeler

Revanchefoul

Getrübtes Verhältnis: Hasan Ismaik und die Presse. Archivfoto: A. Wild

Getrübtes Verhältnis: Hasan Ismaik und die Presse. Archivfoto: A. Wild

München/Giesing · Der seit Monaten schwelende Zwist zwischen Teilen der Münchner Sportpresse und dem Mehrheitsgesellschafter des TSV 1860 München, Hasan Ismaik, hat ein weiteres Kapitel erhalten. Gleich drei Vertretern Münchner Tageszeitungen wurde von Löwen-Geschäftsführer Antony Power die Saisonakkreditierung für die Heimspiele entzogen. Ein Revanchefoul mit Vorgeschichte.

Bereits nach der Beurlaubung von Ex-Trainer Kosta Runjaic und der Abberufung von Ex-Geschäftsführer Thomas Eichin Ende November 2016 war Ismaik über die Resonanz in den lokalen Medien derart erbost, dass er auf seinem Facebook-Account von einer »Lügenkampagne« und einer »despektierlichen, unverschämten und verlogenen Berichterstattung« sprach. Die gesamte Presse wurde in der Folge für mehrere Tage vom Klubgelände ausgesperrt. Seine Anhänger ließ Ismaik wissen, er vermute »ein dreckiges Spiel zwischen Medien und Hintermännern« und raunte: »Sie versuchen euch über ihre Plattform zu manipulieren […]; der TSV 1860 ist zum Spielball von dunklen Interessen geworden.« Konkreter wurde der jordanische Geschäftsmann nicht, zeigte sich aber überzeugt: »Es gibt Leute im Verein, die Korruption und Plünderung unterstützen.« Ein harter Vorwurf.

Es trat ein, was kommen musste. Die Spekulationen in den Medien schossen in den Monaten darauf erst recht ins Kraut. Dass speziell Boulevardzeitungen dabei selten zimperlich vorgehen, ist wenig überraschend. In der vergangenen Woche erhielten nun die »Bild«-Zeitung, der »Münchner Merkur« sowie die »tz« Post vom amtierenden Löwen-Geschäftsführer Anthony Power. Der Bayrische Journalisten-Verband veröffentlichte Teile des ihm vorliegenden Schreibens. Darin heißt es: »Wir haben uns für diesen Schritt entschieden, da wir aufgrund der Berichterstattung in den letzten Wochen und Monaten derzeit keine Basis für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit sehen. Selbstverständlich werden wir Ihnen im Sinne der Pressefreiheit die Möglichkeit geben, über den TSV 1860 München zu berichten. Zu diesem Zweck können Sie Antrag auf Tagesakkreditierungen stellen.«

Der Entzug des Privilegs einer Saisonkarte bedroht zwar nicht die Pressefreiheit, stellt aber ohne Frage eine Schikane dar. Etliche Vorgänge beim TSV 1860 München dürfen und müssen journalistisch kritisch begleitet werden. Die Art und Weise, in der dies in der Vergangenheit mitunter geschah, wenn in manchen Blättern Kritik schwer von billiger Häme zu unterscheiden war und mit immer gleichem Vokabular das Lied vom »Chaosklub« gesungen wurde, hat die Betroffenen zu einer Maßnahme greifen lassen, die man im Sport als Revanchefoul bezeichnen würde. Keine schöne Sache, aber auch nicht emotional völlig unverständlich. So muss man beispielsweise kein ausgewiesener Freund des umstrittenen Geschäftsführers sein, um eine Schlagzeile wie »Ein Versuch, mit 1860 über Sport zu sprechen – Power zu BILD: Ich schlafe!«, nachdem der Reporter den schlaftrunkenen Mann mitten in der Nacht in Übersee angerufen hatte, als das zu bezeichnen was es ist – eine Frechheit.

Es kann nicht Aufgabe von Sportjournalisten sein, eine partnerschaftliche Beziehung zum Gegenstand ihrer Berichterstattung zu pflegen. Das muss man an der Grünwalder Straße verstehen. Eine andere Meinung ist auch dann auszuhalten, wenn sie im Einzelfall unbotmäßig erscheinen mag. Auf unerwünschte Kritik mit Aussperrung zu reagieren, wirkt weder klug noch souverän. Einige Medienvertreter hingegen dürfen sich kritisch hinterfragen, ob sie noch in der Lage sind, vorurteilsfrei über den TSV 1860 München zu berichten und ihr Tonfall der gleiche wäre, wenn es sich bei Ismaik nicht um einen arabischen Magnaten, sondern um den Vorstandsvorsitzenden eines bayerischen Automobilkonzerns handeln würde.

Alfons Seeler

Artikel vom 06.02.2017
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