Ägyptisches Museum zieht in »angemessene« Räume

Maxvorstadt · Platz für die Kunst

Restaurator Michael Pfanner (links) und Kollegen hängen die ersten Objekte im neuen Museum auf, hier eine sogenannte Scheintür zum Jenseits.	Foto: Museum

Restaurator Michael Pfanner (links) und Kollegen hängen die ersten Objekte im neuen Museum auf, hier eine sogenannte Scheintür zum Jenseits. Foto: Museum

Maxvorstadt · Das Vorhaben ist klar formuliert: »Keinen Tag München soll es ohne Ägypten geben.« Das hat sich Museumsdirektorin Sylvia Schoske fest vorgenommen. Guter Plan, wenn da nicht die typischen Unabwägbarkeiten eines so großen Neubaus wären.

Hier allerdings muss gesagt werden, dass die neuen Räumlichkeiten an der Gabelsbergerstraße 35 schon bereitstehen, in denen das Ägyptische Museum – mit derzeitigem Sitz im Nordflügel der Residenz – »möglichst übergangslos« untergebracht werden soll. Trotzdem nannte Schoske den 10. Juni als Eröffnungstermin nur mit, wie sie betonte, »aller Vorsicht«. Man wisse ja nicht, was noch dazwischen kommen könne. Wenn Museen umziehen, darf man sich das freilich mitnichten so vorstellen wie einen gewöhnlichen Umzug. Bereits seit einem halben Jahr werden die fragilen Ausstellungsstücke von A nach B transportiert. »80 Prozent aller Objekte sind bereits am neuen Standort, allerdings die meisten noch nicht montiert, da liegt noch ein großes Stück Arbeit vor uns«, berichtet Michael Pfanner, verantwortlicher Restaurator.

Im neuen Museum sollen möglichst alle Stücke die gleiche Aufhängung bekommen, um einen geschlossenen Gesamteindruck zu vermitteln. »Nicht so ein Durcheinander, wie wir es jetzt teilweise haben.« Was vor allem mit den bisher beengten Räumlichkeiten in der Residenz zu tun habe. »So romantisch es dort ist, es war einfach nicht angemessen«, so Pfanner. Nun habe man eine dreimal so große Ausstellungsfläche zur Verfügung. Dieses Mehr an Raum sei genau richtig: »Die Ägypter brauchen Platz.« Das Monumentale liege in ihrer Kultur. Inzwischen gehören rund 8.000 Objekte zum Gesamtbestand, gut 1.000 davon könne man derzeit gleichzeitig ausstellen, in Zukunft sollen es etwa doppelt so viele sein. Bis dahin ist es unter anderem wichtig, in den Ausstellungsräumen ein stabiles klimatechnisches Niveau zu schaffen – das ist feinste Justierarbeit – und Restaurierungen an besonders gefährdeten Objekten durchzuführen. »Wir nutzen die Zeit des Umzugs, auch hier geht die Arbeit nicht aus«, so Pfanner. »Es gibt Listen über Listen.«

Bei Inaugenscheinnahme des Bestands tauchten auch einige bisher ungenügend restaurierte Fundstücke auf, die noch nie gezeigt wurden und auf die sich die Münchner in den nächsten Jahren freuen dürfen. Außerdem werden Highlights wie der einzig freistehende Obelisk Deutschlands, ehemals im Hofgarten aufgestellt, gezeigt. Sein Umzug war spektakulär. Der Obelisk wurde von einem riesigen Baukran durch die Decke eingelassen, die dann wieder verschlossen wurde. Auch ein ganz besonderes Stück ist die Venus von Meroe, eine etwa 60 Zentimeter große Statue, mit noch komplett intakter Malerei. »Sowas gibt es kein zweites Mal«, urteilt Pfanner. Überhaupt, das Ägyptische Museum in München könne sich, wie er sagt, weltweit mit den Besten messen.

Die zukünftige Ausstellungsfläche hat eine Größe von insgesamt rund 2.200 Quadratmetern. Davon 1.800 Quadratmeter für die Dauerausstellung und 400 Quadratmeter für Sonderausstellungen. Die Kosten des unterirdischen Baus fallen mit 100 Millionen Euro gemeinsam in den Topf, der auch für die Hochschule Film und Fernsehen (HFF) herhalten musste: Damals war es Aufgabe des Architektenwettbewerbs auf dem Areal sowohl die HFF als auch das Ägyptische Museum unterzubringen. Aus städtebaulichen Erwägungen wollten die Architekten der Alten Pinakothek einen im Volumen vergleichbaren Komplex gegenübersetzen und dazwischen kein weiteres Gebäude entgegen stellen – so kam die Idee, mit dem Museum unter die Erde zu gehen. Mit einem weiteren Nebeneffekt: Man hat das Gefühl, auf den Stufen nach unten in die Grabkammer eines Pharao zu steigen.

Ein Neubau war längst überfällig

Doch warum überhaupt ein neues Museum? Im Grunde war es längst an der Zeit, denn der Standort in der Münchner Residenz war von Anfang an, genauer seit 1970, als Provisorium gedacht. »Es fehlt dort jegliche Infrastruktur für Besucher, die Räume sind nicht behindertengerecht, die Einrichtung entspricht nicht dem Standard eines Museumsbaus, es fehlt beispielsweise eine Klimaanlage«, so Schoske. Der neue Komplex mache auch neue Konzepte möglich. Das Museum werde künftig nicht mehr chronologisch, sondern thematisch aufgebaut, etwa zu den Themen »Sprache und Schrift«, »Jenseitsglauben« und »Kunsthandwerk«. Erstmals könnten alle Highlights aus 5.000 Jahren Geschichte von der Vorzeit bis in die Spätantike präsentiert werden, hinzu kommen Objekte aus dem antiken Sudan und dem vorderen Orient. Auch neu: ein eigener Vortragssaal, ein Museumsshop, Räume für Pädagogik und Wechselausstellungen.

Doch bis es so weit ist, kommen Ägypten-Fans auch am alten Standort auf ihre Kosten: Während im Neubau die künftige Dauerausstellung aufgebaut wird, werden im alten Gebäude andere Sammlungsexponate gezeigt. Vom 16. Januar bis 9. Juni zeigt die Ägyptische Staatssammlung an der Hofgartenstraße die Ausstellung »Reise in die Unterwelt – Altägyptische Jenseitsvorstellungen«. Die Rekonstruktion einer thebanischen Grabkammer aus dem 13. Jahrhunder vor Christus steht dabei im Mittelpunkt.

Ist der Umzug dann über die Bühne gebracht, werden die Räume in der Residenz übrigens nicht lange leer stehen. Laut Plänen der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung sollen dort Originale von Renaissance-Bronzen aus dem Besitz der Residenz gezeigt werden. scy

Artikel vom 15.01.2013
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