Geheimdokumente zu Hitlers Atomprogramm

Brisanz im Deutschen Museum

Foto links: Einsetzen der Röhre in einen Hochspannungsgenerator, 1938.

Foto links: Einsetzen der Röhre in einen Hochspannungsgenerator, 1938.

München · Bis 12. August 2001 zeigt das Deutsche Museum die Sonderausstellung „Geheimdokumente zum deutschen Atomprogramm 1938 bis 1945“.

Die Dokumente werden damit erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie wurden 1944/1945 von einem Spezialkommando der amerikanischen Streitkräfte mit dem Tarnnamen „Alsos-Mission“ beschlagnahmt, nach Amerika gebracht und ausgewertet.

Seit 1998 sind sie im Archiv des Deutschen Museums.

Die Unterlagen umfassen wissenschaftliche Berichte, Laborbücher, Korrespondenzen, Fotos, technische Zeichnungen und Notizen u. a. von Otto Hahn, Werner Heisenberg, Carl Friedrich von Weizsäcker, Karl Wirtz, Kurt Diebner, Walther Bothe. Die originalen deutschen Dokumente werden ergänzt durch amerikanische Exzerpte aus Briefen und Akten deutscher Wissenschaftler.

Kurz vor Weihnachten 1938 war den Chemikern Otto Hahn und Fritz Straßmann unter Mitwirkung von Lise Meitner bei dem sogenannten „Indikatorversuch“ der Nachweis für die Spaltung von Urankernen bei Neutronenbestrahlung gelungen. Diese Entdeckung rief weltweit größtes Aufsehen hervor. Der Hahntisch im Deutschen Museum mit originalen Elementen steht in der Ausstellung für diese Entdeckung. In Deutschland organisierte mit Beginn des 2. Weltkrieges das Heereswaffenamt in Verbindung mit dem Reichsforschungsrat unter der Leitung des Physikers Abraham Esau die führenden Forscher Deutschlands auf dem Gebiet der Kernspaltung im „Uranverein“. Die Arbeiten wurden auf verschiedene Institute verteilt.

Die ausgestellten Atomdokumente zeigen den Spannungsbogen der Nutzung der Kernspaltung: „Uranmaschine“ (Reaktor) oder Bombe. Die Möglichkeit der waffentechnischen Nutzung wurde sofort gesehen, allerdings seit etwa 1942 für nicht realisierbar gehalten, zumindest nicht für die Dauer des Krieges. Trotzdem hatte die Atomforschung hohe Priorität.

In mehreren Versuchen in Leipzig, Gottow und Berlin wurden verschiedene Formen der „Uranmaschine“ gebaut, ohne dass eine Kettenreaktion erzielt werden konnte. Im Ausweichlager in Haigerloch wäre kurz vor Ende des Krieges fast der erste Reaktor unter der Leitung von Werner Heisenberg kritisch geworden.

Die Schriftstücke, Pläne und Fotos der Sonderausstellung zeigen den Aufbau der verschiedenen Forschungseinrichtungen in Berlin, Leipzig, Heidelberg, Straßburg, Wien, Hamburg, München und Gottow.

Die streng geheimen Arbeitsberichte wurden nur in wenigen Exemplaren verteilt. Sie vermitteln, dass die deutsche Atomforschung in den ersten Jahren theoretisch und praktisch einen Stand hatte, der vergleichbar war mit den amerikanischen Anstrengungen. Erst seit 1942 klafft die Schere zwischen der deutschen und amerikanischen Atomforschung auseinander. Während in den USA über 100.000 Menschen am Atomprogramm „Manhattan Project“ beschäftigt waren, arbeiteten in Deutschland nur einige Hundert Wissenschaftler im „Uranverein“. Der Mangel an Materialien vergrößerte den Abstand.

Trotzdem stellt die Ausstellung anhand von Dokumenten die Frage, was den Baueines Reaktors oder einer Bombe verhindert hat: War es der Materialmangel, die geringen personellen Ressourcen oder eine gezielte Verweigerungshaltung führender Wissenschaftler? N. F.

Artikel vom 16.05.2001
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