Trendsport Roller Derby beim TSV 1860 München

Munich Rolling Rebels: Vollkontakt mit »Prügel Paula«

Frauensache: die Munich Rolling Rebels. Foto: A. Wild

Frauensache: die Munich Rolling Rebels. Foto: A. Wild

München/Giesing · Beim TSV 1860 München tummeln sich seit mittlerweile drei Jahren Amateursportlerinnen unter dem Namen Munich Rolling Rebels beim Roller Derby – einem schnellen Mannschaftskampfsport auf Rollschuhen. Das Spiel stammt ursprünglich aus den USA und findet zunehmend in Europa Anhänger. Die Begegnungen sind ein faszinierendes Spektakel für Aktive und Zuschauer.

Bereits in den 1930er Jahren fanden in Amerika Roller Derby Wettbewerbe statt. Zu dieser Zeit handelte es sich noch um reine Ausdauerrennen, bei denen Sieger wurde, wer als letzter noch auf der Bahn stand. Später folgten Regelwerk und Punktesystem – publikumswirksame Körperkontakte wie Rempeln und Schubsen wurden erlaubt. An die 40 Jahre lang war Roller Derby in den USA ein Publikumsrenner. Seine Stars waren bekannt durch Presse, Funk und Fernsehen. Eine Sache für Profis, die – ähnlich wie beim Wrestling – harte Auseinandersetzungen in Schaukämpfen spielten. Anfang der 1970er-Jahre sorgten jedoch zu viele untereinander konkurrierende Verbände, Organisationen und Shows für eine starke Zersplitterung der Szene und der Sport verschwand in der Bedeutungslosigkeit.

Ein Vierteljahrhundert später feierte Roller Derby überraschend ein subkulturell geprägtes Comeback unter Amateursportlerinnen. Zahlreiche Neugründungen wurden durch weibliche Akteure vorangetrieben, von denen viele eine Verbindung zur US-amerikanischen Hardcore-Punk-Szene und zur feministischen Riot-Grrrl-Bewegung hatten. Die Begeisterung schwappte in andere Länder über. Weltweit gründeten ab den 2000er Jahren Frauen Teams und Ligen. In Europa waren 2006 die London Rollergirls und die Stuttgart Valley Rollergirlz Pionierinnen. Mittlerweile sind in ganz Europa mehr als 200 Vereine am Start – unter ihnen die Munich Rolling Rebels im TSV München von 1860. Die Zuschauerzahl bei Wettkämpfen variiert zwischen 800 bis 1000 Fans in Berlin und immerhin gut 150 regelmäßig Interessierten in München.

Roller-Derby-Teams tragen gerne Namen, die aus ironischen Wortspielereien der Popkultur bestehen oder auf die geografische Herkunft verweisen, wie etwa die Berlin Bombshells, die Roller Girls of the Apocalypse (Kaiserslautern), die Demolition Derby Dolls (Hannover) oder die Bembel Town Rollergirls (Frankfurt). Die mitunter martialischen Namen mögen Uneingeweihte täuschen. Die Teams haben bei aller sportlichen Rivalität ein überaus solidarisches und freundschaftliches Verhältnis untereinander. Bei Auswärtsspielen bieten die Gastgeberinnen ihren Gegnerinnen privat Quartier – man kennt und schätzt sich. Gegenseitige Unterstützung und Respekt sind Grundlage des Umgangs miteinander. Roller Derby stellt für viele der Akteurinnen ein Lebensgefühl dar. Die beabsichtigte Selbstverwaltung – »von Skatern für Skater« – erfordert von den Spielerinnen neben dem normalen Training oft zusätzliche »Komiteearbeit«, um die Sache am Laufen zu halten.

Sportlerinnen und Fans sind sich bei den Wettkämpfen nah – Starallüren nahezu unbekannt. Im Vergleich mit anderen Mannschaftssportarten tragen die Akteurinnen zu ihrer Schutzkleidung, bestehend aus Helm, Ellbogen-, Knie,- und Handprotektoren, eigenwillige Accessoires am Trikot und manche stylen sich mit kriegerischer Bemalung aufwändig für ihre Auftritte. Jede Spielerin besitzt einen selbst gewählten Derby-Kampf-Namen. Bei der Namensfindung ist Kreativität gefragt. Schließlich soll das Alter Ego zur Spielerin passen, Witz haben und gleichzeitig die Gegnerinnen beeindrucken. In den Reihen der Munich Rolling Rebels stehen beispielsweise »Betty Beezarre«, »Fräulein Zunder«, »Frightengail«, »Identity Khrysis«, »Katjez Katapult« und »Prügel Paula« auf der Bahn. Neueinsteigerinnen können ihre Derby-Namen vor der erstmaligen Verwendung im internationalen »Rollergirls Master Roster« auf Einmaligkeit prüfen und registrieren.

