Interview mit Noor Basha, dem Vertreter von 1860-Investor Hasan Ismaik

„Ich studiere den TSV 1860 München“

Noor Basha. Foto: A. Wild

Noor Basha. Foto: A. Wild

München · Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit Noor Basha, dem Vertreter des Investors Hasan Ismaik, der Mehrheitseigner an der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA ist. (Anmerkung: Das Gespräch fand in englischer Sprache statt).

Noor Basha, Sie leben seit neun Monaten in München, gelten mittlerweile als Sprachrohr Ihres Cousins, der Anteile an der Profitochter des TSV 1860 hält. Was sollte Ihre ursprüngliche Aufgabe beim TSV 1860 München sein?

Ich sollte zunächst als Scout für den Klub arbeiten, diese Position wurde mir angeboten und zugesichert. Geplant war, das solange zu machen, bis ich ausreichend Sprachkenntnisse erworben und den Klub und seine Kultur kennen gelernt habe, um weiterführende Aufgaben übernehmen zu können.

Ihre Anstellung erwies sich als problematisch.

Es klingt vielleicht seltsam, aber gerade durch die Probleme und Auseinandersetzungen habe ich den Klub und sein Umfeld umso intensiver kennen gelernt. Die tägliche Beschäftigung mit immer neuen Problemen hat mich näher an den Verein gebracht. Ich musste mir alles selbst erarbeiten. Wäre ich sorgfältig abgeschirmt und behütet irgendwo als Scout in der Gegend herumgegondelt, ich hätte heute noch keine Ahnung, wie der Klub funktioniert, wer welche Rolle spielt und wie das kulturelle Milieu ist. Was ich im letzten halben Jahr über und durch den TSV 1860 erfahren habe, war hart aber überaus lehrreich. Trotz aller Schwierigkeiten liebe ich diesen Verein mehr als je zuvor.

Wo hätten Ihre Scouting-Aktivitäten stattfinden sollen?

Florian Hinterberger hat einmal erklärt, man habe zwar gute Verbindungen in den deutschsprachigen Ländern, wäre beim TSV 1860 aber international nicht ausreichend vernetzt. Hier hätte ich meine Expertise eingebracht. Ich kenne den afrikanischen Fußball sehr gut und habe viele Kontakte.

Die eigene Nachwuchsarbeit hat in Giesing einen hohen Stellenwert für den Klub – sportlich und für seine Identität. Ist Ihnen das bewusst?

Ja, absolut. Ich weiß auch genau, worauf Sie anspielen. Die Geschichte mit den afrikanischen Spielern, die für die eigenen Nachwuchsleute die Plätze im Profikader und der Reservemannschaft blockieren würden? Glauben Sie mir, das war nie so geplant. Das ist ein Missverständnis. Als Hasan sich vor dem Kauf über den TSV 1860 informiert hat, haben uns die Klubvertreter erzählt: „Wir haben kein eigenes Stadion, wir haben nur eine Zweitligamannschaft, aber wir haben eine hervorragende Jugendakademie, die in Deutschland zu den besten gehört.“ Das wurde uns als absoluter Benefit verkauft. Wieso sollten wir ausgerechnet das Werthaltigste durch eine unbedachte Transferpolitik gefährden? Das war nie und nimmer unsere Absicht.

Der TSV 1860 sollte also nicht als Bühne für Talente aus Afrika dienen?

Nein, zu keinem Zeitpunkt. Ich bin der Ansicht, die Mannschaft sollte immer zu 70 oder 80 Prozent aus einheimischen Spielern bestehen. Das schließt aber nicht aus, dass man in begründeten Fällen das eine oder andere Toptalent hinzuholt, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet. Hier hätte ich gerne mit meinen Kontakten den Handlungsspielraum des Klubs erweitert.

Sie sollen eine Stange Geld gefordert haben...

Es kursieren die abenteuerlichsten Gerüchte über die Summe. Glauben Sie mir, die Höhe meines Salärs war mir gleichgültig. Die Verantwortlichen hätten irgendeine Summe in den Vertrag schreiben können, völlig egal. Die Höhe meines möglichen Verdienstes war mit Sicherheit kein Hinderungsgrund mich einzustellen – da ging es um ganz andere Dinge.

Und zwar?

Man wollte verhindern, dass ich als das Auge und Ohr von Hasan Ismaik unmittelbar im Haus sitze und aus nächster Nähe mitbekomme, wie und was dort gearbeitet wird.

Finden Sie das so unverständlich nach den harten Auseinandersetzungen, die zwischen den Parteien geführt wurden? Immerhin sind Anwälte und Gerichte bemüht worden. Da setzt man sich die Gegenseite nun mal nicht gerne ins Vorzimmer.

Das kann ich nachvollziehen. Trotzdem hätte man meiner Ansicht nach in beiderseitigem Interesse zu einer besseren Lösung kommen können und auch müssen.

Bei vielen Mitgliedern und Fans entstand der Eindruck, Hasan Ismaik hätte die Lizenzverweigerung durch die DFL billigend in Kauf genommen und den Klub sehenden Auges ertrinken lassen.

Hasan hat taktiert. Der Klub auch. Er wollte sprichwörtlich gesagt seinem schlechten Geld nicht noch gutes Geld hinterherwerfen. In letzter Konsequenz hätte er aber zum Wohle des TSV 1860 gehandelt.

Aber nur zu seinen Bedingungen.

Das ist richtig.

Darauf konnten und durften sich die Klubverantwortlichen nicht einlassen.

Er war sich absolut sicher, dass eine Lösung gefunden würde.

Die wurde auch gefunden, indem mit Infront ein weiterer Vermarkter angedockt hat. Ärgert Sie das nicht?

