Albrecht Ackerland im Münchner SamstagsBlatt über Winterzweifel

München · „Da schau her!“ Skitourismus

München · Meine schönsten Verletzungen hatte ich stets beim Ski fahren. Deshalb bin ich ja auch so ein begeisterter Alpinwintersportler. Da spürt man sich noch richtig!

Wo hat man das denn heute sonst noch? Wer sich verletzt, eine kleine Zerrung vielleicht oder ein nettes Miniskusserl, der ist ganz bei sich. Daran hapert’s ja in der heutigen Zeit: Die ganze Hektik, die Milliarden an Sinneseindrücken in Sekundenbruchteilen, sie alle lassen uns kaum verschnaufen. Da kommt ein wohliges Schmerzerl auf der Piste mit feinstem Panorama, anschließender Gaudiflug im Helikopter und schließlich Holzklassen-Wellness in der Unfallklinik als Kassenpatient gerade recht. Die Holzklasse ist dabei wichtig, sie ist die gefühlige Schwester des Pistenschmerzes, sie zeigt einem, dass wir Menschen alle gleich sind, erst mal, und nur manche gleicher. Die freilich liegen ganz woanders. Einzig eine Versicherung für den Helikopterflug ist wichtig. Das kann einem schon schnell ein Loch ins Budget reißen, das eigentlich für Bestattungskosten und Grabpflege vorgesehen war – später, versteht sich.

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Zurück auf die Piste. Da Sie ja nun wissen, warum ich so ein leidenschaftlicher Alpinist bin, muss ich nun auf ein leidiges Thema zu sprechen kommen, das mir meinen ganzen Spaß am Leid raubt. Nein, ich meine nicht die Helme, die mittlerweile das komplette Pistenvolk verschandeln, aber unbedingt notwendig sind. Denn der überwiegende Teil der Menschen fährt mittlerweile derart schlecht Ski, dass ich mir schon fast überlege, nur noch vollgepanzert auf die Piste zu gehen. So sehr eine kleine Zerrung Spaß macht und wichtig ist für die Entschleunigung in diesen Zeiten des Umbruchs – einen Schädelbasis- oder Oberschenkelhalsbruch möchte ich dann doch eher sehr gerne vermeiden. Gerade solche Verletzungen aber, die nun nicht mehr zum Kanon der Gaudikratzer zählen, drohen gefühlt mehr und mehr zu werden, seitdem sich kaum einer mehr um die Pistenregeln schert und dafür mit Vollkaracho hinter der Kurve einem langsam in die Spur gleitet. Dass ich Helm trage, liegt vor allem an den anderen. Nun aber zum versprochenen Thema, das leidige.

Ich kann ja verstehen, dass der Skitourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Regionen ist. Auch ich liebe sogenannte Schneesicherheit, schätze neue, komfortable Lifte. Aber: Wem gehören die Alpen eigentlich? Der Geldmacherei sicher nicht. Und wer ist, egal wo, wie, wann daran beteiligt, dass sich das Klima so erwärmt, dass es so oft an original geschneitem Schnee mangelt, und wir deshalb etwa am Sudelfeld nun unbedingt einen Stausee mitten in den Bergen brauchen, damit das Wasser für den Kunstschnee reicht, wer war das noch mal, der sein schönes Kohlendioxid so fleißig hergibt, damit’s wohlig wärmer wird? Die Geldmacherei vielleicht?

Artikel vom 07.12.2012
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