Sportliche Vergleichskämpfe werden beim Roller Derby »Bout« genannt und in Europa in der Regel in der Variante »Flat Track« auf einer flachen, etwa 30 × 18 m großen ovalen Bahn ausgetragen. Die Teams bestehen maximal aus 14 Spielerinnen, von denen sich jeweils fünf pro Mannschaft gleichzeitig auf der Bahn befinden. Eine Partie dauert 2 x 30 Minuten und ist in bis zu zwei Minuten lange Spielzüge, sogenannte »Jams«, unterteilt. Der körperlich anstrengende Sport erfordert häufige Wechsel – in der Regel nach jedem Jam. Gespielt wird Roller Derby von Frauen unterschiedlichen Alters und von nahezu jeder Konstitution. Für alle Körpertypen – ob groß, kräftig, klein oder schmal – findet sich eine passende Position, auf der die individuelle Stärke am besten zum Tragen kommt.

Jedes Team verfügt über eine „Jammer“ genannte Akteurin – zu erkennen an einem Stern auf dem Helm –, die einige Meter hinter den Mitspielerinnen auf der Bahn startet. Sie muss versuchen, sich möglichst schnell durch das Feld der anderen Spielerinnen (das »Pack«) hindurch zu kämpfen und sie zu überrunden. Die Spielerin, der das als erste gelingt, trägt den Status der Lead Jammerin. In den nun folgenden Überrundungen können beide Jammerinnen für jede regelgerecht überholte gegnerische Packspielerin einen Punkt erlangen. Die übrigen Spielerinnen (»Blocker«) versuchen den Durchbruch des gegnerischen Jammers durch Körpereinsatz zu verhindern und stattdessen ihrer eigenen Jammerin den Weg frei zu machen. Die Lead Jammerin hat das Recht, den Lauf vor Ablauf der maximalen Dauer von zwei Minuten nach Belieben aus strategischen Gründen abzubrechen, um ihre Gegnerin daran zu hindern, weitere Punkte zu sammeln. Anfangs wirkt das rasante Geschehen für Neulinge etwas chaotisch, aber das ist es nicht. Bereits nach einiger Zeit erschließen sich dem Betrachter taktische und technische Feinheiten.

Ein Bout der Munich Rolling Rebels ist für die Zuschauer ein sportlich, visuell und akustisch attraktives Erlebnis. Die Heimspiele werden in der Städtischen Sporthalle, Eversbuschstraße 124, in Allach ausgetragen. Coole Independentmusik – weit entfernt vom üblichen nervigen Chartgedudel bei Sportveranstaltungen – wabert durch die Halle. Junge Frauen mit extrovertierter Erscheinung zeigen anspruchsvollen harten Sport. Am Abend endet das Ganze in einer temperamentvollen »After Bout Party« mit Gegnerinnen und Fans. Die Munich Rolling Rebels beschlossen ihre Heimspielsaison zuletzt mit einem furiosen Auftritt gegen das B-Team der Rollergirls of the Apocalypse – die Night Terrors aus Kaiserslautern – mit einem Endstand von 216:107. Die Gäste aus der Pfalz vermochten den Rebels nur im ersten Durchgang ansatzweise Paroli zu bieten. Die wendigen und antrittsschnellen Münchner Jammerinnen, allen voran #44 Identity Khrysis und #312 Frightengail, waren von den Gegnerinnen nicht zu stoppen. Münchens Blockerinnen präsentierten sich hingegen hochkonzentriert. Eine geschlossene Mannschaftsleistung, die den Münchnerinnen bereits den fünften Sieg im sechsten Spiel 2014 einbrachte.

Der coolere Verein war der TSV 1860 München in der bayerischen Landeshauptstadt immer schon – mit den Munich Rolling Rebels vielleicht noch ein wenig mehr. Wer Lust bekommen hat mitzumachen oder als Zuschauer bei einem Heim-Derby dabei sein möchte, findet Infos und Termine auf der Website der Munich Rolling Rebels.

Weiterführende Informationen:
www.munichrollingrebels.de
de.wikipedia.org/wiki/Roller_Derby

(as)

Artikel vom 04.09.2014
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