Wie sinnvoll das für den Klub ist, wird die Zukunft zeigen.

War der Investorenseite vor dem Kauf der Anteile das besondere Konstrukt einer deutschen GmbH & Co. KGaA und die damit möglicherweise verbunden Schwierigkeiten klar?

Nicht in vollem Umfang. Dazu haben die Verhandlungen unter zu großem Zeitdruck stattgefunden.

Wie weit sind Sie mittlerweile in die Welt des TSV 1860 eingetaucht?

Ich spreche mit vielen Leuten im Umfeld des Klubs. Ich studiere die Zusammenhänge im Verein, die Klubkultur, die Stadt, das Milieu, die Sprache, die Widersprüche. Das kann komisch wirken, wenn ich dabei gesehen werde, weil zufällige Beobachter vielleicht denken, ah, jetzt spricht er also mit dem und dem, da werden bestimmt Allianzen geschmiedet. Das ist aber nicht so. Glauben Sie mir , ich höre mir viele Seiten und Standpunkte an und mache mir meine eigenen Gedanken dazu. Das ist wichtig für mich, weil ich so den Klub und seine Akteure besser verstehen lerne. Das heißt aber nicht, dass ich alles glaube oder gut finde, was man mir erzählt (lacht).

Stichwort Allianzen: Sie sollen nach dem Rücktritt von Dieter Schneider und der Ablehnung von Hep Monatzeder durch die Delegiertenversammlung mit Erich Meidert paktiert haben, um das Präsidium des TSV 1860 nach Ihrem Gusto zu besetzen.

Das stimmt nicht. Erich war lediglich der Erste im Umfeld des Klubs, der von sich aus auf mich zugekommen ist und mir viel über den Verein und seine ältere und jüngere Geschichte erzählt hat. Er ist ein intimer Kenner des TSV 1860. Durch ihn habe ich wiederum eine Menge anderer Leute kennen gelernt. Ich schätze Erich Meidert als Menschen.

Sie haben ihn nie als Präsidenten gesehen?

Nein. Es war sein eigener Wunsch für das Amt zu kandidieren. Das ist sein gutes Recht, genau wie das jedes anderen Mitglieds im Klub auch. Aber weder ich noch Hasan haben ihn protegiert oder als unseren persönlichen Kandidaten betrachtet.

Immerhin soll Meidert zu Beratungen in Abu Dhabi gewesen sein.

Ja, aber nur zu einem kurzen informellen Gespräch und auch nur deshalb, weil Erich Meidert das gerne wollte. Es war aber weder mein persönlicher Wunsch noch der von Hasan.

Haben Sie die Klage von Helmut Kirmaier oder Erich Meidert gegen die Gültigkeit der Wahl des amtierenden Präsidiums unterstützt?

Nein. Ich wusste zwar, dass diese Auseinandersetzung im Hintergrund stattfindet, man hatte mir davon erzählt, ich habe aber von Anfang an unmissverständlich klar gemacht, dass ich damit nichts zu tun haben will. Gerhard Mayrhofer und sein Präsidium wurden von den Mitgliedern des TSV 1860 mit großer Mehrheit gewählt. Das gilt es zu respektieren. Alles andere hat für mich keinerlei Bedeutung.

Mit Gerhard Mayrhofer haben Sie inzwischen gesprochen?

Ja.

Und wie war’s?

Über Inhalte kann ich Ihnen natürlich nichts erzählen. Aber die Gesprächsatmosphäre stimmt mich optimistisch. Gerhard Mayrhofer scheint mir ein geradliniger Mann mit klaren Vorstellungen zu sein. Ich denke, dass Hasan und er als Charaktere besser miteinander zurechtkommen als die Vorgänger. Auf gewisse Weise sind sie sich sogar ähnlich.

Wie häufig erstatten Sie Ihrem Cousin Bericht?

Täglich. Hasan ist daran interessiert, was in München läuft und lässt sich jeden Tag von mir über Neuigkeiten unterrichten. Verpasse ich es einmal anzurufen, ruft er an und erkundigt sich.

Sie glauben nach wie vor an einen guten Ausgang für beide Seiten?

Ja, absolut. Wir müssen positiv denken!

Warum wurden von der Investorenseite juristische Schritte gegen den Geschäftsführer unternommen? Ist das einer Zusammenarbeit dienlich?

Hier muss man unterscheiden. Auf der einen Seite ist es richtig, dass kein Gericht der Welt unsere Probleme lösen kann. Das können wir nur selbst tun. Auf der anderen Seite muss man manchmal Rechtssicherheit herstellen, um keine wirtschaftlichen Nachteile zu erleiden. Zumindest nicht mehr als ohnehin schon geschehen.

Sie glauben, der TSV 1860 wirtschaftet nicht richtig?

Das will ich nicht gesagt haben, aber ich möchte Ihnen ein kleines persönliches Beispiel geben. Über das Vermarktungsunternehmen HI2, an dem ich mittlerweile Anteile halte, stehen mir bis zu acht Business Seats zu. Ich könnte also Freunde und Bekannte einladen, mich zu den Spielen in die Arena zu begleiten. Ich tue das aber nicht, sondern bitte die Leute, wenn sie mitkommen wollen, für die Karte zu bezahlen. Wir brauchen Umsatz im Unternehmen und müssen alle dafür arbeiten. Ich habe ein Wort gelernt in Deutsch, das heißt „Freibiermentalität“. Davon muss man weg, das bringt nichts und zieht die falschen Leute an. Wir brauchen starke Unterstützer für die gemeinsame Sache TSV 1860 München. Dann geht es vorwärts.

Interview: Alfons Seeler

Artikel vom 13.08.2013
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...