Die wachsamen Augen der Diplomaten

Spielbeobachter sind auf Münchens Amateurfußballplätzen unterwegs

Der 22-jährige Philipp Reisberg (links) möchte durch sein Engagement als Spielbeobachter die Situation auf Münchens Fußballplätzen verbessern. »Ich kann die Tätigkeit besonders Idealisten empfehlen«, meint der 72-jährige Pensionär Wolf Drees. F: privat

Der 22-jährige Philipp Reisberg (links) möchte durch sein Engagement als Spielbeobachter die Situation auf Münchens Fußballplätzen verbessern. »Ich kann die Tätigkeit besonders Idealisten empfehlen«, meint der 72-jährige Pensionär Wolf Drees. F: privat

München · Sie agieren offen oder verdeckt, stehen als stille Betrachter am Spielfeldrand und greifen ein, sollten die Emotionen mal hochkochen: Münchens Spielbeobachter. Seit sieben Monaten werden sie vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV) gezielt bei Amateurspielen eingesetzt, um einen stichprobenartigen Einblick in das Spielverhalten der Münchner Vereine zu gewinnen.

Fairplay München

Aber was sind das für Menschen und was genau sind ihre Aufgaben?
Die Idee, Spielbeobachter einzusetzen, stammt von Horst Winkler, dem Bezirksvorsitzenden des BFV. »Er beauftragte mich mit der Umsetzung und legte somit im Prinzip den Grundstein für die Initiative Fairplay München«, erklärt BFV-Funktionär Bernhard Slawinski. Vor einigen Jahren seien bereits kurzzeitig Beobachter eingesetzt worden, doch erst im Rahmen der Initiative entstand eine konzeptionelle Umsetzung, die Einführung eines umfangreichen Schulungsprogramms und Fortbildungen seien ebenfalls in Planung. »Wir haben aktuell ein Team von vier Personen, das sich jede Woche darüber Gedanken macht, welche Spiele besetzt werden müssen und welcher Spielbeobachter für welches Match geeignet ist«, sagt Slawisnki.

Die Art der Beobachtung hänge ab von Faktoren wie der Häufigkeit von Sportgerichtsfällen, Meldungen der Schiedsrichter und Berichte bisheriger Beobachtungen. »In der Regel werden Spiele, denen wir eine höhere Brisanz zuordnen, offen beaufsichtigt, um präventiv zu agieren. Waren die Mannschaften bislang eher unauffällig, werden die Spiele verdeckt beobachtet, um Eindrücke von den Vereinen und deren Umfeld zu gewinnen.«

Keine »Ersatzpolizei«

Für einige mag sich die Frage stellen: Möchte der BFV ein autoritäres und geheimes Überwachungsorgan etablieren?
»Absolut nicht!«, lacht Bernhard Slawinski, Leiter der Initiative Fair- play München, und versichert: »Wir wollen auch keine Ersatzpolizei vor Ort schaffen. Vielmehr geht es darum, durch die Präsenz von diplomatischen Respektspersonen Eskalationen auf Amateurfußballplätzen zu verhindern.«

Philipp Reisberg (22), Wolf Drees (72) und Gert Mauersberger (60) gehören zum aktuell 35-köpfigen Team der Münchner Spielbeobachter. Sie alle verbindet die Leidenschaft zum Fußball, die Liebe zum Vereinsleben und ihr Engagement für »Fairplay München«. Ihre Motive zur Übernahme dieses Ehrenamtes sind ähnlich. »Ich hielt es schon immer für wichtig, gegen Ausschreitungen im Fußball vorzugehen, weil wir dadurch zu viele junge Schiedsrichter verloren haben«, meint Gert Mauersberger, Schiedsrichter-Obmann des FC Bayern, und ergänzt: »Hier wurde nun durch die Initiative ein geeignetes Programm geschaffen, das dieses Problem an den Wurzeln anpackt.«

Dieser Aussage stimmt auch Wolf Drees zu, der seit über 45 Jahren im Vereinsfußball – ebenfalls hauptsächlich beim FC Bayern – tätig ist: »Ich kann und will nicht verstehen, dass der Amateurfußball in einen schlechten Ruf abrutscht. Man muss in Erfahrung bringen, wo die Ursache liegt – auf dem Spielfeld oder außerhalb?« Philipp Reisberg betont, dass man als Fußballfan und Spielbeobachter das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann: »Ich habe Spaß am Fußballschauen und kann auf diese Weise sogar einen Beitrag zur Verbesserung der Situation auf unseren Sportplätzen leisten.«

Die Zeit, die sie hierfür investieren können, unterscheidet sich beträchtlich: Am aktivsten ist Wolf Drees mit 15 Stunden wöchentlich – was vermutlich auch daran liegt, dass er Pensionär ist. Circa fünf Wochenstunden ist Gert Mauersberger als Spielbeobachter ausgelastet, Philipp Reisberg kommt auf 30 Minuten, da er nebenbei noch aktiver Schiedsrichter ist.

Zeitliche Mindestvorgaben für das Amt gibt es nicht, Bernhard Slawinski freut sich über jede Unterstützung. Wie er erklärt, gilt generell: »Der Spielbeobachter ist circa 30 Minuten vor Spielbeginn auf der Anlage und verlässt in der Regel mit dem Schiedsrichter den Sportplatz. Danach ist er noch ungefähr 15 Minuten damit beschäftigt, einen kurzen Bericht über seine Eindrücke zu schreiben.«

Ein Mindestalter wird ebenfalls nicht verlangt, allerdings »sollte die Person die Gabe besitzen, sich den nötigen Respekt vor Ort zu verschaffen«, sagt der BFV-Funktionär. Philipp Reisberg ist der Meinung, dass Spielbeobachter »Objektivität, Gelassenheit, eine gute Kommunikationsfähigkeit sowie Kenntnisse des Konflikt-Managements« mitbringen sollten. Gert Mauersberger ergänzt diese Auflistung durch »Erfahrung, Zurückhaltung und das Ausstrahlen von Besonnenheit«, Wolf Drees fügt »Aufgeschlossenheit und eine positive Einstellung zur sportlichen Qualität« hinzu.

Alle drei Beobachter versichern, dass sie bei den ihnen zugeteilten Spielen bislang nur positive Erfahrungen gemacht haben. »Bisher war jedes Spiel okay«, sagt Wolf Drees. »Am schönsten ist es, wenn man freundschaftlich von den beteiligten Teams empfangen wird.« Und Gert Mauersberger erinnert sich: »Ein Spiel war mal als absolut konfliktträchtig angekündigt, wurde aber von den Teams fast wie ein Freundschaftsspiel geführt.« Ob das an der Vermutung der Mannschaften lag, dass ein Spielbeobachter anwesend sein könnte? Man kann es nicht mit Sicherheit sagen, doch der Einsatz der Beobachter erscheint sinnvoll.

Selbst Spielbeobachter werden?

Wer mit dem Gedanken spielt, die Initiative »Fairplay München« als Spielbeobachter zu unterstützen, kann sich an Bernhard Slawinski wenden, entweder über die offene Facebook-Gruppe »Fairplay München« oder b.slawinski@fairplay-muenchen.de.

Übrigens: Unter den Spielbeobachtern befindet sich keine einzige Frau. Schade, denn das weibliche Geschlecht eignet sich ebenso für die Aufgabe. Wichtig ist nur, dass man Spaß hat und sich für Fußball interessiert. »Unsere erste Spielbeobachterin lade ich auf eine Flasche Sekt ein!«, verspricht Bernhard Slawinski lachend. E.S

Artikel vom 22.11.2013
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