Teilen statt Haben?

München · Die »Share Economy« wächst, aber sie kämpft mit Skepsis

Constantin von Günther und Mitarbeiterin Lea Heidekrüger: »Teilen statt Haben« – das Motto der »Share Economy« gilt auch bei Dirndl und Lederhosen.	Foto: scy

Constantin von Günther und Mitarbeiterin Lea Heidekrüger: »Teilen statt Haben« – das Motto der »Share Economy« gilt auch bei Dirndl und Lederhosen. Foto: scy

München · In rund 80 Prozent aller deutschen Haushalte befindet sich eine Bohrmaschine, wie das Statistische Bundesamt weiß. Fragt man danach, wie oft sie im Einsatz ist, kommt man im Durchschnitt auf zwei bis drei Tage im Jahr.

Das heißt: An den anderen 362 Tagen liegt die Bohrmaschine ungenutzt herum. Und das ist nur eines von vielen Beispielen. Zig Geräte verschwinden über lange Zeit in Schränken, Kellern und Garagen. Und die Frage ist: Muss das sein? Wie es anders geht, das zeigt das Konzept der so genannten »Share Economy«, das sich auch in München und Umgebung in den vergangenen drei Jahren etabliert hat. Der Slogan: »Teilen ist das neue Haben«. Constantin von Günther zählt zu denen, die überzeugte Anhänger der »Share Economy« sind. »Meine Bohrmaschine verleihe ich in der Nachbarschaft, es reicht, wenn einer sie hat«, sagt der Münchner. Geld will er dafür nicht: »Ein anderes Mal leiht mir eben einer was«. Von Günther nutzt auch gerne die Angebote professioneller Unternehmen, die sich auf das Verleihen spezialisiert haben. »Ich habe mein Auto aufgegeben«, berichtet er. Ohne die Möglichkeit des Car-Sharings hätte er diesen Schritt wohl nicht gemacht. »Und heute kann ich es mir gar nicht anders vorstellen.« Die Idee des Teilens hat ihn auch zu einer eigenen Geschäftsidee inspiriert. Er bietet einen Verleihservice der sozusagen bayerischen Art: Lederhosen, Tracht und Dirndl für jeden, der sich das nicht selbst leisten kann oder will.

Mein Haus, mein Auto, mein Boot – das also war gestern. Zumindest wenn es nach der jungen Generation der »Digital Natives« geht. Denn die sagen: Statussymbole sind »out«. Und: Teilen ist »cool«. So das Ergebnis einer Studie am Gottlieb Duttweiler Institut in der Schweiz. Wobei aber laut den Umfrageergebnissen noch eine deutliche Lücke zu schließen ist zwischen denen, die das Teilen rein theoretisch gut finden und denen, die tatsächlich teilen wollen. Als Beweis kann auch die Ende Februar eingestellte App »Why own it« genannt werden. Eine mobile Applikation, die für das iPhone entwickelt wurde und die zum regelmäßigen Leihen und Verleihen von Gegenständen an Freunde und Bekannte animieren sollte. Sie ging 2012 an den Start. Der Initiator Philipp Gloeckler über das Aus: »Jeder war sofort bereit, sich etwas auszuleihen, nur wenige wollten etwas verleihen.« Neu ist die Idee der Share Economy nicht. Bereits in den 80er-Jahren propagierte der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Martin Weitzman, dass sich der Wohlstand für alle steigern ließe, wenn wir uns dafür entscheiden würden mehr zu teilen. Und: Gemeinschaftlicher Konsum hilft auch der Umwelt. Reiner Hoffmann gehört zu denen, die die Entwicklung auch kritisch sehen. »Wenn ich einem Urlauber meine Couch vermiete oder jemanden für Geld in meinem Auto mitnehme, dann ist das eine alte Form des Teilens«, sagt der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes. »Was kein Teilen mehr ist: Wenn Wohnungen knapp und teuer werden, weil ganze Straßenblöcke nur noch an Touristen vermietet werden. Oder wenn Konzerne Milliarden verdienen, weil wir andere Menschen in unserem Auto mitnehmen.« Das seien fragwürdige Geschäftsmodelle.

Leihen oder Kaufen? Je teurer der Anschaffungspreis, desto größer dürfte die Überlegung sein, nach einer Leihmöglichkeit zu suchen. Das wird insbesondere im Bereich des Heimwerkens deutlich. »Viele wollen sich nicht nur die Kosten für das Gerät sparen, sondern auch die für den Handwerker«, weiß Erich Perras, der seit zwei Jahren einen Werkzeug- und Maschinenverleih im Münchner Süden betreibt. »Das Lieschen Müller, das den Schrank abschleifen will, gehört ebenso zu unserer Kundschaft wie der Fachbetrieb, der eine Entkalkungspumpe benötigt«, so Perras. Am häufigsten nachgefragt seien Bohrmaschinen, Teppichreiniger und Industriestaubsauger – und sogar auch Rohrkameras. Für den Verleiher bleibt immer auch ein Risiko. Denn, so Perras: »Nicht jeder geht mit den Geräten sorgsam um.« Manche Geräte seien bei der Rückgabe beschädigt oder kaputt. Diese Erfahrung hat auch Constantin von Günther gemacht, »Manchmal kommt die Lederhose in einem Zustand zurück, das kann man sich nicht vorstellen«, sagt der Unternehmer. Eine Grundreinigung ist zwar im Preis inbegriffen. Aber: Bei zu starker Verschmutzung oder irreparablen Beschädigungen haftet der Kunde bis maximal 100 Euro pro Outfit. Das Auto ist eines der beliebtesten Sharing-Objekte. Neu ist: Inzwischen vermieten auch Privatleute ihr Auto. Allein in München machen mehrere tausend Leute mit. »Für einige geht es darum, ein bezahlbares Auto zu nutzen. Andere möchten die Unterhaltskosten des Autos reduzieren«, erläutert Unternehmer Sebastian Ballweg. Ob die Kultur des Teilens sinnvoll ist, muss jeder für sich entscheiden. Ressourcen schont sie sicher.

Artikel vom 10.07.2015
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