hpkj-Jugendrat präsentiert sich bei den Hofflohmärkten

Maxvorstadt · Zeigen, wer wir sind

»Wir müssen uns nicht verstecken«: Der hpkj-Jugendrat verkauft bei den Hofflohmärkten Kaffee und Kuchen und freut sich auf die Besucher. Foto: scy

»Wir müssen uns nicht verstecken«: Der hpkj-Jugendrat verkauft bei den Hofflohmärkten Kaffee und Kuchen und freut sich auf die Besucher. Foto: scy

Maxvorstadt · Auch in der Maxvorstadt werden wieder Hunderte unterwegs sein, um nach alten Büchern, außergewöhnlichen Möbelstücken und originellen Second-Hand-Klamotten zu stöbern: Am Samstag, 26. Mai, finden die Hofflohmärkte statt. Bei der stundenlangen Suche tut es natürlich gut, die Beine auszuruhen und sich zwischendurch bei Kaffee und Kuchen zu stärken.

Und hier gibt es in diesem Jahr zum ersten Mal ein ganz besonderes Angebot: Im Jugendhaus der heilpädagogisch-psychotherapeutischen Kinder- und Jugendhilfe (hpkj) an der Adalbertstraße 86 ist eine gemütliche Ecke mit Biertischen aufgebaut, ein Mini-Café im schönsten Grün, wo Jugendliche zu selbstgebackenem Kuchen Kaffee ausschenken. »Wir freuen uns auf die Leute«, sagt der 15-jährige Kamil. »Und wir wollen zeigen, dass wir auch etwas auf die Beine stellen können.« Monika, 17 Jahre alt, nickt. »Viele denken, Jugendliche würden sich ständig nur schlägern. Dabei sind wir überhaupt nicht so drauf.« Vorurteile gegenüber Jugendlichen gibt es genug. Oft wird darüber geschimpft, sie seien faul, sie würden Krawall schlagen, sie hätten kein Benehmen. »Und Heimkinder sind da besonders stigmatisiert«, weiß Sabine Eibl, Partizipationsbeauftragte bei hpkj.

Münchens Hofflohmärkte

Seit fast 25 Jahren finden in dem therapeutischen Heim in der Maxvorstadt 18 männliche und weibliche Jugendliche ein neues Zuhause. »In den vielen Jahren gab es relativ wenig Ärger mit den Nachbarn, trotz der durchaus intensiven Klientel«, so Geschäftsführerin Angela Bauer. Woran das liegt? »Wir sondern uns nicht ab, wir kommunizieren mit den Nachbarn, integrieren uns in die Wohngegend.« Zudem sei die Atmosphäre im Jugendhaus geprägt von einer respektvollen und partizipativen Pädagogik. »Wir sind immer offen für Anregungen und Kritik«, sagt Bauer. So gibt es nun auch Strukturen für die Mitbestimmung der betreuten jungen Menschen: Einen Jugendrat mit momentan zehn Jugendlichen, der bei Entscheidungen befragt und hinzugezogen wird, ein eigenes Budget erhält und eigene Aktionen für und mit den Bewohnern planen soll. Ein erster Schritt nach draußen, dem noch viele folgen sollen, ist nun die Beteiligung beim Hofflohmarkt in der Maxvorstadt. Nebeneffekt: Mit dem Erlös soll die Kasse des Jugendrats aufgebessert werden und beispielsweise einen gemeinsamen Ausflug finanzieren. Es gibt übrigens nicht nur besonders leckeren Kuchen – der Jugendrat steht gemeinsam mit Mitarbeiterinnen der Einrichtung für alle Fragen zur Verfügung. »Wir wollen und müssen uns nicht verstecken. Wir können stolz zeigen, wer wir sind«, sagt Sabine Eibl. »Außerdem macht es Spaß, diese Veranstaltung gemeinsam vorzubereiten«, sagen Marita, 15, Julia, 18, und Luise, 17. Die hpkj steht unermüdlich an der Seite von Kindern und Jugendlichen, die in einem problematischen familiären Umfeld leben. »Oft genug sind die Umstände, in denen junge Menschen aufwachsen, nicht gerade optimal«, so Angela Bauer.

Familien rutschen in die Armut ab

Räumliche Enge, lückenhafte Kenntnisse, unzureichende Informationen, fehlende Erfahrung oder mangelnde Tatkraft können unter anderem die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen behindern. Besonders problematisch: Es gibt immer mehr Familien, die in die Armut abrutschen. In all diesen Situationen gilt es, die Betroffenen nicht alleine zu lassen. Als Träger der Kinder- und Jugendhilfe bietet die hpkj ein breit gefächertes Hilfsangebot, von stationären über teilstationäre bis hin zu ambulanten Betreuungsformen wie das »hpkj ambulant« an der Emanuelstraße 26. »Es gilt, diese Formen sinnvoll und passgenau einzusetzen, um die Familien an der richtigen Stelle zu unterstützen und bessere Entwicklungschancen für die jungen Menschen zu ermöglichen«, so Bauer. »Wieder neu in Beziehung zueinander zu kommen ist das Ziel unserer Arbeit mit der Familie.« Etwa in Einzelgesprächen oder in familientherapeutischen Sitzungen. Egal ob das Ziel der Jugendlichen »eigene Wohnung« oder »zurück zu den Eltern« lautet, »gemeinsam legen wir die jeweils notwendigen Voraussetzungen fest und verfolgen konsequent ihre Umsetzung«, sagt Bauer. Wenn es so weit ist, sorgt das Jugendhaus für die Weiterbetreuung durch eine vertraute Fachkraft – zu Hause, im Einzelbetreuten Wohnen oder in der therapeutischen Wohngemeinschaft.

Bei Gefahr schnell reagieren

»Lange Zeit galt die Maxime: Kinder so lange wie möglich bei den Eltern lassen«, erklärt Bauer. »Heute reagieren die Zuständigen schneller, wenn Gefahr besteht.« Dennoch, der Blick solle sich nicht verengen, schließlich gebe es nicht ausschließlich Problematisches. »Viel zu wenig wird darüber gesprochen, dass viele junge Menschen mit schwierigen Biografien ihr Leben meistern«, so Angela Bauer. Sie wünscht sich, dass auch die vielen Erfolge in den Fokus rücken, denn die seien wesentlich zahlreicher als die Einzelfälle, die beispielsweise in die Kriminalität abrutschen. »Die Gesellschaft sollte Jugendliche nicht vorschnell aufgeben, ihre Talente nicht unterschätzen, sondern ihnen wieder mehr zutrauen«, fordert Bauer. Sie sei immer wieder beeindruckt, was Jugendliche schaffen, wenn da jemand ist, der an sie glaubt. Gleichzeitig fordert sie, dass auch Unangepasstsein erlaubt sein müsse – ohne dass das sofort problematisiert würde. Man dürfe nicht erwarten, dass sich jeder Jugendliche automatisch in einem Jugendzentrum wohl fühle oder in einem von Erwachsenen angeleiteten pädagogischen Angebot. »Rebellion ist ein Charakteristikum von Jugend, die meisten haben das nur leider vergessen«, so Bauer. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 22.05.2012
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