Babys fliegen umsonst – aber einen Platz brauchen sie!

Amtsgericht hat entschieden

München · Liegt ein Reisemangel vor, wenn eine Mutter auf einem elfstündigen Flug ihr einjähriges Kind auf dem Schoß behalten muss? An dieser Frage schieden sich die Gemüter während eines Prozesses im Amtsgericht.

Eine vierköpfige Familie hatte im August 1999 eine Pauschalreise inklusive Flug und Hotel nach Mauritius gebucht. Der Reisepreis betrug 3.055 DM für jedes der beiden Elternteile, 1.194 DM für den siebenjährigen Buben und für das damals einjährige Töchterlein war lediglich eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 20 DM für die Buchung zu entrichten.

Kinder unter 2 Jahren werden regelmäßig in Begleitung der Eltern kostenfrei transportiert, haben aber im Gegenzug keinen Anspruch auf einen Sitzplatz während des Fluges. Bei der Buchung ließen die Eltern die Sitzplätze A, C und D in Reihe 9 reservieren. Die Mitarbeiterin des Reiseveranstalters hatte die Auskunft erteilt, dass sich in dem für den Flug Frankfurt/Mauritius benutzten Flugzeugtyp die Babykörbchen in der Reihe 9 befänden.

Tatsächlich befanden sich die Babykörbchen aber in der Sitzreihe 6, wie sich für Reisenden allerdings erst beim Einchecken herausstellte. EIn Änderung der Platzzuweisung oder eine Umbuchung des gesamten Fluges war nicht mehr möglich. Die Mutter war gezwungen, ihre einjährige Tochter während des gesamten, elfstündigen Fluges auf dem Schoß zu halten.

Sie war der Meinung, dieser Umstand sei deutlich schwerwiegender als beispielsweise die Zuweisung einer niedrigeren Comfortklasse, der Reisepreis sei für sie um 20 Prozent also um 611,- DM zu mindern.

Der Reiseveranstalter lehnte diese Forderung ab, worauf der Ehemann, der für seine ganze Familie gebucht hatte, diesen Betrag vor dem Amtsgericht München einklagte. Der beklagte Reiseveranstalter trug vor, dass ein Anspruch auf eine ganz spezielle Sitzplatzreihe nicht bestünde. Ein geäußerter Wunsch nach einer Reihe mit Babykörbchen werde nach Möglichkeit berücksichtigt, dies sei aber nicht Vertragsgegenstand.

Da zudem die gebuchte Reihe auch für die Familie zur Verfügung gestellt wurde, läge ein Reisemangel nicht vor. Im Reiseprospekt werde, was zutrifft, darauf hingewiesen, dass Kleinkinder unter 2 Jahren, keinen Anspruch auf einen Sitzplatz haben. Die Zivilrichterin, die diesen Rechtsstreit zu entscheiden hatte, stellte folgendes fest: Eine Angestellte der Beklagten hat die Auskunft gegeben, dass sich in dem Flugzeugtyp die Babykörbchen in der Reihe 9 befänden, weshalb der jetzige Kläger die Sitze reservierte.

Tatsächlich befanden sich die Babykörbchen nicht in dieser Reihe. „Folglich liegt eine falsche Auskunft der Angestellten der beklagten Partei vor. Es wurde eine Nebenpflicht verletzt, die sich die beklagte Partei gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss.“ Die Richterin ging davon aus, dass bei zutreffender Auskunft auch die Reihe mit den Babykörbchen reserviert worden wäre und es zu den Unbequemlichkeiten nicht gekommen wäre. Der Kläger hatte vorgetragen, dass er ohne Babykörbchen-Reservierung einen anderen Flug oder gar eine andere Reise gebucht hätte. Die Frage, ob auf dem langen Flug nicht auch mal der Vater das Töchterchen auf den Schoß genommen hat, wurde von keiner der beiden Prozessparteien angeschnitten, weil dies letztlich auch keine Rolle spielte. Dann hätte sich die Preisänderung auf 2 Personen, Mutter und Vater „verteilt“.

Eine Minderung des Reisepreises (der Mutter) in Höhe von 20 Prozent nahm die Richterin jedoch nicht vor. Sie hielt eine MInderung von 5 Prozent des Reisepreises, also von 152,75 DM für gerechtfertigt. Dieser Betrag wurde zugesprochen; bezüglich der Mehrforderung wurde die Klage im übrigen abgewiesen. Dies hat auch zur Folge, dass die Klagepartei 3/4, die Beklagtenpartei 1/4 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Das Urteil ist rechtskräftig.

Artikel vom 23.05.2001
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